Billig-Elektroauto Dacia Spring im Test: Die Kunst des Weglassens

Der Spring beendet die Diskussion über grundsätzlich zu teure und fette E-Autos auf seine Art. Doch wie kompromissbereit muss der Fahrer sein? Ein Test

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Dacia Spring

(Bild: Pillau)

Lesezeit: 14 Min.
Von
  • Martin Franz
Inhaltsverzeichnis

Mein erstes Auto hatte 19 kW, brauchte aus dem Stand etwa 24 Sekunden, um auf 100 km/h zu kommen, was dann gleichzeitig auch die Spitze aller Vorstöße in Richtung Temporausch war. Die Geräuschentwicklung war intensiver als bei manch einer Soundanlage, die heute gegen Aufpreis geboten wird, naja, fast jedenfalls. Was das alles mit dem Dacia Spring zu tun hat? Er erinnert mich an ihn, denn er ist in gewisser Hinsicht so etwas wie eine Reise zurück in eine Zeit, in der Basismodelle nicht einfach nur die am wenigsten teure Variante waren, sondern automobile Grundbedürfnisse erfüllten – und eben keinen Deut mehr. Dessen sollte man sich bewusst sein. Nun zum Test des billigsten Großserienelektroautos auf dem deutschen Markt.

Den Verantwortlichen bei Dacia gebührt Respekt für die Konsequenz, mit der sie das Lastenheft des Spring formuliert und schließlich auch umgesetzt haben. Dem Interessenten muss das klar sein: Alles an diesem Auto wurde unter der Maßgabe entwickelt und freigegeben, dass es möglichst wenig kosten muss. Weggelassen wurde nahezu alles, was sich dem Vorhaben, das günstigste E-Auto auf den Markt zu bringen, irgendwie entgegenstellen könnte. Vor diesem Hintergrund mag es erstaunen, dass es von der Fixierung auf geringe Kosten überhaupt Abstriche gibt. Unter der Motorhaube findet sich eine Dämmmatte! Die Türen lassen sich per Fernbedienung auf- und verschließen! Es gibt eine Klimaanlage! Auch die hinteren Scheiben werden von Motoren gehoben und gesenkt, was sich allerdings nicht von vorn bewerkstelligen lässt. Dazu legt Dacia ein vollständiges Reserverad und der Topausstattung "Comfort Plus" ein Navigationssystem samt Rückfahrkamera bei.

Letzteres ist besonders erstaunlich, denn einerseits ist der 3,73 m kurze Spring recht übersichtlich, die Kamera also nicht unbedingt erforderlich. Andererseits ist das künstliche Fahrgeräusch beim Rückwärtsfahren derart laut und aufdringlich, dass der Fahrer frei von der Sorge sein kann, versehentlich jemanden zu überfahren – Passanten hören den rückwärtsfahrenden Spring in der Regel, bevor er ihnen gefährlich nahekommen könnte. Das Navigationssystem passt hinsichtlich seiner Funktionsvielfalt hervorragend ins Konzept. Es zeigt den Weg und die ungefähre Ankunftszeit, und das war es dann auch schon.

Dacia Spring (9 Bilder)

Alles ist erwartungsgemäß einfach ausgekleidet, doch die Verarbeitung ist in Ordnung.
(Bild: Florian Pillau)

Aktuelle Verkehrsdaten oder ein Angebot, Ladestationen in die Routenführung automatisiert einbauen zu lassen, gibt es hier nicht. Dacia hätte vermutlich einigen Kunden einen Gefallen getan, wenn man die gefühlt etwa 15 Jahre alte Hardware im Museum gelassen und die Sache gleich Android Auto und/oder Apple CarPlay überlassen hätte. Immerhin lässt das System einem diese Wahl. Dennoch ein kleiner Vorgriff auf das Ende dieses Tests: Folgen Sie unserer Konfigurationsempfehlung, können Sie beim Thema Infotainment frei entscheiden.

Mit einer Aufzählung, was es an Ausstattungsmerkmalen alles nicht gibt, ließen sich ganze Seiten füllen. Doch wer sich dem Spring mit dem eingangs beschriebenen Bewusstsein nähert, kann kaum enttäuscht sein. Vielleicht wundert er sich darüber, dass es nicht einmal eine Sitzhöhenverstellung gibt und die kurzen Sitzschienen den Verstellbereich nach hinten für große Menschen arg beschneiden. Wahrscheinlich hätte er sich gefreut, wenn Dacia aus dem Geschwindigkeitsbegrenzer einen Tempomaten gemacht hätte – die paar Zeilen Software wären auf Festplatten im Konzern sicher zu finden gewesen.

Falls er bei Dunkelheit in einem anderen Neuwagen einmal erlebt hat, wie gut Scheinwerfer inzwischen die Straße ausleuchten können, wird er im Schatten der funzligen H7-Glühlampen möglicherweise seufzen. Für kleines Geld gibt es bessere Leuchtmittel von Markenherstellern, eine zweistellige Investition, über die auch sparsame Besitzer nach der ersten Nachtfahrt mit dem Spring nachdenken werden. Nichts ändern kann er daran, dass den drei Drehreglern für die Lüftungsanlage in der Dämmerung kaum anzusehen ist, in welcher Stellung sie sich befinden.


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Ab 30 km/h verstummt das künstliche Warngeräusch und der Spring nimmt die aktuelle Spitzenposition bei Dacia ein: Kein anderes Modell der Marke rollt derart leise durch den Stadtverkehr oder über Land. Intern ist der Spring damit konkurrenzlos, ansonsten natürlich nicht, denn Abrollgeräusche dringen schon in der Stadt recht vorlaut in die Kabine durch. Auf der Landstraße mischen spätestens ab etwa 80 km/h auch Windgeräusche kräftig mit. Es wird freilich nie dramatisch laut, obwohl es ein Budget zur Dämmung ganz offenkundig praktisch nicht gab. Zur Ehrenrettung sei allerdings angemerkt: Der Spring ist auch nicht zum Kilometerschrubben unter Zeitdruck auf Langstrecken gedacht, sondern für den kurzwegigen Alltag. Im Einklang dazu lädt die Bequemlichkeit der Sessel ebenfalls nicht zu einer längeren Verweildauer ein.

Dacia Spring (10 Bilder)

Der Dacia Spring kostet nach Abzug aller Subventionen ab rund 11.000 Euro aufwärts. Für ein Elektroauto ist das ein sehr günstiges Angebot.
(Bild: Florian Pillau)

Auf den Nahbereich zugeschnitten sind auch Antrieb und Speicher. Das Leergewicht gibt Dacia mit 1045 kg an, auch das ein Ergebnis der konsequenten Auslegung mit kaum vorhandener Dämmung, dünnem Blech und dem Fehlen einer opulenten Ausstattung. Ebenso gering sollten die Erwartungen auch an den E-Motor formuliert werden. In der Spitze verspricht Dacia 33 kW und 125 Nm. Die umständlich zu betätigende Anzeige im Kombiinstrument zeigte im Testwagen bis zu 39 kW an, als Dauerleistung werden im Fahrzeugschein 18,6 kW genannt. Die Fahrleistungen bewegen sich in einem ähnlichen Rahmen wie bei meinem ersten Auto, das in der Spitze 19 kW bot. Im Standardsprint ist der Spring mit 19,1 immerhin vier Sekunden schneller, mit 125 km/h bleibt er auf Landstraßen ein gewisses Maß unterhalb seines Maximums – anders als mein damaliger Trabant 601, der rund 400 kg leichter war.

Fraglos klingen die Fahrleistungen des Spring nicht berauschend, doch innerorts und überland funktioniert das besser als gedacht. Kein Wunder, denn das Leistungsangebot steht nicht nur in einem schmalen Drehzahlbereich zur Verfügung, sondern praktisch immer. Es ist jederzeit sofort komplett abrufbar, und wer dies tut wird feststellen: 33 kW sind für die Kurbelei "rund um den Kirchturm" durchaus genug, und genau aus solchen Strecken bestehen viele Fahrprofile. Der Spring verwöhnt nicht mit rabiatem Anzug, doch dafür ist er auch nicht angetreten. Allerdings befand selbst mein Kollege Christian, der innerhalb der Redaktion in diesem Bereich stets für Maximallösungen plädiert: "Die Leistung ist wider Erwarten ausreichend. Ich war verwundert, wie wenig mir mehr Leistung abging."