Kommentar zum Autogipfel im Kanzleramt: Von wegen Mobilität

Die Ampel redet von Mobilität. Die Ampel entscheidet sich dann aber doch wieder für eine autozentrierte Diskussionsrunde, kommentiert Kristina Beer.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 116 Kommentare lesen

(Bild: diy13/Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.
Inhaltsverzeichnis

Dass eine Ampelregierung auch weiterhin grünes Licht für den Autoverkehr bedeutet, hätten wir uns in Deutschland eigentlich denken können. Mit FDP-Verkehrsminister Volker Wissing wird die CDU/CSU-Politik der vergangenen Jahre schlicht fortgesetzt, mit Olaf Scholz (SPD) im Kanzleramt, sind angebliche Mobilitätsgipfel auch wieder nur hauptsächlich Autogipfel. Das zeigte nunmehr die Gästeliste der gerade beendeten Veranstaltung.

Im Terminkalender des Bundeskanzlers stand freilich nicht wirklich "Mobilitätsgipfel". Es hieß viel sperriger, dass ein "Spitzengespräch der Strategieplattform Transformation der Automobil- und Mobilitätswirtschaft" stattgefunden hat.

Mensch hätte aufgrund dieses Titels zumindest hoffen dürfen, dass es auch um andere Formen der Mobilität als nur die per Autos geht. Aber wie auch schon der Titel angibt: Dort ging es eher um Autowirtschafts- denn um wirkliche Mobilitätsfragen, denn kennen Sie eine Zufußgehwirtschaft? Nein, ich auch nicht. Es gibt für den "Fußverkehr" zwar Interessenvertretungen, aber die wurden nicht eingeladen.

Hätte man im Bundeskanzleramt wirklich über Mobilität, verschiedene Mobilitätsformen und etwa eine gerechtere Aufteilung der Flächen unter verschiedenen Mobilitätsformen sprechen wollen, hätte die Gästeliste auch diese enthalten müssen. Das haben unter anderem der ADFC, Vertreter:innen des Verkehrsclubs Deutschland (VCD), die Allianz pro Schiene, der Zweirad-Industrie-Verband und auch Greenpeace bereits hart kritisiert. Eine Verkehrswende ist nicht gleich eine Antriebswende. Bus, Bahn, Sharing-Angebote, Rad- und Fußverkehr seien stärker zu berücksichtigen. Wenn man von Mobilität spricht, dann meint man auch diese Angebote und nicht nur den Autoverkehr.

Auch im Sinne des Klimaschutzes wäre eine Einladung von mehr Interessenvertretern unterschiedlicher Art nötig gewesen, aber so, wie Volker Wissing wirkliche Maßnahmen zur Emissionsreduzierung des Verkehrs einfach aussitzt und Städten und Gemeinden auch nicht die (von ihnen geforderte) Freiheit lässt, den Autoverkehr beispielsweise etwas auszubremsen, so hat man sich im Bundeskanzleramt dafür entschieden, wieder hauptsächlich mit denen zu sprechen, denen eigentlich nicht viel an einer Transformation der eigenen Geschäfte gelegen ist. Schließlich genießt die Autoindustrie in Deutschland vor allem den "heilige Kuh"-Status mit vielen Privilegien. Wenn man kann, behält man diesen Status doch bei, oder? Wer will schon an seinem eigenen Stuhl sägen?

Ein Kommentar von Kristina Beer

Kristina Beer schreibt und moderiert für heise online. Sie beschäftigt sich gerne mit der Frage, wie sich technischer Fortschritt auf Gesellschaft, Wirtschaft und politische Entscheidungen auswirkt.

Nun gut. Man war also wieder unter sich. Man konnte wieder besprechen, was die Automobilwirtschaft sich wünscht, warum es mit der Transformation zur Elektromobilität immer noch nicht so wirklich klappen mag. Bundesregierung hört Autoindustrie zu, Autoindustrie nimmt zur Kenntnis, was Bundesregierung sich wünschen würde, Autoindustrie fände aber noch ein paar Hilfen ganz schön. Kann man das so zusammenfassen?

Denn es ist ja so: Wenn nicht etwa über die EU (mit neuen Abgasnormen) oder über Kontrollorgane in den USA (siehe Abgas-Skandal) der deutschen Automobilwirtschaft Veränderungen und Verbesserungen abverlangt würden, welche Veränderungen hätten wir hier im Land überhaupt gesehen? Was traut sich die Bundesregierung in Bezug auf die heimischen Autohersteller?

Würde die Autoindustrie sich gerade bei solchen Autogipfeln nicht immer so kräftig arm und hilflos rechnen, man könnte – auch ob der Prioritätensetzung der Bundesregierung – auf die Idee kommen, dass sich da wieder einer der mächtigsten Wirtschaftszweige mit fast allem durchgesetzt hat, was er seit Jahren will: Die Dominanz behalten - und möglichst hohe Gewinne einfahren.

Auch dieser Gipfel, der irgendetwas mit Mobilität zu tun haben sollte, hat wieder gezeigt, was wirklich ist: Nur die Autoindustrie zählt in Deutschland in der Mobilität und an ihr kommt keiner vorbei – vor allem nicht der Bahn-, Rad- oder Fußverkehr.

(kbe)