Kein Mangel an Modellregionen für die elektronische Gesundheitskarte
Die Bremer Gesundheitssenatorin und auch die Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium freuen sich vorschnell darüber, dass Bremen und Heilbronn angeblich Testregionen werden.
Kaum hat die Gematik mit der Veröffentlichung der Spezifikationen der elektronischen Gesundheitskarte mit den umfangreichen Komponententests im Labor begonnen, drängeln sich die Modellregionen nach vorne, die den "10.000er-Test" durchführen wollen. So teilte die Bremer Gesundheitssenatorin Katrin Röpke (SPD) heute der Tageszeitung mit, dass Bremen eine der Testregionen sein werde. Zuvor hatte sich schon Marion Caspers-Merck (SPD), Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, darüber gefreut, dass "ihre" Modellregion Heilbronn eine Testregion werde.
Bei beiden Verlautbarungen wird die Tatsache umgangen, dass die Regionen unter den acht Bewerbern für die ersten Flächentests der elektronischen Gesundheitskarte noch gar nicht ausgewählt sind. In einem Schreiben an das Bundesgesundheitsministerium hatte die Gematik fünf der acht Bewerber als geeignete Testregionen benannt: Danach könnten sich Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Schleswig-Holstein auf Aufträge freuen, während Bremen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz aussortiert würden. Diese Regionen hätten andere Schwerpunkte in der medizinischen Telematik gesetzt, die nicht im Fokus der Rechtsverordnung des Ministeriums stünden, so die Gematik. Außerdem müsse sichergestellt sein, dass die Länder sich entsprechend finanziell beteiligten.
Entgegen der Vorauswahl durch die Gematik gibt es Signale aus dem Gesundheitsministerium, alle acht Bewerber am Test der Karte zu beteiligen, auch wenn einige Bewerber sich gar nicht mit dem nächsten Schritt, der Ausgabe von eRezepten, befassen. So wird in Rheinland-Pfalz im Raum Trier die Gesundheitsakte getestet, die allen Planungen nach erst am Ende der Einführung der Gesundheitskarte steht. Die möglicherweise bald offizielle Entscheidung der Politik, alle Bewerber als Testregionen zu adeln, soll die Akzeptanz für die Gesundheitskarte fördern. Juristisch sieht die Sache etwas anders aus: Nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuches V soll die Gesundheitskarte zum 1. Januar 2006 flächendeckend an alle Versicherten ausgegeben sein.
Die Gesundheitskarte, die dahinter liegende IT-Infrastruktur und die kommende medizinische Telematik ist auch ein Thema des Kongresses "Private Investigations", den der Chaos Computer Club veranstaltet. Die aktuelle Entwicklung trägt dort die eigenwillige Kapitelüberschrift "Die Sümpfe der Traurigkeit".
Zur elektronischen Gesundheitskarte und der Reform des Gesundheitswesens siehe auch:
- Karten-Spezifikationen vollständig veröffentlicht
- Alle österreichischen Gesundheitskarten sind verteilt
- Medica: Rundumversorgt dank Bodynet
- Medica: Vom Heilberufsausweis zur Gesundheitskarte
- Testmaßnahmen in Kraft getreten
- eHealth: Big Business in den Startlöchern
- Kompetente Nutzer braucht das Land
- Die Mühe der Ebenen
- Regierung drängt auf zügige Einführung
- Elektronische Gesundheitskarte: Entschleunigung oder Beschleunigung?
- Österreichs Rechnungshof kritisiert Gesundheitskarte e-card
- Ist das Foto notwendig?
- Biosig 2005: Vom Ohr zum Herz
- Weiterer Aufschub durch Bundestagswahl
- Elektronische Gesundheitskarte: 2006, 2008, 2010
- Schaar: Gesundheitskarte frühestens in 5 Jahren voll funktionsfähig
- Elektronische Gesundheitskarte auch in der Schweiz
- MedCAST: Nach der Gesundheitskarte ist vor der Gesundheitsakte
- Österreichische Gesundheitskarte verletzt den Datenschutz von Arbeitslosen
- Österreich beginnt mit der Auslieferung der e-card
- Vom Testlabor zur Testregion
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- Im Auge des Sturms
- Risikopatient, Die Gesundheitskarte, ein gigantisches IT-Projekt -- wird es zur "Maut II"?, c't 15/04, S. 94
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(Detlef Borchers) / (anw)