Motorrad-Test Honda XL 750 Transalp: Neue Höhen
Viele kleine Maßnahmen bewirken einen großen Schritt: Die Reiseenduro kann nun auf ganzer Linie überzeugen, bei weiter attraktivem Preis-Leistungs-Verhältnis.
Honda hat trotz des Erfolgs der Transalp schon an entscheidenden Stellen nachgearbeitet. Das hat sich gelohnt.
(Bild: Ingo Gach / heise Medien)
- Ingo Gach
Bereits nach zwei Jahren auf dem Markt überarbeitet Honda seine beliebte Reiseenduro XL 750 Transalp gründlich. Sie stürmte nach ihrer Vorstellung sofort die Verkaufscharts in Deutschland und hielt sich unter den Top Ten. Natürlich zehrte sie vom Bonus ihrer legendären Urahnin XL 600 V Transalp aus den späten 80er-Jahren, die sich den Ruf der absoluten Zuverlässigkeit erarbeitet hatte. Tatsächlich sind heute noch viele Exemplare unterwegs, manche von ihnen haben ohne Panne über 300.000 km abgespult.
- In der Tradition der Honda XL 600 V Transalp von 1987
- Leistung: 67,5 kW bei 9500/min, Drehkraft 75 Nm bei 7250/min
- Gedrosselt auf 35 kW für A2-Führerschein-Inhaber erhältlich
- Spürbare Fahrwerksverbesserungen, außer beim Bremsgefühl
- Preis: 11.445 Euro
Ob die neue XL 750 Transalp das auch schafft, muss sie erst noch beweisen, aber der erste Test vor zwei Jahren gab Anlass zur Hoffnung. Sie schlug sich einwandfrei, bis auf ein paar kleine Kritikpunkte. Genau die ist Honda für den aktuellen Modelljahrgang angegangen. Wir haben uns ein Exemplar von Honda für einen gründlichen Test ausgeliehen. Zunächst fällt die neue Front ins Auge, sie trägt Doppel-LED-Projektionsscheinwerfer, die ein wenig aggressiver aussehen als bei der Vorgängerin. Die Verkleidung wurde modifiziert und nutzt einen zentralen Belüftungskanal.
Neues Fünf-Zoll-TFT-Display
Auch im Cockpit hat sich einiges getan: Ein fünf Zoll großes TFT-Display informiert den Fahrer umfassend. Es lässt sich per Bluetooth mit dem Smartphone verbinden und kann unter anderem eine Pfeilnavigation darstellen. Die XL 750 Transalp verfügt über vier fixe (Rain, Standard, Sport, Gravel) und zwei konfigurierbare Fahrmodi. Darin ist die Leistungsentfaltung in vier Stufen, die Motorbremse in drei Stufen, das ABS in zwei Stufen und die Schlupfregelung in fünf Stufen einstellbar.
Honda XL 750 Transalp (7 Bilder)

Ingo Gach / heise Medien
)ABS und Schlupfregelung können für den Geländeeinsatz auch ganz abgeschaltet werden. Für den Anfang wähle ich "Standard" und der Reihenzweizylinder nimmt geschmeidig Gas an. Der 755 cm3 große Motor leistet 92 PS (67,5 kW) bei 9500/min und 75 Nm bei 7250/min.
Drehfreudiger Motor
Einige Kollegen kreideten dem Motor an, er habe nicht genug Druck bei niedrigen Drehzahlen. Ich weiß nicht, was die Betreffenden vorher gefahren sind, aber die ziemlich lineare Leistungsentfaltung der Transalp bietet ab Leerlaufdrehzahl genügend Vortrieb, um das 210 kg schwere Bike flott zu beschleunigen. Richtig ist, dass der Zweizylinder nach oben raus sehr drehfreudig ist, aber das halte ich auch bei einer Reiseenduro nicht für nachteilig. Die 750er kann mit einem ambitionierten Fahrer rasant unterwegs sein. Doch zunächst geht es durch die Stadt, in der die Transalp sich angenehm dirigieren lässt. Mit 1560 mm Radstand und 111 mm Nachlauf sowie einem 21-Zoll-Vorderrad ist sie kein Ausbund an Handlichkeit, aber alles andere als träge. Die Transalp ist erfreulich leise, ihr Fahrzeugschein weist nur 88 dB(A) Standgeräusch aus. Dennoch klingt sie wunderbar sonor und mit einer 270-Grad-Kurbelwellenkröpfung ein wenig nach dem V2 ihrer Urahnin.
Hoher Komfort
Mit 850 mm Sitzhöhe ist die XL 750 Transalp zwar nicht ausgesprochen niedrig, doch erreichen Personen ab 1,75 m problemlos mit beiden Füßen den Boden. Der Komfort ist gut, die Sitzbank erweist sich auch auf langen Etappen als bequem, der Kniewinkel ist entspannt und der Lenker hat die passende Höhe. Neu ist der aus Duarbio (ein biobasierter Polycarbonat-Kunststoff) gefertigte Windschild mit geänderter Form, um Luftwirbel am Helm zu reduzieren. Das gelingt ihm annähernd perfekt, selten ging es hinter einer Scheibe so ruhig zu wie auf der Transalp. Auch die Fahrzeugdurchströmung unterhalb und seitlich des Tanks wurde optimiert.
Fahrwerk neu abgestimmt
Auf der Landstraße läuft die Honda im Sport-Modus zur Höchstform auf, die Fahrwerksabstimmung macht sich gut. So ist die nicht einstellbare Upside-down-Gabel von Showa mit 200 mm Federweg nun in Zug- und Druckstufe etwas weicher, während das Showa-Federbein mit 190 mm Federweg straffer arbeitet. Die Maßnahmen verbessern das Fahrverhalten, machen die XL 750 Transalp vor allem in Schräglage bei holprigem Asphalt ruhiger. Kaum zu glauben, wie schnell eine hochbeinige Enduro auf kurvigem Geläuf unterwegs sein kann. Ihre Reifen der Dimension 90/90-21 und 150/70-18 tragen ihren Teil dazu bei.
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Bremsen überzeugen nicht völlig
Die beiden Zweikolben-Bremsen mit 310-mm-Bremsscheiben am Vorderrad können nicht völlig überzeugen. Sie verzögern zwar wirkungsvoll, erzeugen aber am Bremshebel ein teigiges Gefühl und die Gabel taucht weit ein. Hat man sich erst einmal darauf eingestellt, lassen sich Kurven aber auch bei forciertem Tempo gezielt und sicher anbremsen. Bei heftigen Bremsmanövern flackern die hinteren LED-Blinker in Notstoppsignal-Funktion auf. Ein ganz dickes Lob verdient die Schaltung der Transalp, die Gänge lassen sich butterweich und präzise durchschalten, den aufpreispflichtigen Quickshifter vermisse ich nicht.
Honda XL 750 Transalp Details (8 Bilder)

Ingo Gach / heise Medien
)Die Transalp kann auch Schotter
Auf einem Schotterweg muss die XL 750 Transalp beweisen, was sie im Gelände draufhat. Im Gravel-Modus geht sie sanfter ans Gas, dann ist das ABS am Hinterrad deaktiviert. Die Honda zieht sauber ihre Bahn durch den Schotter, folgt der angepeilten Linie, nur die Dunlop-Trailmax-Mixtour-Reifen – hinten erfreulicherweise in 18 und nicht 17 Zoll – setzen ihr Grenzen, bei etwas grobstolligerem Profil wäre auch höheres Tempo sicher möglich.
Nachdem ich ABS und Schlupfregelung im Menü vollständig deaktiviert habe, traue ich mich auf sandiges Terrain. Auch hier schlägt sich die Honda überraschend gut, die 210 kg Gewicht merke ich kaum, sie geht willig um Kurven, auch wenn gelegentlich das Hinterrad nach Grip sucht. Übertreiben will ich es aber nicht, trotz einer Bodenfreiheit von 212 mm sind Krümmer und Motorblock kollisionsgefährdet, Sturzbügel und Motorschutz kosten bei Honda extra und sind am Testexemplar nicht montiert.
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Langer Sechster
Wieder auf Asphalt steht noch der Autobahntest an. Die XL 750 Transalp rennt 195 km/h und dennoch bleibt sie sparsam, denn Honda hat den sechsten Gang lang ausgelegt, um die Drehzahlen bei schnellen Etappen zu senken. Natürlich sind die Durchzugswerte im letzten Gang nicht berauschend, aber im Fünften zieht die XL 750 Transalp bei Bedarf wie gewünscht vehement vorwärts. Dennoch verträgt die Honda den höchsten Gang bei Tempo 50 in der Innenstadt ohne zu ruckeln. Im Schnitt genehmigt sich der Motor 4,3 Liter auf 100 km. Mit ihrem 16,9-Liter-Tank kommt die XL 750 Transalp also etwas über 390 km weit. Die Gepäckbrücke ist übrigens serienmäßig, genauso wie der USB-C-Anschluss im Cockpit.
Angenehmer Reisebegleiter
Die Honda ist ein sehr angenehmer Reisebegleiter, selbst nach ein paar Stunden im Sattel fühle ich mich immer noch erstaunlich fit. Das überarbeitete Fahrwerk tut ihr gut, und die neuen Features werten sie zusätzlich auf. Die Honda XL 750 Transalp gibt es für 11.449 Euro inklusive Überführungskosten in Schwarz oder Grau, die traditionelle weiß-rot-blaue Lackierung kostet 11.749 Euro, alle drei Farbvarianten umfassen golden eloxierte Felgen. Für Fahranfänger mit A2-Führerschein gibt es die Transalp auch als 48-PS-Version.