US-Gesetz zur Einführung einer "Breitband-Maut" gescheitert

Die Verfechter der Netzneutralität atmen auf: Der 109. US-Kongress hat es in seinen letzten Versammlungswochen nicht mehr geschafft, eine heftig umstrittene Novelle des Telekommunikationsrechts zu verabschieden.

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Die Verfechter der Netzneutralität in den USA atmen auf: Der 109. US-Kongress hat es in seinen letzten Versammlungswochen bis zum vergangenen Wochenende nicht mehr geschafft, eine heftig umstrittene Novelle des Telekommunikationsrechts zu verabschieden. Die entsprechenden Gesetzesentwürfe aus dem Senat und dem Repräsentantenhaus sollten gemäß dem Willen der republikanischen Mehrheit das bisherige Prinzip eines offenen und allen Interessierten ohne künstliche Unterscheidungen etwa bei der Zugangsgeschwindigkeit zur Verfügung stehenden Internet nicht konkret festschreiben. Sie stießen daher auf scharfe Kritik breit aufgestellter Koalitionen von Internet-Unternehmen und zivilgesellschaftlichen Organisationen. Diese setzen ihre Hoffnung für eine ausdrückliche gesetzliche Festschreibung der Netzneutralität in den kommenden 110. Kongress, der Anfang Januar seine Arbeit aufnehmen soll und in beiden Kammern von Demokraten kontrolliert wird.

Die Stabsübergabe im US-Parlament "markiert das Ende gut verschanzter gemeinschaftlicher Bemühungen, uns unsere Internetfreiheiten gesetzlich zu nehmen", jubiliert die bunt zusammen gewürfelte Vereinigung Save the Internet. Sie spricht von einem "überraschenden Sieg echter Menschen, welche die Kontrolle über das Internet behalten wollen." Konzerne wie AT&T, Verizon, BellSouth und Comcast hätten über 150 Millionen US-Dollar an Lobbygeldern verpulvert, um die Netzneutralität mit Hilfe des Kongresses abzuschaffen. Mit dem Geld und ihren "falschen Grassroots-Gruppen" hätten sie es aber nicht geschafft, die breit aufgestellte öffentliche Widerstandsbewegung zu überwinden. Auch für einen Sprecher der sich mit für den Erhalt der Netzneutralität stark machenden "It's Our Net"-Koalition ist das Scheitern der Telco-Gesetzgebung ein Zeichen dafür, welche "Kraft" das Thema des offenen Internet inzwischen entfalte.

Zu den Befürwortern strenger gesetzlicher Netzneutralitätsregeln gehören auch Firmen wie Amazon.com, eBay, Google, Microsoft oder Yahoo. Sie befürchten, dass Telekommunikationskonzerne und TV-Kabelanbieter das Internet andernfalls in teure, mit Mautstationen abgesperrte Luxusbahnen und holprige Feldwege aufteilen. Großen US-Breitbandanbietern und einigen europäischen Carriern wie der Deutschen Telekom geht es seit längerem darum, für den Aufbau ihrer Hochgeschwindigkeitsnetze Inhalteanbieter für die zugesicherte oder besonders rasche Übertragung von Daten zur Kasse zu bitten. Sie wollen Möglichkeiten zur unterschiedlichen Behandlung des Datenverkehrs in ihren Backbones erhalten, abhängig etwa von Quelle, Dienst und Bandbreitenverbrauch. Beide Seiten argumentieren damit, dass es bei ihren Belangen insbesondere auch um die Innovationsförderung gehe.

Nach der Neuwahl des US-Kongresses Anfang November hatten führende Demokraten angekündigt, die Frage der Netzwerkneutralität im neuen Parlament angehen zu wollen. Es sei die Pflicht der Abgeordneten, nicht nur die Interessen der großen Telcos zu schützen, sondern auch die der Öffentlichkeit, lautete die Losung. Zuvor waren Bemühungen von Demokraten zur gesetzlichen Verankerung eines starken Netzneutralitätsprinzips sowohl im Repräsentantenhaus als auch im Senat am Widerstand der Republikaner gescheitert.

Vertreter der Breitbandanbieter legen ihr Augenmerk dagegen inzwischen verstärkt auf die Parlamente in einzelnen US-Bundesstaaten, um dort die gewünschten "Mautgesetze" durchzubekommen. Verizon kündigte nach dem Scheitern der Reform des Telekommunikationsgesetzes auf Bundesebene an, ganz aus dem Lobby-Rennen in Washington aussteigen zu wollen und sich dagegen um Breitbandgesetze auf Länderebene zu kümmern. Auch dort hat sich die Opposition der Netzneutralitätsverfechter aber bereits organisiert und erste Demonstrationen durchgeführt.

Zum Thema Netzneutralität siehe auch:

(Stefan Krempl) / (jk)