Honda CBR 650 R im Test: Sportliches Comeback

Hondas CBR 650 R ist begehrt, ihr Antrieb erprobt. Im Test erweist sich ihre Fahrdynamik richtig auf die Landstraße abgestimmt statt kompromisslos sportlich.

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Honda CBR 650 R

(Bild: Ingo Gach)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Ingo Gach
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Es klingt unglaublich, aber bei den Neuzulassungen in Deutschland lag bis einschließlich Mai ein Sportmotorrad mit einer Vollverkleidung auf Platz drei, dabei galten die Sportler eine ganze Weile als aussterbende Kategorie. Honda verkaufte dieses Jahr bislang von seiner CBR 650 R bemerkenswerte 1221 Stück. Das hat das Sportbike in den vergangenen Jahren nicht einmal innerhalb von zwölf Monaten geschafft. Grund genug, die CBR 650 R einem gründlichen Test zu unterziehen.

Das Geheimnis ihres Verkaufserfolgs liegt wohl im Preis-Leistungs-Verhältnis. Für 10.200 Euro erhält der Käufer einen attraktiven Mittelklasse-Sportler. Es ist sicher kein Zufall, dass die CBR 650 R äußerlich Hondas 218 PS starkem und 25.000 Euro teurem Superbike CBR 1000 RR-R Fireblade sehr ähnlich sieht.

Schnelle Fakten zur Honda CBR 650 R
  • Leistung: 70 kW bei 12.000/min, Drehkraft 63 Nm bei 9500/min
  • Mit automatisierter Kupplung erhältlich (400 Euro)
  • Höchstgeschwindigkeit 197, im Test deutlich darüber
  • Preis: 10.600 Euro

Die aggressiv geformte Front mit den beiden schmalen LED-Scheinwerfern und das spitz zulaufende Heck folgen der Form der Fireblade. Die 650er ziert sogar die gleiche rote Lackierung mit den blauen und weißen Streifen. Alternativ gibt es sie auch in Mattschwarz mit einem dezent roten Streifen, doch unsere Testmaschine pflegt den auffälligen Auftritt in Knallrot.

Die CBR 650 R wird, wie die Fireblade, von einem Reihenvierzylinder befeuert, allerdings mit nur 649 cm3. Der Kurzhuber bringt es auf 95 PS bei 12.000/min. Das klingt zunächst im Vergleich zur Fireblade etwas dürftig, doch im Gegensatz zur großen Schwester ist sie nicht kompromisslos für die Rennstrecke konzipiert, bietet dafür aber eine deutlich höhere Alltagstauglichkeit.

Honda CBR 650 R Test I (6 Bilder)

Honda liegt mit der CBR 650 R bei den Neuzulassungen dieses Jahr bislang auf dem sensationellen dritten Platz. (Bild:

Ingo Gach

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Ihre Stummellenker sind relativ hoch und so lastet nicht so viel Gewicht auf den Handgelenken. Auch der Kniewinkel ist vergleichsweise angenehm, wenn ich in 810 mm Höhe hocke. Die Sitzbank mit den hübschen roten Ziernähten ist bequemer, als sie auf den ersten Blick aussieht. Jedenfalls hatte ich auch nach ein paar Stunden noch keine quälenden Druckstellen.

Unser Testexemplar ist mit Hondas E-Clutch ausgestattet, was den Grundpreis zum einen um 400 Euro nach oben drückt, zum anderen den Motor verbreitert, weil die E-Kupplung an der rechten Seite angeflanscht ist. Sie hat nichts mit Hondas Doppelkupplungsgetriebe zu tun, sondern unterbricht die Kraftstoffeinspritzung und Zündung, während die Elektronik die Gänge wechselt.

Renaissance der Mittelklasse-Sportmotorräder

Die E-Clutch bietet den Vorteil, dass die manuelle Kupplungsfunktion zwar bei Bedarf noch vorhanden ist, aber die Gänge auch ohne Betätigung des Kupplungshebels oder Schließen des Gasgriffs mit dem Fuß durchgeschaltet werden können. Das erledigt die Elektronik butterweich und ohne störende Schläge. An der roten Ampel muss ich nicht den Leerlauf suchen, der erste Gang bleibt drin, ohne dass der Motor abgewürgt wird, und zum Anfahren ziehe ich das Gas einfach wieder auf.

Allerdings dreht der kalte Motor auf den ersten paar hundert Metern recht hoch bei 2200/min und ich muss mit der Bremse gegenhalten, um nicht zu schnell zu werden. Hat sich die Drehzahl wieder beruhigt, kommt das Talent des Reihenvierzylinders zur Geltung. Er läuft angenehm weich und zeigt eine lineare Leistungsentfaltung. In der Stadt fährt die CBR 650 R bei Tempo 50 im sechsten Gang ohne zu ruckeln. Im Cockpit informiert ein fünf Zoll großes TFT-Display über die wichtigsten Fahrzustände in großen Zahlen, die nicht ganz so wichtigen Informationen hingegen winzig dargestellt. Ich bediene das Menü über ein Steuerkreuz am linken Lenker-Ende, das jedoch etwas klein ist und mit dicken Handschuhen nicht immer exakt erwischt wird.

Honda CBR 650 R Test II (9 Bilder)

Die Nissin-Vierkolbenbremsen an der Front können überzeugen. (Bild:

Ingo Gach

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Fahrmodi sucht man bei der CBR 650 R vergeblich, ich vermisse sie aber auch nicht, denn der Motor nimmt vorbildlich Gas an, reagiert spontan, ohne zu hart einzusetzen. Eine Schlupfregelung besitzt sie hingegen, sie kann bei Bedarf abgeschaltet werden. Die Honda gibt sich nicht übertrieben handlich und will bewusst eingelenkt werden, zeigt dann aber eine hohe Spurtreue und lässt sich in Schräglage durch nichts aus der Ruhe bringen.

Spannende Motorräder

Ihr stabiler Brückenrohrrahmen aus Stahl trägt hier seinen Teil dazu bei, erklärt aber auch das Gewicht von 211 Kilogramm, wovon rund zwei Kilogramm auf das Konto der E-Clutch gehen. Lastwechseleinflüsse auf die Fahrdynamik sind auf der Honda minimal. Ihre 95 PS treiben die CBR 650 R ordentlich voran, allerdings nimmt ihr die lange Übersetzung einiges an Spritzigkeit. Entsprechend fällt der Durchzug nicht berauschend aus, was ich aber durch fleißiges Schalten wieder kompensiere. Aktiv bewegt ist die Honda auf Landstraßen rasant unterwegs. Ab 6000/min spüre ich feine Vibrationen in den Handgriffen und Fußrasten, die mit steigender Drehzahl leider nicht abklingen.

Die Abstimmung des nicht einstellbaren Fahrwerks (außer der Vorspannung am hinteren Federbein) kann überzeugen. Die 41 mm dicke SFF-Gabel von Showa bietet viel Komfort, unterstützt aber durchaus noch eine sportliche Fahrweise. Auf holprigen Landstraßen schüttelt die CBR 650 R mich nicht gnadenlos durch, wie es manche andere Sportbikes tun. Kehrseite der Medaille: Bei Vollbremsungen taucht die Gabel fast bis auf Block ein. Zwei radiale Vierkolbenbremszangen mit 310 mm großen Bremsscheiben von Nissin packen kräftig zu. Ihr ABS arbeitet feinfühlig und vertrauenerweckend. Bei den Reifendimensionen wählt Honda die weitverbreiteten 120/70-17 vorn und 180/55-17 hinten, was dem Besitzer eine große Auswahl an Marken ermöglicht. Unser Testexemplar rollt auf Dunlop Sportmax Roadsmart II, die guten Grip und Feedback gewähren, aber nicht zu den handlichsten Reifen zählen.

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Als Höchstgeschwindigkeit gibt der Fahrzeugschein 197 km/h an, allerdings steigt der digitale Tacho auf der Autobahn bis auf 222 km/h, wenn ich mich hinter dem Bubble-Windschild verkrieche. Entweder haben wir ein sehr gut gehendes Exemplar erwischt oder der Tacho eilt sehr weit vor. Der Verbrauch pendelt sich im Laufe des Tests bei 4,8 Liter auf 100 km ein. Bei gefülltem 15-Liter-Tank käme ich also theoretisch 312 km weit, was für einen Sportler völlig ausreicht.

Mögliche Alternative von Aprilia im Test

Mit der CBR 650 R hat Honda einen Bestseller im Programm, der sich durch ansprechendes Design und einen gelungenen Motor auszeichnet. Die Verarbeitung ist bei Honda traditionell sehr gut, die Qualität über jeden Zweifel erhaben.

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Die E-Clutch arbeitet akkurat, unbedingt haben muss man sie aber nicht, denn die normale Kupplung funktioniert ausgesprochen gut mit wenig Kraftaufwand. So lassen sich immerhin 400 Euro sparen. Noch eine sehr erfreuliche Nachricht hat Honda für seine Kunden: sie gewähren sechs Jahre Garantie, vorausgesetzt das Motorrad kommt jedes Jahr zur Inspektion in die Fachwerkstatt.