MV Agusta Brutale 950 Serie Oro: Roter Retter
MV Agusta meldet sich mit der neuen Brutale 950 zurück, zunächst in der limitierten Serie Oro. Das blutrot lackierte Naked Bike soll die Edel-Marke retten.
Mit der MV Agusta Brutale 950 Serie Oro stellt die Traditionsmarke eine limitierte Serie vor. Das gleiche Motorrad wird mit weniger edlen Teilen und in Großserie (wie MV hofft) später günstiger angeboten.
(Bild: MV Agusta)
- Ingo Gach
MV Agusta hat in seiner langen Existenz schon alle Höhen und Tiefen durchlebt. 1946 brachte der Flugzeugbauer Graf Domenico Agusta sein erstes Motorrad auf den Markt, schon 1952 gewann die Marke den ersten WM-Titel in der 125er-Klasse, danach folgten 37 weitere und MV Agusta galt in der 500er-Königsklasse in den 1960er Jahren als unschlagbar. Doch es gelang der Marke auf Dauer nicht, den Ruhm in klingende Münze umzusetzen, sie bauten zwar Ikonen wie 1971 die 750 Super Sport mit einem Reihenvierzylinder, aber keine günstigen Modelle wie die, mit denen die japanische Konkurrenz den Markt flutete.
1980 ging MV Agusta Pleite, 1992 kaufte Claudio Castiglioni, Besitzer von Cagiva, die Markenrechte. Er beauftragte den genialen Massimo Tamburini mit der Entwicklung eines Vierzylinder-750er-Superbikes. Die attraktive F4 750 Serie Oro wurde 1997 präsentiert, es folgten einige Sportmodelle mit bis zu 1078 cm3, dann verkaufte Castiglioni überraschend die Marke 2008 für 108 Millionen Dollar an Harley-Davidson. Doch die Weltwirtschaftskrise traf die US-Marke hart und so gaben sie MV Agusta zwei Jahre später für den symbolischen Kaufpreis von einem Dollar an Castiglioni zurück.
Immer auf der Suche nach Geld
2011 starb Claudio Castiglioni und sein Sohn Giovanni übernahm die Geschäftsführung. Er war fortan auf der Suche nach Geld, 2014 stieg AMG-Mercedes ein und nach nur drei Jahren und etlichen Millionen Verlust wieder aus. 2017 fand der russische Milliardärssohn Timur Sardarov Gefallen an MV Agusta und übernahm sukzessive das Unternehmen, Giovanni Castiglioni schied schließlich aus. Doch so schön die MV Agustas Motorräder auch waren, zu den hohen Preisen fanden sie nur wenige Käufer und die legendäre Marke war chronisch klamm.
Das lockte KTM-Boss Stefan Pierer auf den Plan, der sich im November 2022 mit 25,1 Prozent bei MV Agusta einkaufte, um im März 2024 die Mehrheit zu übernehmen. Doch dann wurde KTM insolvent und war nicht einmal ein Jahr später gezwungen, seine Anteile loszuschlagen, und Sardarov kaufte sie zurück. Erneut war die Zukunft von MV Agusta ungewiss, denn auch wenn die Produktion in Varese geblieben war, war der Einkauf über KTM in Mattighofen gelaufen und die Zulieferer dort nicht oder nur schleppend bezahlt worden. Bis MV Agusta das geklärt hatte, verging einige Zeit.
MV Agusta Brutale 950 Serie Oro (1 Bilder)

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MV Agusta
)Aufgeben war nie eine Option
Doch Aufgeben ist für MV Agusta noch nie eine Option gewesen und jetzt präsentieren sie einen neuen Hoffnungsträger in Gestalt der Brutale 950 Serie Oro. Bei ihr handelt es sich, wie so oft bei MV Agusta, um eine limitierte Serie, diesmal sind es 300 Stück, bevor die Basis auf den Markt kommt. Sie sieht den bisherigen Brutale-Modellen (Test der 1000er) zwar sehr ähnlich, ist aber ein komplett neues Motorrad.
Der oben weit rausgezogene Tank und die Seitenverkleidungen sind jetzt noch organischer gestaltet und in metallic-rot lackiert, während die Felgen und der hintere Aluminiumrahmen golden eloxiert glänzen, um das „Oro“ im Namen (auf Deutsch „Gold“) optisch zu unterstreichen. Der vordere Teil des Rahmens ist als Gitterrohr aus Stahl gestaltet und soll über verbesserte Torsionssteifigkeit verfügen. Das knappe Heck integriert ein kurios geformtes LED-Rücklicht.
MV Agusta scheint den Wohlfühlfaktor entdeckt zu haben und betont, dass der mit rotem Alcantara bezogen Sattel für Fahrer und Sozius breiter und besser gepolstert sei für mehr Komfort. Der Lenker ist höher, für eine aufrechte Körperhaltung. Allerdings sitzt es sich auf 850 mm recht hoch und die Fußrasten wanderten weiter nach hinten und oben, was auf einen engeren Kniewinkel schließen lässt.
Dreizylinder mit mehr Leistung
Sie erhält den neuen 931-cm3-Dreizylindermotor mit rückwärts zur Fahrtrichtung rotierender Kurbelwelle, der bereits in der Enduro MV Agusta Veloce seinen Dienst versieht. Für die Brutale 950 ist die Leistung jedoch von 124 PS bei 10.000/min auf 148 PS bei 11.200/min gesteigert worden durch Kolben für eine optimierte Brennraumgeometrie, modifizierte Steuerzeiten, größere Ventile und neue Kühlkanäle.
MV Agusta Brutale 950 Serie Oro Details (5 Bilder)

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MV Agusta Brutale 950 Serie Oro
)Das maximale Drehmoment beziffert der Hersteller auf 107 Nm bei 8400 Touren. Bei einem angegebenen Trockengewicht von 195 kg dürften sich selbst mit vollem 16,5-Liter-Tank dynamische Fahrleistungen ergeben. MV Agusta beziffert die Höchstgeschwindigkeit mit „über 260 km/h“ und die Beschleunigung von 0 auf 100  km/h mit sehr optimistischen 2,7 Sekunden. Um ein stempelndes Hinterrad beim Runterschalten zu vermeiden, hat die Brutale 950 eine Assist-Kupplung mit Slipperfunktion.
Ein echter Hingucker sind die drei übereinandergelagerten Auspufftöpfe aus Titan von Termignoni auf der rechten Seite. MV Agusta hält an der Einarmschwinge fest, verlängert sie aber für mehr Fahrstabilität. Die Aluminium-Schmiederäder sind neu gestaltet und mit Pirelli Diablo Supercorsa bestückt, hinten im 190er-Format. Das ist im Prinzip ein Rennreifen mit Straßenzulassung. Das heißt, erst, wenn er auf Temperatur kommt, baut er den richtig Grip auf. Dann ist er Straßenreifen aber überlegen. Auch bei den Bremsen geht es edel weiter, es handelt sich um Brembos Hypure-Bremssättel mit 320 mm großen Bremsscheiben.
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Voll einstellbares Fahwerk
Beim voll einstellbaren Fahrwerk setzt MV Agusta komplett auf Öhlins. Vorne kommt eine NIX-30-Gabel und hinten ein TTX-GP-36-Federbein zum Einsatz mit 120 respektive 133 mm Federweg. Die Fahrwerksgeometrie geht trotz verlängerter Schwinge deutlich in Richtung Handlichkeit, ist der Radstand mit 1433 mm noch gemäßigt, gerät der Nachlauf mit 93 mm schon sehr kurz.
Bei Infotainment und Assistenzfunktionen macht MV Agusta keine halben Sachen. Über das neugestaltete 5-Zoll-TFT-Display können im Cockpit viele Assistenzsysteme eingestellt werden wie Kurven-ABS, Schlupfregelung, Quickshifter, Launch-Control, Tempomat und fünf Fahrmodi. Ein Matrix-LED-Scheinwerfer leuchtet auch in Kurven hinein und über die Geolocation des Anti-Diebstahl-Systems lässt sich das Motorrad auch weltweit orten.
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Später folgt ein günstigeres Basis-Modell
Neben dem Öhlins-Fahrwerk und Hypure-Brembos sind als Sonderausstattung an der Serie Oro Kotflügel, Motorabdeckungen und Kettenschutz aus Kohlefaserlaminat verbaut. Natürlich gibt es eine gravierte Plakette auf der Lenkerhalterung mit der Seriennummer. MV Agusta verlangt 26.100 Euro plus 495 Euro Nebenkosten für die Brutale 950 Serie Oro.
Auch wenn das aufregend designte Naked Bike mit teuren Komponenten ausgestattet ist, fehlen ihm doch auf die Konkurrenz einiges an Leistung und ein semi-aktives Fahrwerk. Das später folgende Basis-Modell wird billiger sein, aber auf einige edle Ausstattungen verzichten müssen. Ob MV Agusta sich mit der Brutale 950 aus der Misere retten kann, bleibt abzuwarten, immerhin gewähren sie fünf Jahre Garantie auf ihre Motorräder.