120 Jahre Triumph Motorcycle: Der britische Riese

Seite 2: Belegschaft wehrt sich gegen Schließung

Inhaltsverzeichnis

Zwar konnte die Trident in den folgenden Jahren beachtliche Siege bei der TT Isle of Man und in Daytona einfahren, aber im Werk herrschte nackte Panik, denn BSA war 1972 endgültig Pleite und in Meriden zeichnete sich das gleiche Schicksal ab, da die Verkaufszahlen immer weiter einbrachen. Ein Jahr später wurde die Norton Villiers Triumph Company (NVT) gegründet und die britische Regierung schoss fünf Millionen Pfund hinzu, um die englische Motorradindustrie noch irgendwie zu retten.

Im November 1973 verkündete die Geschäftsführung, dass die Belegschaft um ein Drittel reduziert werden sollte. Die Gewerkschaft reagierte prompt und die Mitarbeiter besetzten das Triumph-Werk für 18 Monate. Sie gründeten die Meriden Cooperative und kauften 1975 die Fabrik und das Recht, die Bonneville weiter zu produzieren, während NVT kurz darauf am Ende war. Die ehemaligen Triumph-Mitarbeiter waren nun Mitbesitzer und entsprechend engagiert. Immerhin konnten sie im Geschäftsjahr 1977 noch 11.931 Motorräder bauen, aber die Schulden stiegen unaufhörlich. Es gab einige Verhandlungen mit anderen Konzernen über Partnerschaften, unter anderem mit Kawasaki und Suzuki, doch am 7. Januar 1983 lief die letzte Triumph in Meriden vom Band, das Werk schloss offiziell am 26. August 1983.

Doch es war nicht das Ende der Marke Triumph. Rettung kam aus völlig unerwarteter Richtung: Der Selfmade-Millionär John Bloor kaufte im Oktober 1983 überraschend den Markennamen Triumph und die Rechte an der Produktion der Bonneville für 150.000 Pfund. John Bloor, Jahrgang 1943, stammt aus einfachen Verhältnissen – sein Vater war Bergmann gewesen – und brach mit 15 Jahren die Schule ab, um Stuckateur zu werden, mit 20 gründete er seine Baufirma, zwei Jahrzehnte später war er Großbritanniens größter, privater Bauunternehmer.

Bloor ist zwar in jungen Jahren Motorrad gefahren, hatte aber ansonsten keinerlei Erfahrungen mit der Zweiradbranche. Deshalb gab es etliche Stimmen, die seinem Vorhaben, Triumph wiederzubeleben, keine Chance einräumten. Doch Bloor war kein Fantast, sondern ein nüchterner Rechner und er ging streng kalkulatorisch vor, wie er es aus der Baubranche gewöhnt war. Bloor leaste zunächst die Rechte an der Bonneville-Produktion an den Händler Les Harris, der bis 1988 "Bonnies" für den britischen Markt baute.

In der Zwischenzeit hatte Bloor ehemalige Triumph-Mitarbeiter engagiert und junge Ingenieure angeworben, um ein Research & Development-Center zu gründen. Er besuchte mit ihnen 1985 die Werke von Yamaha und Kawasaki in Japan, um sich die Produktion dort genau anzusehen, und kaufte Werkzeuge und Maschinen für den Bau von Motorrädern. Bloor investierte in den nächsten Jahren 80 Millionen Pfund aus eigener Tasche für die Errichtung eines Werks in Hinckley.

John Bloor wollte auf keinen Fall den Fehler des alten Triumph-Managements wiederholen, qualitativ schlechte Motorräder zu überhöhten Preisen zu verkaufen, in der Hoffnung, dass der berühmte Name reichen würde. Stuart Wood kam 1987 frisch von der Uni zu Triumph und ist heute Chief Engineer. Er erzählte, dass John Bloor damals vor allem auf Zuverlässigkeit wert gelegt hätte, weil Triumph der Ruf ständig ölender Motoren anhaftete. Deshalb waren die ersten der neuen Triumph-Modelle extrem robust gebaut. Zudem setzte Bloor auf eine kostensparende Plattformstrategie mit einem Motor für diverse Modelle. Er wollte Triumph als kleine, aber qualitativ hochwertige Marke neu starten, allerdings mit der Option, langfristig deutlich zu wachsen.

Das R&D-Team entwickelte einen flüssigkeitsgekühlten 1200er-Reihenvierzylinder mit zwei obenliegenden Nockenwellen. Daraus wurden noch zwei Dreizylindermotoren mit kürzerem Hub abgeleitet. 1987 lief der Vierzylinder zum ersten Mal auf dem Prüfstand, ein Jahr später meldete Bloor die Firma "Triumph Motorcycles" offiziell im Handelsregister an. Im Juni 1990 präsentierte Triumph seine neuen Modelle der Presse, im Oktober konnte die Öffentlichkeit sie auf der IFMA in Köln bestaunen.

120 Jahre Triumph Motorcycle (12 Bilder)

Mit der Speed Triple T509 trat Triumph den Trend der Streetfighter los. Über ihr radikales Design wurde damals kontrovers diskutiert, heute gilt sie als Kultbike.

Die Palette deckte gleich drei Sparten ab mit den beiden Naked Bikes Trident 900 und Trident 750, den Sportlern Daytona 1000 und Daytona 750 sowie den Tourern Trophy 1200 und 900. Die Fachpresse zeigte sich begeistert: Triumph was back! Die Produktion startete im Februar 1991 und gleich die ersten gebauten Motorräder wurden nach Deutschland exportiert, weil der dortige Markt als besonders qualitätskritisch galt. Die neuen Triumphs schlugen sich wacker und bekamen von den meisten Testern durchweg positive Beurteilungen. 1991 verließen 2414 Motorräder das Werk in Hinckley, doch die Produktionszahlen stiegen rasant, bereits im Juli 1993 konnten stolz 10.000 gebaute Triumph vermeldet werden, die in acht Länder exportiert wurden.

Triumph reagierte rasch auf die Wünsche des Markts, so ersetzten sie nach nur zwei Jahren die 1000er- und 750er-Motoren in der nicht gut verkauften Daytona gegen die 1200er- und 900er Aggregate und brachten 1993 die Tiger 900, die mit ihrem Dreizylindermotor die Reiseenduro-Klasse aufmischen sollte. Noch ein Jahr später debütierte die Speed Triple, die jedoch zunächst ein eher biederes Design bot.

Das änderte sich schlagartig 1997 mit der Speed Triple T509. In englischen Garagen war vor geraumer Zeit die Sparte der Streetfighter aus verunfallten Superbikes entstanden. Triumph hatte den Mut, den Trend aufzugreifen und den ersten serienmäßigen Streetfighter auf die breiten Räder zu stellen. Heute gilt die Speed Triple T509 als Meilenstein, die zahlreiche Konkurrenzmodelle nach sich zog. Bereits zwei Jahre zuvor hatte Triumph mit der Thunderbird, die den 900er-Dreizylinder trug, sein erstes Retro-Bike präsentiert und den Sprung in den US-Markt gewagt. Sie wurde mit über 3000 Stück die meistverkaufte Triumph des Jahres und es half ungemein, dass Berühmtheiten wie Bruce Springsteen sich eine Thunderbird zulegten.

Im Dezember 1999 lief die 100.000 Triumph in Hinckley vom Band und die Modellpalette zeigte sich breit aufgestellt. Doch das erfolgreichste Bike sollte erst 2001 in Gestalt der Bonneville erscheinen. Triumph wollte den legendären Namen nutzen und entwickelte ein Retro-Bike, das sich mit einem nostalgischen Look, bestehend aus einem schwarzem Doppelschleifenrahmen, rundlichem Tank, fetter Sitzbank, Drahtspeichenfelgen, Rundscheinwerfer und Peashooter-Auspuff, eng an das Design der 1950er-Jahre anlehnte.

Für die neue Bonneville hatte Triumph einen luftgekühlten Reihenzweizylinder mit 790 cm3 Hubraum und 60 PS entwickelt, der mit seinen Kühlrippen, den geschwungenen Krümmern und viel Chrom dem historischen Vorbild sehr ähnelte. Doch sie sollte nicht wie ihre Vorfahrin Geschwindigkeitsrekorden nachjagen, sondern leicht und agil für unbeschwertes Kurvenvergnügen sorgen. Triumph baute die Modern-Classic-Baureihe neben der Bonneville mit der Scrambler, Speedmaster und Thruxton kontinuierlich aus und wurde zur meistverkauften Modellreihe der Marke.

Eine Zäsur erlebte Triumph am 15. März 2002, als das Werk in Hinckley abbrannte. Doch John Bloor nahm den herben Schicksalsschlag gelassen hin, getreu dem englischen Motto "Keep calm und carry on". Der Bautycoon ließ er innerhalb eines Jahres ein neues Werk direkt neben dem alten errichten und im April 2003 lief die Produktion wieder an. Gleichzeitig eröffnete Triumph sein erstes Werk in Thailand, zunächst um dort Komponenten wie Tanks und Rahmen zu fertigen, die dann nach England verschifft wurden.

Heute entstehen fast alle Triumphs aus Kostengründen in den drei thailändischen Werken mit 1200 Mitarbeitern. Die Entwicklungsabteilung hatte nach dem Brand fleißig weitergearbeitet und so konnte 2004 die gigantische Rocket III präsentiert werden. Mit 2294 cm3 Hubraum verteilt auf drei Zylinder hatte sie den größten Serienmotor und mit satten 221 Nm das höchste Drehmoment auf dem Motorradmarkt.

Ein ganz großer Wurf gelang Triumph mit dem 675-cm3-Dreizylindermotor, der den etwas unglücklichen 600er-Reihenvierzylinder ablöste. Sein Debut feierte der Triple 2006 in der atemberaubenden Daytona 675, die mit 123 PS der japanischen Vierzylinder-Konkurrenz ebenbürtig war, sie zum Teil sogar deklassierte. Nur ein Jahr später folgte das Naked Bike Street Triple 675, das sich dank extremer Agilität rasch zum Erfolgsmodell mauserte.

2011 kam es bei Triumph Motorcycles zu einem Generationenwechsel: John Bloor, mittlerweile 67  Jahr alt, übergab die Leitung an seinen Sohn Nick. Der Filius war bereits 1998 als Entwicklungsingenieur in die Firma eingetreten und hatte alle Abteilungen der Marke durchlaufen. Der neue CEO erwies sich rasch als würdiger Nachfolger, denn im Gegensatz zu seinem öffentlichkeitsscheuen Vater, zeigte sich Nick als medienkompatibel.

Seine offene Art trug ihm viele Sympathien ein und er genießt bis heute unter den Mitarbeitern ein gutes Standing. John Bloor wurde 1995 von der Queen mit dem Order of the British Empire ausgezeichnet und sein Vermögen soll sich inzwischen auf über eine Milliarde Pfund belaufen. Der Mann, der sich in den letzten vier Jahrzehnten am meisten um die englische Motorradindustrie verdient gemacht hat, ist selber aus gesundheitlichen Gründen seit seiner Jugendzeit nicht mehr Motorrad gefahren.

Mit der Tiger 800 wollte Triumph 2011 in der populären Reiseenduro-Klasse durchstarten. Der Verkaufserfolg der schicken Dreizylinder-Enduro ließ nicht auf sich warten, zumal Triumph so clever war, sie in zwei Versionen anzubieten: Zum einen für den überwiegenden Asphalteinsatz mit Gussfelgen und 19-Zoll-Vorderrad, zum anderen für Offroad-Fans als 800 XC mit Drahtspeichenfelgen, 21-Zoll-Vorderrad und längeren Federwegen. Wie gelungen das Konzept war, beweist die Tatsache, dass die Tiger 800 erst nach neun Jahren von der Tiger 900 abgelöst wurde. Richtig in die Vollen ging Triumph 2014 mit der Tiger Explorer, die einen komplett neuen Dreizylindermotor trug, der aus 1215 cm3 satte 137 PS und 121 Nm holte. Auch hier folgten die Engländer der Zwei-Varianten-Strategie mit Guss- und Drahtspeichenrädern.

Im Oktober 2015 verkündete Nick Bloor auf der "Global Dealer Conference" vor den versammelten 700 Händlern, der Marke ein schärferes Profil verleihen zu wollen. Gleich mehrere Modelle steckten dafür in der Pipeline. 2016 löste Triumph die luftgekühlte Modern-Classics-Baureihe durch wassergekühlte Reihenzweizylindermotoren mit 1200 und 900 cm3 ab. Zur Erleichterung der Fans bauten die Wasserkühler so schmal, dass sie zwischen den beiden vorderen Rahmenrohren kaum auffielen und die Retro-Bikes kaum an Authentizität verloren.

Die Zweizylinder zeigten sich jetzt wesentlich durchzugsstärker als bisher und das Design der sukzessiv präsentierten Modelle Bonneville, Thruxton, Bobber (Test), Scrambler (Test) und Speed Twin (Test) mit 1200er-Motoren sowie die Street Twin und Street Scrambler mit 900 cm3 war ausgesprochen gelungen. 2017 folgte die Street Triple (Test) mit 765 cm3. Der Dreizylinder leistete bis zu 123 PS und war so überzeugend, dass die FIM ihn ab 2019 zum offiziellen Moto2-Motor machte. So kehrte Triumph nach der Einstellung des Supersportlers Daytona 675 im Jahr 2017 nach zwei Jahren wieder in den Rennsport zurück.

Einen ganz großen Wurf verzeichnete Triumph 2021 mit dem neuen 1160-cm3-Dreizylindermotor, der nach 16 Jahren den 1050-cm3-Drilling ablöste. In der komplett neuen Speed Triple 1200 RS leistete er eindrucksvolle 180 PS und hob das Kultbike auf ein neues Level, die kurz darauf folgende Speed Triple 1200 RR mit einer Halbschalenverkleidung und Stummellenker gehört zweifelsohne zu den schönsten Triumphs aller Zeiten. So war abzusehen, dass die neue Tiger 1200 ebenfalls von dem brachialen Motor profitierte, wenn auch mit Kardanantrieb und auf 150 PS reduzierte Spitzenleistung. Nach unten runden kurz darauf die Trident 660 und Tiger Sport 660 das Modellprogramm ab, wobei die Trident 660 bereits in ihrem Debutjahr 2021 zur meistverkauften Triumph wurde.

Im Januar 2022 verkündete Nick Bloor voller Stolz, dass Triumph eine Million Motorräder seit 1990 produziert hatte. Noch zwei weitere Rekorde sorgten in Hinckley für Partystimmung: im Geschäftsjahr 2020/2021 wurden 76.000 Triumph gebaut und 650 Millionen Pfund umgesetzt. Doch die Marke ruht sich nicht auf ihren Lorbeeren aus, sondern hat große Pläne für die Zukunft mit deutlich steigenden Produktionszahlen. Möglich wird das durch die seit Januar 2020 bestehende Kooperation mit Bajaj, einem der größten Motorradhersteller der Welt, um in Indien Einzylindermotorräder mit Hubräumen vermutlich zwischen 350 und 500 cm3 zu bauen, die weltweit vertrieben werden sollen.

Außerdem sollen wieder rund 10.000 Motorräder jährlich im Werk Hinckley gebaut werden, wo zuletzt nur noch die wenigen, exklusiven TFC-Modelle entstanden waren. Zudem hatte Triumph im Juli 2021 überraschend bekannt gegeben, zukünftig Motocrosser und Sportenduros zu bauen. Für die Entwicklung haben sie sich die Hilfe von keinen Geringeren als dem Rekord-Supercross-Champion Ricky Carmichael und dem vierfachen Enduro-Weltmeister Ivan Cervantes gesichert. Ab 2024 wird Triumph an der Motocross-WM teilnehmen. Für einen weiteren Paukenschlag sorgte die Entwicklung des Elektromotorrads TE-1. Es wurde zusammen mit Williams Advanced Engineering (bekannt aus der Formel 1) und Integral Powertrain entwickelt. Der fahrbereite Prototyp TE-1 sieht der Speed Triple erstaunlich ähnlich. Auch wenn die TE-1 nicht in Serie gehen soll, dient sie als Basis für zukünftige kleinere Elektromodelle.

Egal, was Triumph in Zukunft noch bringen mag, es wird die lange Tradition würdig fortsetzen. Auch wenn die Marke in den letzten 120 Jahren durch alle Höhen und Tiefen gegangen ist, genießt sie einen weltweiten Bekanntheitsgrad. Unter der geschickten Führung der Bloor-Familie konnte sie sich wieder als feste Größe am Markt etablieren und wächst beständig.

(fpi)