Energiekrise: Wo kommt die Energie in Zukunft her?

Der Ukraine-Krieg krempelt die Energiewende komplett um: Selbst Kompromisse, um die jahrelang gerungen wurde, stehen plötzlich wieder zur Debatte.

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, Bild: Das ist eine Quelle.

(Bild: MIT Technology Review)

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Inhaltsverzeichnis

Hätten wir mal die Erneuerbaren stärker ausgebaut. Hätten wir uns mal weniger von russischen Rohstoffen abhängig gemacht. Hätten wir mal die Laufzeiten der Atomkraftwerke verlängert. Hätten wir mal mehr in Wärmedämmung und Wärmepumpen investiert.

Hätte, hätte, Fahrradkette. Nach Putins Einmarsch in die Ukraine fallen Deutschland zahlreiche Versäumnisse auf die Füße. Erdgas war eine zentrale Stütze der Energiewende, und es kam zur Hälfte aus Russland. Nun gehen die Preise durch die Decke – und die Menschen fragen sich, ob sie demnächst in ihren Häusern frieren müssen. Damit bekommt das Thema Energie für viele eine existenzielle Dringlichkeit, die kein Klimabericht je vermitteln konnte.

Dieser Text stammt aus: Technology Review 3/2022

(Bild: 

Technology Review 3/2022 im heise shop

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Der Krieg in der Ukraine hat ein großes Umdenken bezüglich unserer Energiepolitik ausgelöst. Wir beleuchten, welche kurz-, mittel- und langfristigen Optionen wir haben, um der Abhängigkeit vom russischen Erdgas zu entkommen. Das neue Heft ist ab dem 31.3. im Handel und ab dem 30.3. bequem im heise shop bestellbar. Highlights aus dem Heft:

Deutschland hat jetzt nur noch die Wahl zwischen Pest und Cholera: Jeder weiterhin importierte Kubikmeter trägt dazu bei, den blutigen Krieg in der Ukraine zu finanzieren. Aber alle kurzfristigen Alternativen sind teuer und gefährden die Klimaziele. Wie soll es nun weitergehen?

Die gute Nachricht: Für diesen Winter wäre wohl sogar ein abrupter Lieferstopp verkraftbar. "Die Gasversorgung in Deutschland ist für die kommenden Monate gesichert – selbst ohne weitere Lieferungen aus Russland", versichert Kerstin Andreae, Chefin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft, in einer Kolumne für das Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Auch bei der Stromversorgung sind derzeit keine Engpässe absehbar."

Das Aus für die Pipeline Nord Stream 2 kurz nach Kriegsbeginn spielt für die Versorgungssicherheit keine große Rolle. Wichtiger ist nun verflüssigtes Erdgas (LNG), das tiefgekühlt mit großen Tankern verschifft wird. Dadurch ist der LNG-Markt besonders flexibel: Anders als eine feste Pipeline können Tanker das Gas dorthin bringen, wo es gerade die höchsten Preise erzielt. Wer es sich leisten kann, ist also in der Lage, sich LNG auf dem Weltmarkt zusammenzukaufen.

Die schlechte Nachricht: Bleibt russisches Erdgas weiterhin aus, wird es eng. "Gazprom hat die Speicher in diesem Sommer gar nicht aufgefüllt, obwohl das wirtschaftlich vollkommen irrational ist", sagt Michael Sterner, Professor für Energiesysteme an der OTH Regensburg. Das sehen viele als Indiz für eine von langer Hand geplante Kriegsvorbereitung.

Um durch den nächsten Winter zu kommen, müssen die Speicher nun wieder gefüllt werden. Das hat Deutschland bisher den Speicherbetreibern und Gaskonzernen selbst überlassen, statt ihnen rechtliche Vorgaben zu machen: "Viele Länder haben eine strategische Gasreserve, Deutschland bis jetzt nicht", sagt Svetlana Ikonnikova, Professorin für Ressourcen-Ökonomie an der TU München. Um das zu ändern, will die EU-Kommission bis April im Rahmen ihres REPowerEU-Programms ein Gesetz vorschlagen, wonach die Mitgliedsländer alle ihre Gasspeicher bis zum 1. Oktober eines Jahres zu mindestens 90 Prozent füllen müssen.