Harley-Davdison Ultra Limited: Weder ultra noch limitiert

Die Harley-Davidson Ultra Limited ist trotz des Namens weder das Äußerste noch ist sie begrenzt. Sie bringt klassische Gestaltung mit hohem Komfort zusammen.

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Harley-Davdison Ultra Limited

(Bild: Harley-Davdison)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Ingo Gach
Inhaltsverzeichnis

Unter gewissen Tourenfahrern genießen Harley-Davidsons kultische Verehrung, obwohl sie nicht einmal die komfortabelsten Luxus-Bikes für lange Strecken mit der gediegensten Ausstattung sind. Da haben Hondas[ ]Gold[ ]Wing (Test) und BMWs[ ]K[ ]1600 im Zweifelsfall sogar noch mehr zu bieten. Aber alles dreht sich bei der Marke aus Milwaukee um den gigantischen 45-Grad-V2. Wenn der unter einem böllert und sein irrwitziges Drehmoment lässig auf die Kurbelwelle schaufelt, ist die Welt für den Harley-Fan in Ordnung.

Innerhalb der Modellfamilie "Grand American Touring" tummeln sich gleich acht Modelle, deren Basis recht ähnlich ist, die Detailausführungen sich teilweise aber deutlich voneinander unterscheiden. Der Laie kann sie anhand ihrer Verkleidungen grob in zwei Kategorien aufteilen: Batwing (Fledermausflügel) und Sharknose (Hainase). Letztere ist ein Ungetüm von Verkleidung und über ihren ästhetischen Wert lässt sich streiten. Schon etwas optisch anspruchsvoller kommt da die lenkerfeste Batwing-Verkleidung daher. Okay, auch sie ist nicht gerade schmächtig geraten, aber schließlich soll sie Fahrer und Sozia so gut wie möglich vor Wind und Wetter schützen.

Das vielleicht gelungenste Modell der Baureihe ist die Ultra Limited. Sie zitiert die klassische Linie der Tourer gekonnter als die anderen. Die Namensgebung Ultra Limited ist allerdings etwas irritierend, sie stellt weder in irgendeiner Hinsicht das Äußerste bei Harley-Davidson dar, noch ist sie – im Gegensatz zu den CVO-Modellen – in den Stückzahlen limitiert.

Harley-Davidson Ultra Limited (7 Bilder)

Die Harley-Davidson Ultra Limited ist weder ultra, noch limited, aber gefällig. Sie entstammt der "Grand American Touring"-Baureihe.
(Bild: Harley-Davidson)

Besonders gelungen wirken an ihr die drei Rundscheinwerfer, ein großer in der Mitte, flankiert von zwei kleineren, alle mit LEDs bestückt. Darunter wölbt sich ein voluminöser Kotflügel über dem 18 Zoll großen Vorderrad. Auffällig sind die beiden seitlichen Verkleidungsteile, die ein wenig wie Schienbeinschoner wirken. Im Grunde haben sie sogar diese Funktion, sie sollen die Beine des Fahrers schützen. Der Tank der Ultra Limited nähert sich der Tropfenform. Ganz wichtig an seinen Tourern ist Harley-Davidson der Sitzkomfort. Entsprechen hockt man am Lenker in 740 mm Höhe auf einem sehr kommoden Sitzkissen mit ausgeprägter Kuhle. Die Sozia sitzt sogar auf ihrem eigenen Thron eine Etage höher, um die Aussicht zu genießen. Die bequeme Rückenlehne stützt dabei den Oberkörper. Dahinter ist ein großes Topcase montiert, das locker zwei Jet-Helme aufnimmt. Noch dazu gibt es obendrauf einen Gepäckträger.

Überhaupt müssen sich Fahrer und Passagier über das Thema Stauraum kaum Gedanken machen. Die beiden serienmäßigen Koffer sind der Kontur der Ultra Limited angepasst und in Fahrzeugfarbe lackiert. Heute gehört Infotainment in der Motorrad-Luxusklasse dazu, doch auch hier verbindet Harley die Vergangenheit mit der Moderne. Zwei klassische, analoge Rundinstrumente zeigen Geschwindigkeit und Drehzahl an. Seitlich davon sind zwei kleine Rundinstrumente für den Benzinstand und die Batteriespannung zuständig. Doch zusätzlich gibt es ein 165 mm großes TFT-Display mit Touchscreen und Navigationssystem.

Kein Harley-Tourer ohne Boom Box: vier Lautsprecher sorgen für Musikgenuss während der Fahrt. Zwar bietet die Ultra Limited auch serienmäßig eine Bluetooth-Anbindung zum Smartphone, aber zudem gibt es noch einen USB-Anschluss für SD-Karte oder Flashspeicher. Was verwöhnte Naturen irritiert ist, dass der Windschild nicht ausfahrbar ist. Es lässt sich noch nicht einmal mechanisch in der Höhe verstellen.

Dafür gibt es an der Ultra Limited eine ganze Reihe elektronischer Assistenzsysteme: Kurven-ABS, elektronische Bremskraftverteilung, Kurven-Schlupfregelung, Schleppmomentregelung, Berganfahrhilfe und ein Reifendruck-Überwachungssystem. Bei dem gigantischen Leergewicht von 416 kg sind die Hilfssysteme aber auch dringend notwendig. Leider konnte sich Harley-Davidson nicht zum Einbau eines Rückwärtsgangs durchringen, der beim Rangieren sehr hilfreich wäre.

Harley-Davidson Ultra Limited (8 Bilder)

Der 1868 cm3 große Milwaukee-Eight-V2 hat keine Mühe, die Massen in Bewegung zu setzen. Er bietet stolze 160 Nm Drehmoment.
(Bild: Harley-Davidson
)

Auf der anderen Seite hat der 1868 cm3 große Milwaukee-Eight-V2 keine Mühe, die Massen in Bewegung zu setzen. Er leistet zwar nur 88 PS bei 5020/min, aber die interessantere Angabe ist das Drehmoment: Hier kann die Ultra Limited 160 Nm bei 2750/min vorweisen. Beim Gasaufziehen ist es im Prinzip fast unerheblich, welcher der sechs Gänge gerade eingelegt ist, der Motor marschiert mit Vehemenz nach vorne. Dass der Riesentourer bei einem Radstand von 1625 mm, einem Nachlauf von 170 mm und einem Lenkkopfwinkel von 61 Grad kein Ausbund an Handlichkeit ist, muss wohl nicht betont werden. Die Reifendimensionen von 130/70-18 vorne und 180/55-18 hinten trägt auch nicht gerade zur Verbesserung der Agilität bei. Die Schräglagenwinkel sind auf nur 32 Grad begrenzt, bis die Ultra Limited mit hässlichem Kratzen aufsetzt. Gestoppt wird das Ungetüm von zwei Vierkolbenbremszangen samt 300 mm großen Bremsscheiben vorne, die Einzelbremse hinten nimmt auch eine 300-mm-Scheibe in die Zange.

Leider verzichtet das Modelljahr 2024 komplett auf Chrom, das Harley-Davidson bislang üppig über der Ultra Limited ausgeschüttet hatte. Stattdessen hüllen sich Rahmen, Gabel, Lenker, Felgen, Scheinwerfer, Motor und Auspuffanlage in tristes Mattschwarz. Es passt nicht wirklich zum Auftritt der Ultra Limited, die eine repräsentative Visitenkarte des Besitzers sein will. Zum Glück bietet Harley-Davidson sie wenigstens in sechs verschiedenen Lackierungen an. Aber Achtung, bei einigen Farben verlangt der Hersteller gehörigen Preisaufschlag. Für den ohnehin schon üppigen Basispreis von 33.695 Euro gibt es die Ultra Limited nur in Grau. Die schwarz oder weiß lackierte Maschine kostet je 595 Euro Aufpreis, ebenso das Mattblau. In der Farbgebung "Red Rock/Vivid Black" sind es dann schon 1190 Euro zusätzlich und in "Tobacco Fade" unglaubliche 3570 Euro mehr.