Hubraum- und Komponenten-Plus: Benelli Leoncino 800 nach zwei Jahren aufgewertet

Benelli bohrt nach nur zwei Jahren seine Leoncino 800 auf, was satte 20 PS bringt. Hochwertige Teile von KYB und Brembo kommen dazu. Günstig dürfte sie bleiben.

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Benelli Leoncino 800

(Bild: Benelli)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Ingo Gach
Inhaltsverzeichnis

In China hat Benelli nach nur zwei Jahren eine neue Leoncino (auf Deutsch: kleiner Löwe) 800 mit deutlich erhöhter Leistung vorgestellt. Satte 20 PS und 12 Nm mehr, bei gerade mal um 45 cm3 vergrößertem Hubraum. Auch diverse Komponenten wurden getauscht und an Details gefeilt. Die chinesische Marke will in Europa erfolgreich sein und steht mit dieser Strategie nicht allein.

Die Benelli Leoncino 800 ist ein Paradebeispiel dafür, wie hoch die Schlagzahlen in China bei den Modellüberarbeitungen sind. Dabei geht die Tendenz zu größeren Hubräumen, das Ziel ist, mindestens auf Augenhöhe mit den etablierten Herstellern aus Japan und Europa zu kommen. Offiziell zählt Benelli zwar zu den europäischen Marken, gehört aber seit 2005 zur chinesischen Quianjiang Group (QJ Motors). Dort laufen die Benellis vom Band, aber das Designzentrum beließ der neue Besitzer klugerweise im italienischen Pesaro, weil QJ Motors früh begriff, dass sie das außerordentliche italienische Design nicht einfach in China würden kopieren können. Der Erfolg blieb nicht aus, die Mittelklasse-Reiseenduro Benelli[ ]TRK[ ]502 ist seit Jahren das meistverkaufte Motorrad in Italien, nicht zuletzt wegen ihres günstigen Preises.

Benelli Leoncino 800 (7 Bilder)

Benelli präsentiert nach nur zwei Jahren ein überarbeitetes Nachfolgemodell des Retro-Bikes Leoncino 800.
(Bild: Benelli)

2022 brachte Benelli die Leoncino[ ]800 und Leoncino 800 Trail als größere Schwestern der seit 2015 produzierten Retro-Bikes Leoncino 500 und Leoncino 500 Trail auf den Markt. Der Reihenzweizylinder hatte 754  cm3 Hubraum mit einem Bohrung-Hub-Verhältnis von 88 mal 62 mm. Er brachte es auf 76 PS bei 8500/min und 67 Nm bei 6500/min. Damit lag sie leistungsmäßig im Umfeld ihrer Mittelklasse-Konkurrenz noch ganz ordentlich. Doch jetzt präsentierte Benelli überraschend die beiden gründlich überarbeiteten Leoncino 800 und 800 Trail. Die Bohrung wächst auf 90,6 mm, während der Hub von 62 mm gleich bleibt. Das ergibt 799 cm3 Hubraum und die Leistung steigt auf 96 PS bei 9000/min (für den EU-Markt wird sie vermutlich auf 95 PS reduziert), das Drehmoment auf 79 Nm bei 7700 Touren. Die Höchstgeschwindigkeit soll von 190 auf 210 km/h steigen.

Die Upside-down-Gabel und das Federbein stammen nicht mehr von Marzocchi, sondern vom japanischen Fahrwerks-Zulieferer KYB und sind teilweise einstellbar. Vermutlich deshalb sank die von Benelli angegebene Sitzhöhe von 820 auf 800 mm. Die beiden radial montierten Bremszangen am Vorderrad kommen von Brembo und das ABS von Bosch. Unterhalb des Tanks ist eine neue Abdeckung zu sehen und auch der Vorderradkotflügel ist anders gestaltet, während der Gitterrohrrahmen unverändert erscheint.

Benelli Leoncino 800 (8 Bilder)

Das fünf Zoll große TFT-Display bietet jetzt mehr Funktionen.
(Bild: Benelli)

Das fünf Zoll große TFT-Display kann per Bluetooth und App mit dem Smartphone verbunden werden und bietet nun unter anderem auch eine Pfeil-Navigation. Außerdem ist die Reifendruckanzeige jetzt serienmäßig, ob das auch für den auf der Messe in China gezeigten Hauptständer gilt, ist noch offen. Benelli behauptet, die neue Leoncino 800 sei sechs Kilogramm leichter geworden, was 216 Kilogramm Leergewicht entspräche. Um wie viel leichter der Scrambler Leoncino 800 Trail mit seiner hochgelegten Doppelrohr-Auspuffanlage und Drahtspeichenfelgen wurde, deren Format vorne von 19 auf 17 Zoll wechselte, ist nicht klar, bisher wog die Trail mit vollem 15-Liter-Tank 234 kg.

Die Kraftkur an der Leoncino 800 wäre nach so kurzer Zeit zwar nicht nötig gewesen, aber es zeugt von der Strategie von QJ Motors und sie stehen nicht allein da. Etliche chinesische Hersteller wollen unbedingt auf den europäischen Markt und sich dort mit immer größeren Modellen etablieren, neben QJ Motors gilt das auch für CF Moto, die durch ihr Joint Venture mit KTM jetzt einen sehr guten 800er-Motor in mehreren Modellen anbieten können. Voge ist mit einer 900er-Reiseenduro vorgeprescht und Zontes kommt in seinen größten Bikes zwar nur auf 699 cm3 Hubraum, der Dreizylindermotor leistet aber bis zu 110 PS. Moto Morini – eine ebenfalls traditionsreiche italienische Marke, die nun einen chinesischen Besitzer hat – kündet für nächstes Jahr gar zwei 1200er-Modelle an.

Leisten können sich die chinesischen Marken ihren Vorstoß nach Europa durch die gewaltigen Verkaufszahlen in ihrer Heimat – dem zweitgrößten Motorradmarkt der Welt – und natürlich können sie ihre Bikes im Ausland günstig einpreisen. Die Leoncino 800 bot Benelli in Deutschland für bislang 7699 Euro an. Eigentlich sollte man annehmen, dass die Nachfolgerin diesen Preis wegen der höherwertigen Komponenten nicht halten kann, doch zumindest in China wird die neue Leoncino 800 für 46.800 Yuan (ca. 6000 Euro) angeboten und ist damit umgerechnet rund 1100 Euro günstiger als bisher. Ob die Marke auch in Deutschland den Preis reduzieren wird, ist noch nicht bekannt, aber selbst, wenn er unverändert bliebe, brächte die Überarbeitung einen Mehrwert für den Käufer. Benelli hat auch noch nicht kommuniziert, wann die beiden Nachfolgemodelle der Leoncino 800 nach Europa kommen, aber sie werden bestimmt nicht lange damit warten.