ACEA: EU-weit müssten wöchentlich 14.000 öffentliche Ladepunkte gebaut werden

Wie viele Ladepunkte braucht Europa für seine Initiative "Fit for 55" bis 2030? Darauf wird in einer Studie geantwortet – mit teils recht spektakulären Zahlen.

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Der Acea wünscht sich dringend einen schnellen Ausbau der Ladeinfrastruktur. Je früher die steht, desto größer werden die Absatzchancen für E-Autos.

(Bild: Schwarzer)

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Was braucht es in der EU bis 2030 an Ausbau für die Elektromobilität, wenn man das europäische Ziel der CO₂-Minderung um 55 Prozent annimmt? Das hat der Verband der europäischen Automobilindustrie ACEA (Association des Constructeurs Européens d'Automobiles) in einer Studie geschätzt, an der acht Industrieverbände beteiligt waren. Die Zahlen erscheinen gewaltig – manche aber nur, bis man sie mit den Kosten für den Ausbau des schnellen Internets vergleicht.

Je nach Szenario sind demnach bis 2030 bis zu 6,8 Millionen öffentliche Ladepunkte erforderlich, um die vorgeschlagene CO₂-Reduktion von 55 Prozent für Pkw zu erreichen. Bis 2030 müssten bis zu 14.000 öffentliche Pkw-Ladepunkte pro Woche installiert werden – deutlich mehr als die derzeit wöchentlich 2000. Etwa 184 Pkw-Ladepunkte pro 100 km Straße werden zu diesem Ziel benötigt. Im September 2021 waren in Deutschland durchschnittlich erst 19,4 Ladestationen je 100 km installiert.

Bis 2030 benötigen Lkw und Busse 24.000 öffentliche Schnellladestationen, entsprechend rund 51 Schnellladepunkten alle 100 km. Bei Lkw sind es bis zu 279.000 Ladepunkte, davon 84 Prozent in den Betriebshöfen, die verbleibenden erforderlichen Ladepunkte überwiegend als Schnelllader entlang der Autobahnen. Bei Bussen sind es laut Studie bis zu 56.000 Ladepunkte, davon 92 Prozent in den Busdepots. Die restlichen 4000 Ladepunkte müssen vor allem Regional- und Reisebussen schnelles Laden abseits von Autobahnen ermöglichen.

Der ACEA liegt sehr an diesem Thema, denn mittlerweile investiert jedes Mitglied bereits beträchtlich in die Produktion von Elektroautos, deren Aufschwung sich in den vergangenen Jahren rapide beschleunigt hat. So waren 2021 laut ACEA 9,1 Prozent aller in der EU verkauften Autos batterieelektrisch unterwegs.

Die Sorge der Hersteller steigt mit dem Erfolg ihrer E-Autos, weil sie nur wenig Einfluss auf den Aufbau einer Ladeinfrastruktur haben. Deshalb erinnern ihre Verbände regelmäßig an das ambitionierte Ziel, das sich die EU im Juli 2021 gesetzt hat: Ihre Initiative "Fit for 55" sieht vor, die Emissionen im Vergleich zu 1990 bis 2030 um mindestens 55 Prozent zu reduzieren. Bis 2050 soll Europa der erste klimaneutrale Kontinent der Welt sein. Der Verkehr ist jedoch einer der wenigen Sektoren, in denen die Treibhausgasemissionen seit 1990 stiegen, zudem gehört er mit fast 20 Prozent des gesamten CO₂-Ausstoßes zu den größten. Er befindet sich nun auf dem Weg zu einer umfassenden Elektrifizierung der Antriebe.

Die Studie der ACEA stellt fest, dass zu diesem Ziel die Anstrengungen noch deutlich verstärkt werden müssten. Sie entwirft einen sogenannten Masterplan für eine entsprechende Ladeinfrastruktur, der einerseits zeigen soll, mit welchem Infrastruktur- und Investitionsbedarf ein reibungsloser Übergang zur BEV-Mobilität im Sinne der "Fit for 55"-Ziele der EU erreicht werden kann. Andererseits nennt sie die Faktoren, die den Aufbau der Ladeinfrastruktur verlangsamen können und Möglichkeiten, ihnen zu begegnen.

Dass die ACEA nicht ausschließlich aus Elektro-Euphorikern besteht, zeigt die Mitarbeit der Mineralölindustrie und weniger prominent präsentierte Ergebnisse, in denen Sprit aus Erneuerbaren immerhin noch der Rang einer Brückentechnologie eingeräumt wird. Eine Annahme mit Rückwirkung auf die Ergebnisse, aber sicher nicht unseriös.

Ihr Ansatz, den Ausbau von Ladeinfrastruktur, Netzen und Erneuerbaren Energien mit dem Verkauf von batterieelektrischen Autos abzugleichen, erstreckt sich ganzheitlich über die Eigenheiten der verschiedenen Länder. Einbezogen sind Elektrofahrzeuge vom privaten Pkw bis hin zu Transportfahrzeugen für den Güter- und den öffentlichen Personennahverkehr, im Zentrum steht der Zugang zu Lademöglichkeiten. Der Gedanke dahinter ist, dass Elektrofahrzeuge eher gekauft werden, wenn die Infrastruktur vorhanden ist und nicht umgekehrt.

Die Ladeinfrastruktur ist dreigeteilt. In Deutschland entfallen rund 85 Prozent aller Ladevorgänge auf private Infrastruktur – also Wallboxen und, anteilig keinesfalls zu unterschätzen, das Laden an 230-Volt-Steckdosen. Die restlichen 15 Prozent werden über die öffentliche Infrastruktur geladen. Die wiederum teilt sich auf in die vergleichsweise weit verbreiteten 22-kW-AC-Lader und DC-Ladestationen mit wenigstens 50 kW. AC-Lader sind nicht zuletzt deshalb so häufig, weil sie viel günstiger aufzustellen sind – das normale, praktisch überall vorhandene Stromnetz reicht meistens.

Hohe DC-Ladeleistungen erfordern einen teuren Anschluss an das Mittelspannungsnetz. Um diese Installationskosten wieder einspielen zu können, muss die Ladesäule eine hohe Auslastung haben, sonst spielt sie ihre Investition nie wieder ein. Deshalb ist es auch nicht zielführend, ein dichtes Schnellladenetz zu fordern. Die teuren DC-Lader gehören daher vorrangig an Fernstraßen.

Bis zu 280 Milliarden Euro müssten laut ACEA bis 2030 in die Installation öffentlicher und privater Ladepunkte, die Modernisierung des Stromnetzes und den Aufbau von Kapazitäten für die Erzeugung erneuerbarer Energien fließen. Für die öffentliche Ladeinfrastruktur wären dies jährlich 8 Milliarden Euro, nur etwa 16 Prozent der Investitionen in 5G- und Hochgeschwindigkeits-Internetnetze.

An der Studie der ACEA beteiligt waren WindEurope und SolarPower Europe aus dem Energieerzeugungssektor, Eurelectric als Vertreter der europäischen Elektrizitätsbranche, der Europäische Verband der Automobilzulieferer (CLEPA), der europäische Industrieverband für die Ladeinfrastruktur ChargeUp Europe sowie FuelsEurope, einer der großen europäischen Verbände für Kraftstoffe.

(fpi)