Ducati Panigale V4: Aus eins mach zwei​

Fürs kommende Modelljahr erhielt die Ducati Panigale eine für den konservativen Hersteller fast revolutionäre Änderung: Eine Zweiarmschwinge am Hinterrad.

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Ducati Panigale V4

(Bild: Ducati)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Ingo Gach
Inhaltsverzeichnis

Im High-End-Segment sind Fortschritte naturgemäß meist nur noch minimal. Oder man wagt einen radikalen Schnitt. Einen solchen tut Ducati mit der überarbeiteten Panigale V4 und baut sie für das Modelljahr 2025 mit einer Zweiarmschwinge. Seit die italienische Marke 1994 die ikonische 916 präsentiert hat, bekamen die Superbikes aus Bologna grundsätzlich eine Einarmschwinge (mit Ausnahmen der 999, aber die gilt unter Experten ohnehin als nicht gelungen). Ursprünglich, weil das Wechseln des Hinterrads im Rennsport dann schneller funktionieren würde, aber das Argument hat sich schon lange erledigt.

Die neue Zweiarmschwinge soll 3,8 kg weniger wiegen als die mächtige Einarmschwinge der Vorgängerin. Ihren Drehpunkt findet sie weiterhin an der gleichen Stelle im Motorgehäuse. Dabei wurde sie 16 mm länger, gleichzeitig soll sie um 37 Prozent verwindungssteifer sein. Der Radstand wächst bedingt durch die längere Schwinge auf 1485 mm. Das bedeutet einen noch stabileren Geradeauslauf und verbesserte Übertragung der Kräfte auf die Straße.

Die Schwinge ist natürlich nicht die einzige Innovation an der Panigale V4 und der besser ausgestatteten Panigale V4 S. Während die Schwinge sich nun weniger stark verwinden kann, tut es der Frontrahmen dafür umso mehr: Seine Seitensteifigkeit wurde für mehr Flex um 40 Prozent reduziert, gleichzeitig sinkt sein Gewicht um 17 Prozent. Die Upside-down-Gabel von Showa (bei der V4 S mit semi-aktivem Fahrwerk stammt sie von Öhlins) ist natürlich voll einstellbar und arbeitet jetzt auf 125 mm Arbeitsweg. Außerdem steht sie mit 66 Grad um ein halbes Grad steiler und der Nachlauf schrumpft auf 98 mm. Hinten verwendet Ducati ein Federbein von Sachs (V4 S: Öhlins).

Ducati Panigale V4 (6 Bilder)

Ducati hat die Panigale V4 fĂĽr das Modelljahr 2025 grĂĽndlich ĂĽberarbeitet.
(Bild: Ducati)

Als eine der ersten Serienmotorräder bekommt die Ducati Panigale V4 die neuen Top-Bremsen von Brembo. Die Monoblock-Hypure-Vierkolben-Bremssättel verzögern zwei 330 mm Bremsscheiben am Vorderrad, die Zweikolben-Bremszange am Hinterrad ist mit einer 245 mm großen Bremsscheibe kombiniert. Gar als erste Serienmotorrad darf sich die Panigale V4 über das zusammen mit Bosch entwickelte Race eCBS-Bremssystem freuen. Das elektronische gesteuerte System verteilt die Bremskraft (in sieben Stufen einstellbar) bis zu 15 Prozent des maximalen Bremsdrucks nach hinten.

Der Motor verfügt jetzt über sechs Lambda-Sonden und erfüllt die Norm Euro5+. Durch neue Nockenwellen wurde der Hub an den Einlassventilen um 0,75 mm und an den Auslassventilen um 0,45 mm erhöht, die Ansaugtrichter wurden in der Länge auf das geänderte Schwingungsverhalten abgestimmt. In der Spitzenleistung legt der immer noch 1103 cm3 große V4 um ein halbes PS auf 216,5 PS zu, allerdings muss er dafür nun 500 Touren höher drehen, auf 13.500. Abwärts ging es hingegen beim Drehmoment auf 121 Nm und die auch erst bei 11.250/min, bisher waren es 124 Nm bei 9500/min. Gleichzeitig wuchs die Fläche des Wasserkühlers um 17 Prozent. Durch die Verwendung von leichteren Komponenten sank das Motorgewicht um ein Kilogramm, die Auspuffanlage ist neu gestaltet. Ducati behauptet, dass der Spritverbrauch von 7,6 auf 6,5 Liter gesunken sei. Das wäre ein gewaltiger Schritt.

Die Panigale V4 verfügt über vier Fahrmodi: Der Modus Full entfaltet das volle Potenzial des Motors ohne elektronische Filter, abgesehen vom ersten Gang – wer auch immer 216,5 PS ohne Assistenzsysteme fahren will. Der Modus High verbunden mit Race A und Race B ist für den Einsatz auf der Rennstrecke gedacht. Modus Medium, kombiniert mit Sport und Road, liefert ebenfalls die volle Power und optimiert die Drehmomentkurve für jeden Gang. Der Modus Low ist für nicht so griffige Landstraßen gedacht und Modus Wet schließlich reduziert die Leistung auf "nur" 160 PS.

Im Sinne der Aerodynamik hat Ducati die Verkleidung und damit auch die Winglets neu geformt, außerdem sind sie nun rot lackiert. Die beiden "Haifischkiemen" in der Verkleidung entfielen zugunsten einer einzigen Öffnung, durch die Luft großzügig durchströmen soll. Ein ganz wichtiger und oft unterschätzter Punkt ist die Sitzergonomie des Fahrers. Hier hat Ducati gründlich nachgebessert und die Fußrasten und die Ausbuchtungen am Tank für die Knie neu gestaltet. Die Sitzfläche ist um 35 mm verlängert und wuchs 50 mm in die Breite. Es erleichtert dem Fahrer auf der Rennstrecke die schnelle Gewichtsverlagerung.

Ducati Panigale V4 (6 Bilder)

 Paukenschlag: Ducati hat die Panigale V4 von Einarmschwinge auf Zweiarmschwinge umgestellt.
(Bild: Ducati )

Nicht weniger als 70 Sensoren überwachen die Ducati permanent, die IMU wanderte hinter den Tank, um es in zentraler Position zu lagern. Das Trockengewicht der Panigale V4 sank um zwei Kilogramm auf 191 kg, die V4 S bringt es gar auf 187 kg. Dass sie nicht noch leichter wurde, obwohl Ducati eigentlich deutlich mehr Kilos eingespart hat, liegt am großen und schweren Schalldämpfer mit vielen Kats und Lambdasonden. Wir hoffen, dass es auch die Geräuschkulisse gedrückt hat, die bisherige Panigale V4 hatte nämlich sagenhafte 107 dB(A) Standgeräusch in die Papiere eingetragen.

Ducati hebt auch die Preise für die neuen Panigale an: Die V4 kostet 27.790 Euro, die V4 S gibt es ab 34.790 Euro. Die Summen lassen sich durch das reichhaltige Zubehör locker nach oben treiben. Wer zum Beispiel eine komplette Racing-Auspuffanlage aus Titan (ohne Straßenzulassung) haben möchte, muss 8568 Euro hinblättern. Wer lieber legal unterwegs ist, berappt für den Akrapovic-Schalldämpfer immer noch 5593 Euro. Räder aus Kohlefaserlaminat gibt es für 5712 Euro. In Rot, Gelb oder Schwarz lackierte Brembo-Bremssättel (ansonsten identisch mit der Basis) kosten 856 Euro. Ducatisti sind nicht dafür bekannt, dass sie auf jeden Cent schauen.

(fpi)