Microsoft nach Abschreibung in den roten Zahlen

Trotz eines Rekordumsatzes verbucht der Softwareriese erstmals einen Quartalsverlust. Schuld ist die angekündigte Milliarden-Abschreibung auf Aquantive. Steve Ballmer hat dennoch gute Laune.

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Dass Microsofts Geschäftsjahr kein ganz gutes Ende nehmen würde, war vorher klar. Das Unternehmen hatte die dickste Katze schon vor der Bekanntgabe der Quartalszahlen aus dem Sack gelassen: Microsoft schreibt 6,2 Milliarden US-Dollar – und damit fast den ganzen Kaufpreis – auf die Übernahme des Online-Werbers Aquantive ab. Der Konzern kann sich das offenbar leisten, doch hinterlässt das Desaster deutliche Spuren in der Schlussbilanz des vergangenen Geschäftsjahres: Die Wertberichtigung frisst den gesamten Gewinn des Schlussquartals auf.

Microsoft konnte den Umsatz im Vergleich zum Vorjahresquartal noch einmal von 17,37 auf 18,06 Milliarden US-Dollar (14,7 Milliarden Euro) steigern, teilte das Unternehmen am Donnerstag nach US-Börsenschluss in Redmond mit. Den operativen Gewinn für das Quartal gibt der Konzern mit 192 Millionen US-Dollar an (Vorjahr 6,17 Milliarden US-Dollar). Unterm Strich bleibt Microsoft so nach einem Gewinn von 5,87 Milliarden US-Dollar (0,69 US-Dollar pro Aktie) im Vorjahresquartal ein Verlust von 492 Millionen US-Dollar (401 Millionen Euro) respektive 0,06 US-Dollar pro Aktie.

Neben der Abschreibung auf Aquantive schlagen noch nicht verbuchte Umsätze aus dem Windows-Upgrade-Programm in Höhe von 540 Millionen US-Dollar ins Kontor. Ohne diese Einmaleffekte hätte der Software-Riese ein Betriebsergebnis von 6,93 Milliarden US-Dollar ausweisen können, was einer Steigerung von 12 Prozent entspricht, und bei einem Umsatz von 18,6 Milliarden US-Dollar einen Gewinn von 0,73 US-Dollar pro Aktie erzielt. CEO Steve Ballmer sprach nach Bekanntgabe der Zahlen von einem Rekordumsatz.

Für die Windows-Sparte hatten Beobachter schon damit gerechnet, dass Windows 7 angesichts des für Oktober angekündigten Nachfolgers an Zugkraft verlieren könnte. Der Umsatz der Sparte gab im Schlussquartal auch wegen der zurückgestellten Einnahmen aus dem Upgrade-Programm um 13 Prozent auf 4,15 Milliarden US-Dollar nach. Zum operativen Ergebnis trug das Windows-Geschäft mit 2,4 Milliarden US-Dollar bei (Vorjahresquartal: 2,9 Milliarden).

Die Business-Sparte, die unter anderem für das Office-Paket zuständig ist, wuchs um 7 Prozent auf einen Quartalsumsatz von 6,3 Milliarden US-Dollar. Der Bereich verzeichnet ein operatives Ergebnis von 4,1 Milliarden US-Dollar (Vorjahresquartal: 3,7 Milliarden). Zu Wochenbeginn hatte Ballmer persönlich eine Vorschau auf die nächste Office-Version gegeben. Die Software ist laut Microsoft auf über einer Milliarde Rechner installiert.

Der Umsatz im Servergeschäft wuchs um 13 Prozent von 4,5 auf 5,1 Milliarden US-Dollar. Der Beitrag der Sparte zum operativen Ergebnis wuchs von 1,7 auf 2,1 Milliarden US-Dollar. Die Unterhaltung- und Gerätesparte verzeichnete trotz eines maßgeblich durch die Skype-Übernahme beigesteuerten Umsatzwachstums von 1,49 auf 1,78 Milliarden US-Dollar einen operativen Verlust von 263 Millionen US-Dollar.

Im traditionell schwachen Onlinegeschäft verzeichnet Microsoft zwar eine Umsatzsteigerung von 680 auf 735 Millionen US-Dollar, doch schlägt hier die Wertberichtigung auf Aquantive zu Buche und sorgt für ein negatives operatives Ergebnis von 6,6 Milliarden US-Dollar. Für das ganze Geschäftsjahr addiert sich das operative Minus des Bereichs auf 8,12 Milliarden US-Dollar.

Im gesamten Geschäftsjahr stieg der Umsatz um 5,4 Prozent auf den Bestwert von 73,7 Milliarden US-Dollar. Der Jahresgewinn fiel angesichts Abschreibung um gut ein Viertel auf 16,98 Milliarden US-Dollar. "Wir haben Rekordumsätze für das vierte Quartal und das Geschäftsjahr abgeliefert", zeigte sich Steve Ballmer zufrieden mit dem Ergebnis und den weiteren Aussichten. Mit den anstehenden Markteinführungen der neuen Versionen von Windows, Windows Server, Windows Phone 8 und Office stehe Mircosoft vor einem aufregenden Geschäftsjahr.

Umsatz- und Gewinnentwicklung bei Microsoft
(Das Geschäftsjahr beginnt jeweils im Juli)
Quartal Umsatz Nettogewinn
4/01 6.580 Mio. 66 Mio.
1/02 6.130 Mio. 1.280 Mio.
2/02 7.740 Mio. 2.280 Mio.
3/02 7.250 Mio. 2.740 Mio.
4/02 7.250 Mio. 1.530 Mio.
1/03 7.750 Mio. 2.730 Mio.
2/03 8.540 Mio. 2.550 Mio.
3/03 7.840 Mio. 2.790 Mio.
4/03 8.070 Mio. 1.920 Mio.*
1/04 8.220 Mio. 2.610 Mio.*
2/04 10.150 Mio. 1.550 Mio.*
3/04 9.180 Mio. 1.320 Mio.*
4/04 9.290 Mio. 2.690 Mio.
1/05 9.189 Mio. (2.901 Mio.) 2.530 Mio **
2/05 10.818 Mio. 3.463 Mio.
3/05 9.620 Mio. 2.563 Mio.
4/05 10.161 Mio. 3.700 Mio.
1/06 9.741 Mio. 3.141 Mio.
2/06 11.837 Mio. 3.653 Mio.
3/06 10.900 Mio. 2.977 Mio.
4/06 11.804 Mio. 2.828 Mio.
1/07 10.811 Mio. 3.478 Mio.
2/07 12.542 Mio. 2.626 Mio.
3/07 14.398 Mio. 4.926 Mio.
4/07 13.371 Mio. 3.035 Mio.
1/08 13.762 Mio. 4.289 Mio.
2/08 16.367 Mio. 4.707 Mio.
3/08 14.454 Mio. 4.388 Mio.
4/08 15.837 Mio. 4.297 Mio.
1/09 15.961 Mio. 4.373 Mio.
2/09 16.629 Mio. 4.174 Mio.
3/09 13.648 Mio. 2.977 Mio.
4/09 13.099 Mio. 3.045 Mio.
1/10 12.920 Mio. 3.574 Mio.
2/10 19.022 Mio. (17.31 Mio. ***) 6.662 Mio.
3/10 14.503 Mio 4.006 Mio
4/10 16.039 Mio. 4.518 Mio.
1/11 16.195 Mio. 5.410 Mio.
2/11 19.953 Mio. 6.634 Mio
3/11 16.428 Mio. 5.232 Mio.
4/11 17.367 Mio. 5.874 Mio.
1/12 17.372 Mio.
5.738 Mio.
2/12 20.890 Mio. 6.630 Mio.
3/12 17.407 Mio. 5.108 Mio.
4/12 18.059 Mio. -492 Mio.****

* Gewinne unter Bilanzierung der Umstellung auf das neue Aktienprogramm für Microsoft-Mitarbeiter
** nach nachträglichem Abzug der Sonderkosten durch die
Einigung mit Novell
*** ohne Deferred Revenue, der durch Einnahmen mit Windows 7 vor der allgemeinen Verfügbarkeit des Betriebssystems erzielt wurde
**** maßgeblich beeinflusst durch Abschreibungen in Höhe von 6,2 Milliarden US-Dollar auf die Übernahme von Aquantive.
(vbr)