Alternativer Beton für grünes Bauen

Um den CO2-Ausstoß in der Baubranche zu senken, muss neuer Beton her. Hier sind drei Ideen.

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Thomas Brück im Algentechnikum der TU München. LEDs simulieren verschiedenste Lichtsituationen, damit die Algen wachsen können. Aus ihnen lassen sich Carbonfasern gewinnen, die Stahlarmierungen ersetzen können.

(Bild: Andreas Heddergott / TUM)

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Beton ist für bis zu zehn Prozent des weltweiten CO₂-Ausstoßes verantwortlich. Ihn zu senken ist kompliziert – aber es geht. Doch dazu müssen viele kleine Rädchen ineinandergreifen. Hier folgen drei Ideen, was die Baubranche tun könnte, um die große Nachfrage nach Wohnraum klimafreundlich zu stillen.

Ganz ohne Beton kommt ein Bauverfahren aus, das Thomas Brück, Professor für Synthetische Biotechnologie an der TU München, gemeinsam mit dem Münchener Start-up TechnoCarbon entwickelt hat. Es nutzt natürlichen Granit, den ein Wasserstrahlschneider in Scheiben von wenigen Millimetern bis einigen Zentimetern zerlegt. Diese werden mit dünnen Schichten aus Carbonfasern verklebt. Durch die Verbindung von druckfestem Naturstein mit zugfesten Fasern entsteht ein Material, das nach Angaben von TechnoCarbon eine höhere Festigkeit als Metall hat – und das bei einer ähnlichen Dichte wie Aluminium. Die Elastizität ("E-Modul") lasse sich "in weiten Grenzen" durch Faserrichtung und -stärke einstellen, und zwar im Bereich zwischen Aluminium und härtestem Stahl.

Die Carbonfasern können umweltfreundlich aus Salzwasseralgen hergestellt werden, die in Bioreaktoren gehalten und mit Kohlendioxid gefüttert werden – etwa aus einer Brauerei. In einer langen Prozesskaskade, die Brück mit seinem Team entwickelt hat, wird aus den Algen unter anderem Glycerin gewonnen, aus dem sich Polyacrylnitril herstellen lässt – ein Vorläufer klassischer Carbonfasern. Da nur sehr dünne Faserschichten benötigt werden und der Granit selbst günstig ist, sei das fertige Produkt potenziell recht preiswert. "Im aktuellen Stadium sind wir allerdings noch nicht kompetitiv", sagt Brück. Derzeit werden die Algen im Labor in einem 500-Liter-Kessel gehalten. Die Partner suchen noch nach Investoren für einen Niedrigenergiehaus-Prototyp.

Schauplatz der neuen Technologie: das Algentechnikum der TU München.

(Bild: Andreas Heddergott / TUM)

Für gegossene Anwendungen ist der Granit-Algen-Mix allerdings nicht geeignet, wie Brück einräumt. Doch auch ohne Granit können Carbonfasern helfen, klimafreundlicher zu bauen: Bei Stahl-Armierungen muss Beton oft unnötig dick aufgetragen werden, um den Stahl vor Korrosion zu schützen. Schon vor gut zehn Jahren entstanden in Deutschland die ersten Brücken aus Carbon-Beton. Dresdner Forscher errichten gerade mit dem "Cube" das erste Haus aus diesem Werkstoff.

Leichterer Beton erspart idealerweise nicht nur Stützmaterial und damit Zement – er kann auch mehrere Funktionen auf einmal übernehmen, etwa die Wärmeisolierung. Forscher der TU Berlin und der Bundeswehruni München haben einen Beton entwickelt, dem statt Sand und Kies Blähton und Blähglas beigemischt wird.

TR 5/2021

Dadurch sei es möglich, die Anforderungen der Energieeinsparverordnung nach Angaben der Bundeswehruni ohne zusätzliches Isoliermaterial zu erfüllen. Das erspare zusätzliche Arbeitsschritte und erleichtert das spätere Recycling, weil die Wände nur noch aus einem Material bestehen. Derzeit muss jedes Projekt, das mit diesem Leichtbeton gebaut wird, von jedem einzelnen Bundesland geprüft und genehmigt werden. Die Macher bemühen sich derzeit um eine generelle bauaufsichtliche Zulassung.

Einen ähnlichen Ansatz verfolgt die HTWK Leipzig. Bei ihr werden "Aerogele" von BASF dem Beton beigemischt – poröse Dämmstoffe auf mineralischer Basis oder aus Polyurethan. Auch sie werden im Cube in Dresden erprobt. Dessen Außenwände sind nur noch 27 Zentimeter dick.

Früher oder später bekommt jeder Beton Risse. Forscher der TU Delft haben Bakterien entwickelt, die Kalkstein produzieren, wenn sie mit Luft und Wasser in Kontakt kommen. Dadurch verschließen sie Risse wieder. Die Bakterien können frischem Beton zugemischt oder in einer Reparatur-Flüssigkeit auf Risse aufgetragen werden. Das Produkt ist unter dem Namen "Basilisk Concrete" bereits kommerziell erhältlich.

Forscher des Worcester Polytechnic Institute haben sich bei den menschlichen Enzymen umgeschaut. Fündig wurden sie bei der α-Carboanhydrase, die in roten Blutkörperchen die Umwandlung von Kohlendioxid in Kohlensäure (H₂CO3) katalysiert, um es leichter im Körper transportieren zu können.

Wird das Enzym Beton beigemischt, erzeugt es im Kontakt mit der Luft Kalkstein, der die Risse füllt. Nach Angaben der Forscher könne man die Lebensdauer von Gebäuden auf diese Weise um 20 bis 80 Jahre verlängern.

(bsc)