Die Zukunft der Internet-Verwaltung: Internet Governance Forum eröffnet

Athen als "Geburtsort der Demokratie" sei ein durchaus passender Ort für den Start einer neuen Diskussion über das "demokratischste Medium in der Welt überhaupt", hieß es zur Eröffnung des UN-Gremiums zu Fragen der Internet-Verwaltung.

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Von
  • Monika Ermert

Die Debatte um die künftige Verwaltung des Internet sowie um inhaltliche wie politische Fragen des weltweiten Netzes kann zumindest im Rahmen des Internet Governance Forum der UN erneut losgehen: Athen als "Geburtsort der Demokratie" sei ein durchaus passender Ort für den Start einer neuen Diskussion über das "demokratischste Medium in der Welt überhaupt", sagte der griechische Minister für Transport und Kommunikation Michalis Liapis bei der Eröffnung des ersten Internet Governance Forum (IGF) am heutigen Montag. Überhaupt gab es viel Lob von den Regierungen für das Netz – nach Ansicht von Experten wie Wolfgang Kleinwächter könne es sogar dazu beitragen, die internationale Diplomatie genauso umzukrempeln wie Kommunikation und Informationsaustausch.

Die IGF sei ein "offenes Haus" für die Bürger der Internetgemeinde und bringe Regierungen, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zusammen, sagte Nitin Desai, Sonderbotschafter des scheidenden UN-Generalsekretärs Kofi Annan. Dieser hatte beim Weltgipfel der Informationsgesellschaft, dessen Ergebnis das IGF ist, gefordert, die Internet-Governance-Macher müssten genauso kreativ sein wie die Internetmacher selbst. Beim IGF haben alle die gleichen Rederechte, viele der Workshops zu den vier Hauptthemen Offenheit, Sicherheit, Diversität und Zugang werden von zivilgesellschaftlichen Gruppen organisiert.

Als historisch bezeichnete auch der ägyptische Minister for Information and Communication Technologies, Tarek Kamel, den Start des IGF. "Unsere Erwartungen an die IGF sind endlos", sagte Kamel. Trotz des phänomenalen Wachstums sei die Verbreitung des Netzes in den Entwicklungsländern noch zu gering. Den über einer Milliarde Internetnutzern stünden rund fünf Milliarden Nicht-Nutzer gegenüber: "Zu den Barrieren für den Internetzugang gehören in der Regel die hohen Kosten für den internationalen Datenaustausch, Mangel an lokalen Inhalten, schlechte Infrastrukturvoraussetzungen und fehlendes Know-how." Als Beispiel gelungener Zusammenarbeit für den Aufbau nachhaltiger Infrastrukturen in Afrika nannte Kamel den Start von AfriNIC, der IP-Adressvergabestelle für Afrika. Dabei hätten das Multistakeholder-Prinzip und die internationale Zusammenarbeit gut funktioniert.

Ganz so harmonisch war allerdings nicht alles bei der bis auf den letzten Platz gefüllten IGF-Eröffnung, für deren Einlasskarten es fast schon einen Schwarzhandel gab. Zwar begrüßte Liapis den – von der EU ebenfalls schon gelobtenneuen Vertrag zwischen der US-Regierung und der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN). Der griechische Premierminister Konstantinos Karamanlis forderte aber mit Blick auf die Machtverhältnisse – die USA behalten sich weiterhin die Oberaufsicht über die Internetverwaltung vor – auch demokratische Lösung für die Verwaltung des Netzes. Neben dem Zugangsthema sei auch "Internet Governance" von besonderer Bedeutung: "Ich hätte allerdings gedacht, dass wir, bevor wir zur Internetdemokratie kommen, die Demokratie im Internet als ersten logischen Schritt verbessern."

EU-Medienkommissarin Vivian Reding verwies auf "interessante Modelle" für die Neuordnung der Aufsicht über das Domain Name System (DNS). Reding unterstrich die Notwendigkeit, dass neben dem IGF auch der Prozess der verbesserten Zusammenarbeit vorangetrieben werden müsse. Darunter will sie allerdings vor allem die Debatten zwischen den Regierungen verstanden wissen. Am wenigsten zufrieden zeigte sich Yoshio Utsumi, Generalsekretär der International Telecommunication Union (ITU): "Für mich ist es klar, dass es keinen Grund gäbe, das Internet Governance Forum zu gründen oder überhaupt hier zu sein, wenn das Problem [der Internet-Aufsicht und des Zugangs, d. Red.] gelöst wäre." Dass man die Entwicklungsländern letztlich nur aufklären müsse, grenze an Arroganz von Seiten der Industrieländer.

Dass das Internet Governance Forum ohne den Streit um die Aufsicht über die ICANN und den DNS nicht notwendig sei, dürften eine Reihe der am morgigen Dienstag beginnenden IGF-Workshops allerdings widerlegen. Dabei geht es unter anderem um den Datenschutz, um die Kosten für Bandbreite oder Filtermaßnahmen. Die Internationalisierung der Netzsprache nannten sowohl Kamel als Reding als wichtiges Thema. Darüber hinaus unterstrich Reding die Beschränkung des freien Informationsflusses als ein zentrales Problem. Allerdings erscheint manchen Kritikern angesichts von Vorratsdatenspeicherung und neuen Urheberrechtsstrafrechtsnormen auch bei der EU durchaus Vorsicht geboten.

Siehe zum Internet Governance Forum, dem Weltgipfel der Informationsgesellschaft und zu den nach seinem Abschluss entfalteten Aktivitäten:

Zu den Ergebnissen des 1. WSIS siehe auch:

(Monika Ermert) / (jk)