Lkw der Zukunft: Batterien, Wasserstoff oder Oberleitung?

Seite 4: Was kostet das eigentlich?

Inhaltsverzeichnis

Doch wären sie auch bezahlbar – oder wäre ein dichtes Netz von Schnellladestationen volkswirtschaftlich sinnvoller? Das IFEU hat diese Frage für ein Oberleitungsnetz mit 3.000 Kilometern durchgerechnet. Für einen Kilometer Oberleitungen in beide Richtungen hat es dabei zwei Millionen Euro veranschlagt.

Das Ergebnis: Gegenüber Dieselantrieben könne man bei elektrischen Lkw im Jahr 2030 "für nahezu alle Einsatzprofile einen Vollkostenvorteil erwarten" – also unter Einbeziehung von Stromkosten, Steuern, Versicherung, Maut, Fahrzeugverschleiß, Lohn und Umlage für die Infrastruktur. Im "kostenoptimalen Technologiemix" würden batterie-elektrische Antriebe mit einem Anteil von 68 Prozent der Fahrleistung dominieren. "Für einen Teil dieser Einsatzprofile" – vor allem auf langen Strecken und bei schweren Fahrzeugen – weisen Oberleitungen "leichte Kostenvorteile" gegenüber Hochleistungs-Ladestationen auf.

"Die Entscheidung für eine Oberleitung hängt davon ab, wie man die Probleme mit den Stellplätzen oder einer stabilen Stromversorgung lösen kann", sagt Julius Jöhrens, Hauptautor der Studie. "Wir sind nicht der Meinung, dass Oberleitungen zwingend nötig sind. Die Kosten für Schnellladesäulen und Oberleitungen liegen relativ nah beieinander und hängen von vielen Annahmen ab." In einem Punkt seien die Ergebnisse allerdings "absolut robust", so Jöhrens: Wasserstoff wäre weitaus teurer.

(Bild: Hacker, Plötz (et al., 2020))

Über die Frage, ob und wieweit Wasserstoff trotzdem nötig sein wird, ist die Branche gespalten. Die zu Volkswagen gehörende Traton-Gruppe (unter anderem MAN und Scania) hat sich bereits klar positioniert. "Schon ein einzelner, intensiv genutzter E-Lkw kann pro Jahr so viel CO2 einsparen wie 50 Elektroautos", schrieb Andreas Kammel, Stratege für alternative Antriebe bei Traton, im Tagesspiegel. "Zugleich ist der E-Lkw bereits Mitte der 2020er-Jahre günstiger als sein Diesel-Pendant. Und der Wasserstoff-Lkw ist ökonomisch fast chancenlos."

Gerade im Schwerlastfernverkehr, argumentiert Kammel, hätten rein batterieelektrische Lastwagen die größten Kostenvorteile: "Nirgends sonst wird so intensiv und regelmäßig gefahren. Entsprechend dominant sind die Energiekosten, bei denen der E-Lkw gegenüber Diesel und Wasserstoff aufgrund unschlagbarer Effizienz selbst bei hohen Stromkosten stets im Vorteil ist."

Hersteller wie Daimler, Volvo, Iveco, Toyota oder Hyundai fahren hingegen zweigleisig. So hat Daimler gemeinsam mit Volvo im vergangenen Jahr ein Joint Venture namens Cellcentric gegründet, das ab 2025 in Europa eine Serienproduktion von Brennstoffzellen aufbauen will. Ein Prototyp ist seit einem Jahr im Test. 2027 soll ein Fahrzeug mit bis zu 1000 Kilometer Reichweite in Serie gehen.

"Die Effizienz von Batterien ist besser, das ist klar", sagt Peter Smodej von Mercedes-Benz Trucks. "Aber Wasserstoff kann je nach Anwendungsgebiet bei sehr weiten Strecken und besonders schwerer Ladung mehr Flexibilität bieten." Zunächst einmal stehe aber auch bei Daimler der batterieelektrische Antrieb im Fokus, die Brennstoffzelle komme erst später.

Unterstützung bekommt Daimlers Strategie von einer Studie von VDI, VDE und FZ Jülich: Man brauche deutschlandweit nur rund 70 Lkw-taugliche Wasserstofftankstellen für eine ausreichende Versorgung, während man für Batterieantriebe rund 260 Ladeorte benötige.

Dafür sei aber die Versorgung mit Strom deutlich günstiger als die mit Wasserstoff, konterte MAN-Chef Alexander Vlaskamp: Zum Preis einer Wasserstofftankstelle könne man rund 15 000 Ladepunkte errichten. Trotzdem hält sich auch MAN zumindest eine Option auf Wasserstoff offen. Man plane zwar keine Serienproduktion, wolle aber ab 2024 Testfahrzeuge mit Brennstoffzelle an fünf Testkunden ausliefern. 2035 werden 5 bis 15 Prozent der Elektro-Lkw von Brennstoffzellen angetrieben, schätzt MAN.

Ob und wie schnell sich welche Technik durchsetzen wird, hängt von der Einigkeit der Branche ab. Und davon ist wenig zu spüren. So beteiligt sich bisher vor allem VW-Tochter Scania am Oberleitungsprojekt. "Gespräche mit anderen Herstellern laufen aber", versichert Siemens-Mann Grünjes.

Daimler dürfte vermutlich nicht dazu gehören. "Oberleitungen sind ausgemachter Blödsinn und eine Verschwendung volkswirtschaftlicher Ressourcen", schimpft Martin Daum, Chef von Daimler Truck, bei der Präsentation des Wasserstoff-Trucks GenH2. Unternehmenssprecher Smodej ergänzt: "Oberleitungen sind aufwendig und planungsintensiv. Wir sind ein internationaler Hersteller, da müsste auch europa- und weltweit etwas passieren. Das sehen wir einfach nicht." Ähnlich beurteilt das auch der Bundesrechnungshof, der die Oberleitungsprojekte als Steuerverschwendungen sah.

Damit droht ein Henne-Ei-Problem: Ohne Fahrzeuge kein Netz, ohne Netz keine Fahrzeuge. Julius Jöhrens vom IFEU sieht hier die Regierung in der Pflicht. "Wenn der Staat deutlich kommuniziert, dass Oberleitungen die Zukunft sind, dann bin ich zuversichtlich, dass die Hersteller auch rollendes Material zur Verfügung stellen werden. Aber zu glauben, der Markt wird es schon richten – das hat schon beim Pkw-Ladenetz nicht funktioniert."

Angesichts der polarisierten Positionen zu Oberleitungen und Wasserstoff scheinen Schnellladesysteme der kleinste gemeinsame Nenner aller Akteure zu sein. So wollen Daimler, Traton und Volvo ein Joint Venture gründen, um in den nächsten fünf Jahren 1.700 Hochleistungs-Ladepunkte zu installieren.

Doch egal, welcher Antrieb sich durchsetzen wird – es wird komplizierter. Die Folgen sind schwer abzusehen: Steigen die Transportkosten dadurch, könnte das auf die Preise von Lebensmitteln und Konsumprodukten durchschlagen. Sinken die Kosten, könnte das zusätzlichen Verkehr produzieren. Ein umweltfreundlicher Lkw allein bedeutet schließlich noch keine saubere Lieferkette.

(grh)