Die wahren Schwergewichte der Motorradindustrie

Neun der zehn weltgrößten Motorradmarken sind asiatisch, eine amerikanisch. Fast keine davon ist hier bekannt. Der Trend zum E-Motorrad dürfte das bald ändern.

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Einer der zehn größten Motorradhersteller der Welt kommt aus Amerika. Im Bild eine Vort-X300R aus dessen Produktion.

Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Ingo Gach
Inhaltsverzeichnis

Seit Jahren ist BMW Marktführer in Deutschland und konnte 2021 mit einem Marktanteil von 13,9 Prozent die Führung verteidigen. Weltweit verkauften die Bayern letztes Jahr 194.261 Motorräder und stellen damit firmenintern einen neuen Rekord auf. Das klingt zunächst beeindruckend, doch auf dem Weltmarkt spielt BMW bei den Verkaufszahlen eine sehr untergeordnete Rolle. Global dominieren asiatische Marken, die über die Stückzahlen von BMW nur lachen können.

Natürlich sind die meisten BMW-Modelle sehr teuer und allein deshalb verdient die Marke aus München Respekt für seine Produktionszahlen. Fakt ist aber, dass BMW es genau deshalb auf vielen großen Märkten schwer hat. Der Versuch, durch ein Joint Venture mit TVS und der Produktion kleiner Motorräder in Indien durchzustarten, hat bislang noch nicht richtig gezündet. 2021 verkaufte BMW nur 5191 Motorräder in Indien, dem zweitgrößten Motorradmarkt der Welt, der im selben Jahr insgesamt rund 15 Millionen neue Krafträder registrierte. Die hohen Stückzahlen werden neben Indien vor allem in China als größten Markt der Welt (über 16 Millionen) und Indonesien (rund 5 Millionen) gemacht. Zum Vergleich: In ganz Europa wurden 2021 insgesamt 949.000 Krafträder verkauft. Europäische Motorräder sind einfach sehr teuer in Asien, was die Stückzahlen trotz der riesigen Märkte nicht so recht wachsen lässt. Umgekehrt dürfte allerdings der Trend zum E-Motorrad bald dazu führen, dass die globalen Schwergewichte in Europa Fuß fassen können.

Honda bleibt der mit Abstand größte Motorradhersteller. Der Riese aus Japan produzierte letztes Jahr 13,8 Millionen Motorräder und Roller. Bestseller ist immer noch der Roller Honda Super Cub.

(Bild: Honda)

Der weltgrößte Motorradhersteller bleibt Honda und zwar mit gewaltigem Abstand. Der Riese aus Japan verkaufte weltweit bis November 2021 über 13,8 Millionen Krafträder, vom kleinen Roller bis zum 217-PS-Superbike. Dennoch büßte Honda Anteile am Weltmarkt ein, von 33,7 Prozent im Jahr 2019 ging es letztes Jahr auf 29,9 Prozent abwärts. Das lag vor allem an zwei Faktoren: Zum einen an den in den letzten Jahren stetig wachsenden indischen Herstellern, zum anderen am Boom der chinesischen Elektroroller. Der Löwenanteil entfällt bei Honda auf Roller mit kleinem Hubraum, wie sie millionenfach in Asien verkauft werden.

Der Bestseller ist immer noch die Honda Super Cub. Allein in Indien setzte Honda 3,7 Millionen Krafträder ab. Dagegen nimmt sich der deutsche Markt mit 26.740 Motorrädern und Rollern eher bescheiden aus.

Der zweitgrößte Motorradhersteller kommt aus China und nennt sich Yadea. Erstaunlicherweise baut die Marke nur Elektroroller, die aber im Reich der Mitte reißenden Absatz finden. Alleine 2021 verkaufte Yadea 5,8 Millionen E-Roller. Das Design der C1S stammt von Gerald Kiska, der auch alle KTM-Modelle entwirft.

Auf Platz zwei des weltweiten Ranking liegt der chinesische Hersteller Yadea. Er ist Marktführer bei den elektrisch angetriebenen Rollern. In China bestehen in vielen Städten Fahrverbote oder zumindest Einschränkungen für Motorräder mit Verbrennungsmotor. Da aber Millionen von Chinesen jeden Tag auf dem Zweirad zur Arbeit pendeln, finden die Elektroroller reißenden Absatz. Yadea hat 2021 über 5,8 Millionen Elektroroller verkauft. Damit hat sich ihr Absatz innerhalb von zwei Jahren mehr als verdoppelt, obwohl die Firma erst 2001 in Shanghai gegründet wurde. Yadea bietet mehr als 50 verschiedene Modelle an und entwickelt laufend Varianten mit noch mehr Reichweite. Keine andere Marke profitiert so sehr vom Elektroroller-Boom wie Yadea. Das Design des C1S stammt von Gerald Kiska, der auch alle KTM-Modelle entwirft.

Die weltweite Nummer drei stammt aus Indien. Hero musste zwar in den letzten drei Jahren arg Federn lassen, aber mit 5,1 Millionen verkauften Motorrädern reichte es immer noch locker zur Bronzemedaille. Die Hero Hunk 200 gehört für den indischen Markt schon zu den größeren Motorrädern.

Der drittgrößte Motorradhersteller ist Hero Motor aus Indien. Dabei hat die Marke in den letzten drei Jahren herbe Verluste hinnehmen müssen und verkaufte rund drei Millionen Krafträder weniger als noch 2018. Vor allem die Corona-Pandemie ist am Einbruch schuld, trotzdem reichen Hero 5,1 Millionen Stück im letzten Jahr für die Bronzemedaille auf dem Weltmarkt. Hero setzt zukünftig vor allem auf Elektroroller und hat zusammen mit dem taiwanesischen Hersteller Gogoro ein elektrisches Modell angekündigt, das unter anderem auch in Deutschland entwickelt wird. Interessant ist, dass Hero ursprünglich Fahrräder herstellte und 1983 mit Honda ein Joint Venture einging, um in Indien Motorräder zu bauen. Erst 2011 machte sich Hero vom japanischen Partner unabhängig und wurde zum größten indischen Motorradhersteller.

Yamaha hatte zwar wegen der Corona-Krise mit Produktionsausfällen zu kämpfen, kam aber dennoch weltweit auf den vierten Rang mit 3,5 Millionen Motorrädern. Größter Verkaufsmarkt für Yamaha blieb Indien mit 511.000 Stück. In Europa ist die MT-07 seit Jahren der Bestseller im Yamaha-Programm.

Yamaha baute letztes Jahr rund 3,5 Millionen Motorräder und belegte damit Platz vier in der Welt. Auch der zweitgrößte japanische Hersteller hatte schwer mit der Corona-Krise zu kämpfen. Es kam zu Produktionsausfälle und Exportrückgängen wegen Problemen bei den Zulieferern und in der Containerschifffahrt. Größter Verkaufsmarkt für Yamaha blieb Indien mit 511.000 Stück und selbst dort musste die Marke rückläufige Zahlen verbuchen. Während es in Japan 2021 sogar leicht bergauf ging, brach in Deutschland der Verkauf um 16 Prozent auf 17.782 Motorräder und Roller ein.

Der indische Hersteller Bajaj wurde in Europa vor allem deshalb bekannt, weil KTM dort die kleinen Duke-Modelle fertigen lässt. Doch im Vergleich zu Bajaj ist die österreichische Marke ein kleines Licht, die Inder verkauften letztes Jahr fast drei Millionen Motorräder und sind die Nummer fünf auf dem Weltmarkt. Die Pulsar 250 zeigt ein aktuelles Design.

Der indische Hersteller Bajaj ist in Europa vor allen Dingen deshalb bekannt, weil er 2008 ein Joint Venture mit KTM einging und mittlerweile 49 Prozent Aktienanteile an der österreichischen Marke hält. Seit zehn Jahren fertigt Bajaj in Indien die kleinen KTM Dukes zwischen 125 und 372 Kubikzentimeter Hubraum (mit letzterer ist die KTM 390 Duke gemeint). Für den Bajaj-Konzern ist das ein netter Nebenverdienst, denn allein 2021 hat er fast drei Millionen Krafträder produziert und 2,5 Milliarden Euro umgesetzt. Ein Plus von 6,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Damit bleibt Bajaj der fünftgrößte Motorradproduzent der Welt und ist größter indischer Kraftrad-Exporteur mit steigenden Absatzzahlen in fast allen Märkten.

Auf dem sechsten Rang folgt mit TVS ein weiterer indischer Hersteller. Er produzierte 2021 rund 2,5 Millionen Motorräder und Roller. Die TVS Radeon 110 ist ein häufiges Modell in Indien.

Auf dem sechsten Rang folgt mit TVS ein weiterer indischer Hersteller. Er produzierte 2021 rund 2,5 Millionen Motorräder und Roller und konnte auf dem Weltmarkt um 5,9 Prozent zulegen. Noch ist TVS vor allem auf den indischen Markt konzentriert, doch die Zusammenarbeit mit BMW – TVS baut die BMW G 310 (Test) für die Bayern – ist erst der Anfang. Im April 2020 übernahm TVS überraschend den insolventen Hersteller Norton für umgerechnet rund 19 Millionen Euro. TVS bezahlte die englische Traditionsmarke quasi aus der Portokasse, denn das indische Unternehmen setzte rund 1,9 Milliarden Euro um. Mit Norton hofft TVS vor allem in Europa und Nordamerika zukünftig erfolgreich Motorräder verkaufen zu können.

Wohl kaum jemand in Europa hat schon den Namen Haojue vernommen, und doch ist die chinesische Firma der siebtgrößte Motorradhersteller der Welt. Letztes Jahr produzierte die Marke über 1,2 Millionen Motorräder und Roller. Die Haojue Lindy 125 basiert auf einer Suzuki.

Wohl kaum jemand hat in Europa schon den Namen Haojue vernommen, und doch ist die chinesische Firma der siebtgrößte Motorradhersteller der Welt. Letztes Jahr produzierte die Marke über 1,2 Millionen Motorräder und Roller zwischen 125 und 160 Kubikzentimeter, hauptsächlich für den chinesischen Markt. Haojue ist Partner von Suzuki, der japanische Hersteller lässt in China Motorräder fertigen. Haojue rühmt sich, seit 19 Jahren Marktführer auf dem heimischen Markt zu sein, zumindest was Motorräder mit Verbrennungsmotor angeht, denn bislang bietet die Marke noch keine Elektro-Krafträder an, was sich aber vermutlich bald ändern dürfte.

In Europa brechen für Suzuki die Verkaufszahlen immer weiter ein, doch weltweit ist der japanische Konzern die Nummer acht mit 1,2 Millionen Stück. In Deutschland bleibt die SV 650 weiterhin die meistverkaufte Suzuki.

Auf Rang acht im Ranking der weltgrößten Motorradhersteller landet Suzuki. Das ist insofern erstaunlich, als die Marke in Europa und speziell in Deutschland in den letzten Jahren dramatische Einbrüche erlebte. 2021 verkaufte Suzuki hierzulande nur 3818 Motorräder und Roller, ein Minus von 64 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Weltweit sah die Sache jedoch ganz anders aus: Suzuki legte um satte 26 Prozent zu auf 1,2 Millionen Stück. Mehr als die Hälfte entfiel dabei auf den indischen Markt, in Japan konnte Suzuki mit 31 Prozent das stärkste Wachstum aller einheimischen Marken vorweisen und verkaufte dort 69.914 Krafträder.

Niu ist auch in Europa ein Begriff, da zahlreiche E-Roller der Marke durch die Innenstädte sausen. Niu baut ausschließlich elektrisch angetriebene Roller und dennoch ist das chinesische Unternehmen zum neuntgrößten Motorradbauer herangewachsen mit über einer Million Stück.

Niu ist auch in Europa inzwischen ein Begriff, weil zahlreiche E-Scooter der Marke durch die Innenstädte rollen. Niu baut ausschließlich elektrisch angetriebene Roller und dennoch ist das chinesische Unternehmen zum neuntgrößten Motorradbauer herangewachsen. 2021 produzierte die Marke über eine Million Einheiten, das entspricht einer Steigerung von 70,4 Prozent. Damit ist Niu die am schnellsten wachsende Marke unter den großen Herstellern, was sie vor allem dem E-Roller-Boom in China zu verdanken hat. Mit ihrem minimalistischen Design treffen die Modelle offensichtlich einen Nerv. Angetrieben werden die Roller von Bosch-Motoren und Panasonic-Batterien.

Der zehntgrößte Motorradhersteller kommt überraschend aus Mexiko und ist außerhalb von Mittelamerika kaum bekannt. Dennoch brachte es Italika 2021 auf über 900.000 verkaufte Motorräder. Die Einzylindermotorräder mit maximal 300 cm3 decken so ziemlich alle Sparten ab, mit der VX 250 ist auch eine Reiseenduro dabei.

Platz zehn belegt eine Marke aus Mexiko. Richtig gelesen: Mexiko. Italika produzierte 2021 rund 900.000 Motorräder und ist Marktführer in seiner Heimat. Erst 2005 gegründet, mauserte sich Italika rasch zu einer populären Marke in Mittelamerika. Die Hubräume reichen von 110 bis 300 Kubikzentimeter, aber decken alle Sparten ab: Roller, Naked Bike, Enduro, Café Racer, Chopper, Sportler und Reiseenduro. Seit kurzem ist auch ein Elektromotorrad im Programm, bei dem es sich aber um eine Super Soco TCmax aus China mit einem Italika-Schriftzug handelt. Alle anderen Einzylinder-Modelle entstehen in der eigenen Fabrik in Toluca, nahe Mexiko City.

(fpi)