Whistleblower-Gesetz aufgeweicht: Anonyme Meldungen dürfen doch ignoriert werden

Auf einen Kompromiss beim Gesetz zur Absicherung von Hinweisgebern einigen sich Bundestag und Bundesrat. Kritiker halten den Plan für europarechtswidrig.

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Bundesratsgebäude

(Bild: frantic00/Shutterstock.com)

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Deutsche Behörden und Unternehmen sollen doch nicht verpflichtet werden, anonymen Hinweisen auf Missstände nachzugehen. Darauf haben Verhandlungsführer von Bundestag und Bundesrat Dienstagabend geeinigt. Das umstrittene Gesetz für einen "besseren Schutz hinweisgebender Personen" soll nur noch die Empfehlung enthalten, dass Meldestellen auch anonyme Hinweise bearbeiten sollten. Whistleblowern wird zudem nahegelegt, in Fällen, in denen intern wirksam gegen Verstöße vorgegangen werden kann, zunächst intern die Alarmglocken zu läuten.

Der Bundestag hat seinen ursprünglichen Gesetzestext im Dezember beschlossen. Der Bundesrat ließ die Initiative im Februar aber auf Betreiben von CDU und CSU durchfallen, sodass das Whistleblower-Gesetz bislang nicht in Kraft treten konnte. Die Konservativen nannten zu hohe Kosten und zusätzliche Bürokratie als Grund für ihre Ablehnung.

Ferner störte sie, dass zuständige Stellen auch anonymen Hinweisen nachgehen sollten. Informationen über Verstöße sollen laut dem Kompromiss nur noch in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen, wenn sie sich auf den Beschäftigungsgeber oder eine andere Einrichtung beziehen, mit der der Whistleblower beruflich im Kontakt stand.

Der Bundestagsbeschluss sah eine Beweislastumkehr vor, wenn der Hinweisgeber beruflich benachteiligt wird. Das schafft der Kompromiss zwar nicht ab, weicht es aber auf: Die Vermutung, dass eine Diskriminierung eine Reaktion auf eine Meldung eines Missstandes ist, soll nur dann bestehen, wenn der Whistleblower dies selbst geltend macht.

Abgeschafft wird zudem der Ersatz immaterieller Schäden für Whistleblower. Und die maximale Buße für Verstöße gegen das Gesetz wird von 100.000 auf nur noch 50.000 Euro halbiert.

Mit der Verständigung ist der Weg für eine Verabschiedung in Bundestag und Bundesrat noch Ende der Woche frei. Das Gesetz soll größtenteils einen Monat nach Verkündung in Kraft treten – voraussichtlich also Mitte Juni. Die Zeit drängt: Die EU-Kommission hat Deutschland in der Sache Mitte Februar vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt. Denn die Bundesrepublik hat die 2019 im Amtsblatt veröffentlichte EU-Richtlinie zur Absicherung von Whistleblowern trotz Fallfrist Ende 2021 noch immer nicht umgesetzt. Deutschland muss deshalb täglich 50.000 Euro Strafe zahlen.

Juristische Personen wie Firmen, Behörden und andere Rechtsträger mit mehr als 50 Mitarbeitern sowie alle Finanzdienstleister müssen gemäß der EU-Vorschrift ein internes Hinweisgebersystem bereitstellen und einen speziellen Beauftragten als Ansprechpartner vorsehen. Ausnahmen gelten lediglich für Gemeinden mit weniger als 10.000 Einwohnern. Anders als von der deutschen Rechtsprechung bislang vorgegeben, muss ein Whistleblower einen Missstand nicht mehr zunächst intern in der eigenen Firma oder Behörde melden. Sind keine solchen Meldekanäle vorhanden, ist es Hinweisgebern schon jetzt erlaubt, sich an externe Stellen zu wenden.

"Der Kompromiss zeigt, dass es bei den Unionsparteien und Teilen der Wirtschaft nach wie vor große Vorbehalte gegen Whistleblower gibt, obwohl diese im Interesse von Gesellschaft und Wirtschaft handeln", moniert der Geschäftsführer des Whistleblower-Netzwerks, Kosmas Zittel. "Erfreulicherweise hat sich wenigstens die Erkenntnis durchgesetzt, dass mit einer Einschränkung des sachlichen Anwendungsbereichs keinem gedient gewesen wäre."

Der Rechtswissenschaftler Simon Gerdemann warnt, die erfolgte Streichung des immateriellen Schadensersatzanspruches könne "gravierende Auswirkungen für Whistleblower haben" und diese bei vielen Repressalien blank dastehen lassen. Das verstoße gegen die EU-Vorgaben.

(ds)