Single-Freuden: Test Ducati Hypermotard 698 Mono

Ducati stellt sich mit einer neuen Einzylinder-Plattform gegen den Pierer-Konzern auf. Der Test zeigt: Die Hypermotard Mono ist ein voller Erfolg.

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(Bild: Sebastian Bauer)

Lesezeit: 11 Min.
Von
  • Clemens Gleich
Inhaltsverzeichnis

Einzylindermotoren als Viertakter sind in ihrer Reduziertheit sehr interessant. Sie zünden nur alle 720°, ein Arbeitstakt muss also schon im Leerlauf genug Schwung liefern für zwei volle Kurbelwellenumdrehungen plus die Überwindung der Verdichtung für den nächsten Arbeitstakt. Früher fand man daher viele Eintöpfe, die das mit geringer Verdichtung und hohen Schwungmassen lösten. Im Wettbewerb war so etwas aber nachteilig, weil träge. Also wurden dort eingesetzte Einzylinder sportlicher, mit weniger Schwungmasse, höheren Drehzahlen, folglich auch geringerem Hub und größerer Bohrung. Im Prinzip eine Entwicklung, die über alle Motorradmotoren verlief, nur hier eben spitzer und mit mehr Nebeneffekten, weil es keine ausgleichenden weiteren Zylinder gibt.

KTM brachte Hochleistungs-Viertakt-Einzylinder in die Breite, in straßenzugelassene Naked Bikes wie die LC4-Dukes und in etwas größere Straßen-Supermotos wie die LC4-SMC-Modelle. Die waren für Vierzylinderfahrer eine große Umstellung, genauso aber für Leute, die von braven Schwungmassen-Eintöpfen mit ihrer Charakteristik wie Dampfmaschinen kamen. Leistungs-Einzylinder sind ein bisschen besonders, und ich sehe mich mit meiner mittlerweile zweiten neu gekauften 690 Duke da durchaus als Erfahrungsexperten an.

Sebastian Bauer begleitete mich wieder auf dem Test, und als er bei der von ihm gefahrenen Royal Enfield Himalayan 450 von "Konstantfahrruckeln" sprach, schnitt ich ihn ab: "Da spricht der Mehrzylinderfahrer wieder. Fahr morgen die Ducati. Danach sprechen wir darüber, ob die Enfield Konstantfahrruckeln hat." Er fuhr die Ducati. Die Enfield hat kein Konstantfahrruckeln. Ducati hat die Motorcharakteristik aber nicht irgendwie schlecht hinbekommen, sondern sehr gut. Beim Umstieg von meiner Duke auf die Hypermotard dachte ich: "Huch, das funktioniert gleich glatter als bei der Duke!" Sebastian hatte zuvor einfach noch nie so einen Motor bedient. Leistungs-Einzylinder sind wie gesagt ein bisschen besonders.

Ducati Superquadro Mono (3 Bilder)

Mit zwei Metallfarben und schönen Formteilen für die Sichtflächen auch optisch sehr gelungen, der neue Einzylinder. Technisch ein Meisterwerk.
(Bild: Ducati)

Wenn ich auf der Duke R im unteren Drehzahlbereich den Hahn spanne, kracht es aus Kupplung/Getriebe lauter als aus dem Akrapovic-Endtopf, und wer das nicht kennt, denkt, dass ihm gleich das Motorrad um die Ohren fliegt. Wenn ich also mit kleinerem Gang durch Orte fahre, dann, um Passanten die Furcht um ihr Leben zu nehmen, wenn das kleine Ding plötzlich "KRRCHAATT!!" macht wie eine große Schrottpresse. Und zum Konstantfahren: Wenn ich will, dass die Duke im unteren Drehzahlbereich weniger schnalzend auf die arme Kette einhämmert (die auf Leistungs-Einzylindern entsprechend kürzer hält), dann führe ich oft selber am Gasgriff eine leichte Periodität ähnlich einem Konstantfahrruckeln ein. Diese Erlebnisse des Einzylinderfahrens stehen hier für Laien, damit sie nicht blind so etwas bestellen. Man fahre es probe. Es ist nicht für jeden geeignet. Wie also ging Ducati das Thema an? Ich habe ja schon angerissen, dass ihnen die Steuerung gut gelang.

Das Erleben der Hypermotard Mono dreht sich primär um zwei Dinge: Das geringe Gewicht im leichten Chassis und den hochdrehenden Einzylinder. Um KTM bei der Nennleistung zu schlagen, hat Ducati über einen Zentimeter mehr Bohrung (116 zu 105 mm) und dafür fast zwei Zentimeter weniger Hub (62 gegenüber 80 mm) gebaut, als der KTM-Motor in der SMC-R hat, der auch in den Pendants der Konzernmarken Husqvarna und GasGas zum Einsatz kommt. Damit dreht der große Einzylinder aus Bologna fünfstellig bis 10.250/min. Drehzahl befreit. Kehrseite: Der KTM-Motor hat mehr Nenndrehmoment.

Durch die jeweils passenden Übersetzungen drücken KTM und Ducati jedoch sehr ähnlich aus den Ecken, man lasse sich also nicht von den reinen Motorwerten täuschen. Viele Diskutanten in den Foren haben das schon vorher geahnt und verstanden. Am Rad passt es bei beiden. Ducatis Drehzahlreserven machten sich in der Höhe positiv bemerkbar: Wenn dem Motor auf 2500 m Seehöhe bei im Tal gewohnten Lastbereichen etwas die Puste ausgeht, bedient man sich ganz intuitiv aus dem epischen Drehzahlangebot. Der sehr schön arbeitende Quickshifter hilft dabei.

Ducati Hypermotard 698 Mono RVE Details (15 Bilder)

Schöne Tagfahrleuchten auf den Scheinwerferseiten. Das Abblendlicht gefiel mir auch gut, es leuchtet breit aus, um bei Schräglage ohne weitere Technik noch gute Ausleuchtung zu bieten.
(Bild: Sebastian Bauer​)

Ducati serviert diesen Motor in der Hypermotard Mono mit einem Kurzhubgasgriff, in den ich mich unmittelbar verliebte. Genau das vermisse ich an der Duke, denn wenn ich dort WOT (wide open throttle) brauche, muss ich umgreifen oder mit einer bescheuerten Handgelenksstellung fahren, bis ich wieder drosseln kann. Ducati wusste, dass ihr drehzahlgeiler Motor in diesem Spaßkonzept einen kurzhubigen Sportgasgriff braucht. Den potenziell negativen Einfluss auf die Flatterhaftigkeit des Motors löst Ducati mit einer sehr ausgefuchsten Steuerung der Drosselklappen über das E-Gas.

Diese Steuerung versucht, das zu tun, was du willst, statt das, was bei gleichen Parametern mit einer desmodromischen Seilzugbetätigung der Drosselklappen passiert wäre. Das funktioniert die meiste Zeit super, ganz ohne Artefakte bleibt es aber nicht. Im untersten Drehzahlbereich etwa will die Steuerung verhindern, dass der Motor ausgeht. Sie gibt dann etwas Gas, und zwar auch, wenn eingekuppelt ist. Ein anderes Artefakt fiel mir beim Fotofahren am Timmelsjoch (rund 2400 m Seehöhe) auf: auskuppeln, bremsen, der Motor gibt von allein deutlich hörbare Gasstöße. Im Tal kein solches Verhalten.

Mit all diesen Eigenheiten als Kontext endlich zum springenden Punkt: Dieses Motorrad ist ein Volltreffer. Jeden Kompromiss, den Ducati ging bei ihrem Weg zu einer straßenzugelassenen Supermoto, gehe ich mit. Sie fanden Platz für den Tank vorne -- super für Touren, wenn ich hinten mein Täschchen draufschnallen will. Kurzhubgasgriff mit telepathischem E-Gas. Lautstärke sozialverträglich und Tirol-tauglich mit 92 dBA Standgeräusch. Kein blödes Klappensystem im Auspuff mit dem entsprechenden Zusatzgewicht. Das Verbrennungsgeräusch klingt hart und trocken im Teillastbereich, unter Volllast hat Ducati dennoch irgendwie einen erstaunlich eigenständigen Ducati-Klang hinbekommen. Liegt es an der desmodromischen Ventilsteuerung? Zum Sportgedanken schaue man sich nur einmal an, wie Ducati Bremsschlauch und Sensorkabel für die Vorderradbremse verlegt: wie im Rennsport! Gut: und wie bei der SMC-R.

Ducati Hypermotard 698 Mono Standards (5 Bilder)

My kind of Tallrounder: leicht, leicht zu fahren, sparsam, sehr alpentauglich und sehr, sehr spaßig.
(Bild: Sebastian Bauer​)

Am besten hat mir aber gefallen, dass die Mono leicht zu lernen und schwierig zu meistern ist. Für ein Motorrad, das ich länger fahren will (und das betrifft die Ducati als potenziellen Duke-Nachfolger), frage ich mich immer: Was kann mir diese Maschine beibringen und wie schnell lerne ich das? Die Ducati Mono ist kinderleicht zu fahren, aber wenn du sie meistern willst, bist du ein Leben lang beschäftigt. Genau so muss ein Motorrad, muss jedes gute Powersports-Gerät sein.

Spannende Motorräder

Das Fahrwerk unten vermittelt so viel Vertrauen, dass man die Duc über die typischen kleinen Rutscher von Alpenstraßen einfach machen lässt, Puls konstant. Wenn es einen fünf Zentimeter breiten Weg zwischen Schmelzwasser und Kuhfladen gibt, dann schaust du den an und das telepathische Fahrwerk zieht genau da durch, geschoben vom Motor, der per E-Gas ebenfalls pseudotelepathisch weiß, was du willst. Die Fahrhilfen helfen dabei je nach Einstellung sogar beim leichten Drift, fangen den Wheelie vor dem Überschlag ein oder lassen sich für lehrreiche Experimente abschalten. Das Fahren funktioniert herrlich, und das so anstrengungsarm, dass man es den ganzen Tag machen kann.

Zum herrlichen Fahren kommt eine gewisse Alltagstauglichkeit. Der Motor verbraucht beim in der Gruppe dahinrollen vierkomma Liter auf 100 km. Erst beim allein Angasen steigt der Verbrauch über die Fünf, ähnlich übrigens wie beim KTM-Motor. In Orten kann ich mit der Ducati im 4. Gang fahren, während ich auf der länger übersetzten Duke R bei 50 den 3. Gang brauche und wenn Autos trödeln, brauche ich schnell den 2. Gang, sonst Schrottpressenschrecklärm.

Das einfache Display reicht völlig aus. Lieber weniger Anzeigen, die funktionieren. Ich habe eine Benzinuhr an der Duke, bei der ich nach acht Jahren immer noch nicht weiß, was sie mir mitteilen will. Der Benzinstand ist es jedenfalls nicht. Dann lieber ohne. Wenn bei der Ducati die Reservelampe angeht, sind noch locker 2,5 Liter im Tank, die für ganz gemütliche Tankstellensuche reichen. Die Sitzbank war über 2000 km täglichen langen Fahrens bequem und typisch Supermoto-Sitzbank kann man sehr frei die Sitzposition wechseln.

Gut: Wenn man wie ich die Sitzbank mit Tourengeraffel vollstellt, kann man sich natürlich weniger Sitzpositionen aussuchen. Trotzdem viel besser als 95 % dieser weichen Sitze, in denen man sich die Backen plattsitzt.

(Bild: Sebastian Bauer)

Leicht genervt war ich nur vom Gebratzel im Schiebebetrieb. Dass Fans ein paar Pseudo-Fehlzündungen hören wollen: gut, verstehe ich. Aber muss ich den ganzen Berg runter dieses Gefurze anhören und das Benzin dafür bezahlen? Die Menü-Bedienung auf dem Blinkerrücksteller ist auch eine Ducati-Idee, die sich anderswo aus guten Gründen nicht durchsetzt. Das sind aber Kleinigkeiten, von denen ich auch bei der Duke erzählen kann. Bei beiden gilt: Das Gesamtkonzept ist geil und selten. Ich habe die Duke gekauft und ich würde die Ducati kaufen, ja: Ich will sie als nächstes kaufen.

Sebastian fragte mich dazu, ob ich bereit sei für die "Ducati Experience" mit teuren und oft arroganten Italo-Händlern. Er weiß offenbar nicht, dass ich durch die KTM-Experience bereits vollimmunisiert bin. Mehr noch: Der "gute KTM-Händler" in meiner Gegend macht kein KTM mehr, keine Lust mehr auf diese Firma. Einen Ducati-Händler gibt es noch, zwar teuer, aber die Kunden finden ihn ansonsten okay. Der KTM-Motor muss alle 10.000 km zum Service, jedes Mal mit Motordeckel runter und Ventilspielkontrolle. Ducati plant für den eigenen Einzylinder alle 15.000 km einen Ölwechsel und will die desmodromischen Ventile nur alle 30.000 km kontrollieren. Das klingt eher günstiger als teurer.

Ein Motorrad für die Lebens-Erlebnis-Fotowand. Bravo, Ducati! Wir sehen uns sicher wieder.

(Bild: Sebastian Bauer)

Besonders beeindruckt hat mich als alten Fehlerfinder jedoch, dass die Mono sich keinen Fehltritt leistete. Nichts siffte, sie sprang immer an, selbst nach Nächten um den Gefrierpunkt, die Elektronik lief wie ein Uhrwerk. Das habe ich bei anderen Testern aus Bologna schon ganz anders erlebt. Es ist ein weiteres Indiz dafür, dass Ducati sich richtig Mühe gegeben hat, einen neuen Benchmark zu setzen. Ich fürchte mich auch nicht, wenn es bei meinem Motorrad dann anders aussähe als beim Tester jetzt. Die Duke sifft seit Anschaffung Bremsflüssigkeit und Öl, Abhilfe bei jedem Service in jeder Werkstatt hartnäckig verweigert, mittlerweile selber gelöst für knapp 30 Euro inklusive Versand und 50 Sekunden Arbeitszeit. Ich denke, ich bin bereit für jede aktuelle Ducati, und die Mono gehört definitiv zu den besten. Ich frage mich schon seit einiger Zeit, was ich mache, wenn die 690 Duke einmal am Ende ist. KTM baut sie aktuell nicht mehr. Ich müsste also eh auf eine Supermoto ausweichen, wenn ich ein vergleichbar leichtes und sportliches Motorrad fahren will. Nach diesem Test weiß ich, was ich mache, wenn meine KTM am Ende ist: Ich werde eine Ducati kaufen.

Die Ducati Hypermotard 698 Mono kostet ab 12.390 Euro. Als RVE-Version wie hier getestet kostet sie ab 13.390 Euro.