Intel verklagt Nvidia wegen Chipsatz-Lizenzen

Nun kommt der Streit zwischen den Chipsatz-Konkurrenten Intel und Nvidia, über den schon viel spekuliert wurde, an die Öffentlichkeit.

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Mit einer Klage gegen Nvidia vor dem Court of Chancery im US-Staat Delaware belebt Intel eine schon fast tot geglaubte Tradition: Jahrelang war die Intel-Rechtsabteilung wegen ihrer Klagefreudigkeit gefürchtet und hatte sich insbesondere mit VIA Technologies um Patente gestritten, die auch für Chipsätze relevant sind. Nach mehreren Gerichtsverfahren hat sich VIA letztlich aus dem Chipsatz-Geschäft für Pentium-4-Prozessoren und solche der Core-Generation zurückgezogen. Allerdings stand die Firma Intel selbst auch schon oft als Beklagte in Patentstreitigkeiten vor Gericht und zahlte viele Millionen, etwa an Intergraph oder Transmeta.

Nun trifft Intels Zorn Nvidia, was spannende Auseinandersetzungen verspricht, denn Nvidia-CEO Jen-Hsun Huang ist dafür bekannt, kein Blatt vor den Mund zu nehmen. In einer Pressemitteilung, die das Gerichtsverfahren überhaupt erst öffentlich gemacht hat, teilt er auch kräftig aus: (Nvidia-)"Innovationen wie Ion, SLI, Hybrid Power und CUDA bedrohen Intels Macht, die PC-Plattform zu beherrschen."

Laut Nvidia klagt Intel, weil ein seit 2004 gültiges Cross-Licensing-Abkommen zwischen den beiden Firmen nach Intels Ansicht nicht für Chipsätze gilt, die Nvidia offenbar für die kommende Generation von Intel-Prozessoren ab der Nehalem-Generation mit integriertem Speichercontroller fertigen will. Dazu Originalton Huang: "Wir sind sicher, dass unsere Lizenz genau so gilt wie ausgehandelt. Im Kern geht es bei diesem Streit darum, dass die Zeit der CPU abläuft und die Seele des PCs sich rasch in Richtung GPU verschiebt." Weiter meint Huang, die Intel-Klage sei "der klar erkennbare Versuch, Innovationen abzuwürgen, um das verfallende Prozessorgeschäft zu schützen".

An Selbstbewusstsein fehlt es Huang offenbar nicht. Seine Worte bekräftigen Nvidias "Visual-Computing"-Strategie, Grafikchips zunehmend für Anwendungen jenseits von 2D- und 3D-Beschleunigung zu nutzen – etwa als Applikationsbeschleuniger von (HD-)Video-Decoding, aber per CUDA in Zukunft auch für viele andere leistungshungrige Programme. Die theoretische Rechenleistung von High-End-Grafikchips, die extrem viele parallel arbeitende Rechenwerke enthalten, übertrifft die theoretische Rechenleistung der schnellsten Quad-Core-x64-Prozessoren um ein Mehrfaches. Bisher schöpfen aber nur wenige Applikationen für Massenmärkte das Potenzial der jüngsten Chip-Generationen aus – egal, ob es um CPU oder GPU, Multi-Threading, 64-Bit-Technik, SSE2/3/4-Befehle oder eben CUDA/OpenCL/Compute Shaders geht.

Der Streit zwischen Intel und Nvidia ist auch deshalb besonders pikant, weil Intel erst vor wenigen Tagen mit einem BIOS-Update die SLI-Funktion für das Core-i7-Mainboard DX58SO aus dem eigenen Haus freigeschaltet hat. Gleichzeitig ist klar, dass sich Nvidia im Chipsatz-Geschäft neu positionieren muss: Der ehemals enge Partner AMD bewirbt nun eigene Chipsätze und GPUs, hat aber auch stark an Marktanteil verloren – insbesondere im wachstumsträchtigen Notebook-Markt. Will Nvidia im Chipsatzmarkt wachsen, muss das Unternehmen Chipsätze besonders für Intel-Prozessoren fertigen. Hier konnte Nvidia einen wichtigen Coup landen: Ausgerechnet der Kunde Apple, auf den Intel besonders stolz ist, steigt Zug um Zug komplett auf Nvidia-Chipsätze um. Im Team mit Apple hebt Nvidia besonders die Beschleunigungsfunktionen der GPUs für Applikationen wie Adobe Photoshop CS4 oder Core Image hervor.

Mit Ion versucht Nvidia nun auch, einen Fuß ins Netbook-Geschäft zu bekommen. Bereits bei der Vorstellung der GeForce-9400-Chipsätze hat Nvidia versucht, mit einigen Benchmarks die Empfehlung zu untermauern, lieber beim Intel-Prozessor Geld zu sparen und dieses in leistungsfähigere Grafik zu stecken. Solche Argumente können Intel nicht schmecken. Der Chip-Weltmarktführer arbeitet zudem selbst an dem auch als 3D-GPU nutzbaren Applikationsbeschleuniger Larrabee, der vermutlich 2010 erscheinen wird. (ciw)