Missing Link: Das Phantom der Polizei, oder: die Digitalisierung der Phantombilder

Seite 5: Voraussetzungen, Veröffentlichung und Datenspeicherung

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Allerdings werden Phantombilder nicht nach jeder Straftat erstellt und veröffentlicht. Zudem sollen sie auch nicht immer und ewig aufbewahrt werden. Der zuständige Sachbearbeiter muss für den jeweiligen Fall entscheiden, ob ein Phantombild sinnvoll ist. Es muss (mindestens) einen Zeugen geben, der willens und in der Lage ist, den Täter zu beschreiben. Und §131b StPO regelt die "Veröffentlichung von Abbildungen des Beschuldigten oder Zeugen": Die Straftat muss "von erheblicher Bedeutung" sein, und die anderweitige Feststellung der Identität des Täters "erheblich weniger Erfolg versprechend oder wesentlich erschwert" sein.

Phantombilder werden, je nach Sachlage und Bundesland, nicht immer auch überall veröffentlicht; manche im Intranet der Polizei, andere in Medien wie Zeitung und Internet. Und sie werden je nach Straftat und Bundesland bzw. Landespolizeigesetz unterschiedlich lange aufbewahrt: Bei der Speicherung von Phantombildern in polizeiinternen Datenbanken "handelt es sich nicht um eine Form der Öffentlichkeitsfahndung", betont die Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (BfDI): "Öffentlichkeit in diesem Sachzusammenhang ist gekennzeichnet durch einen unbestimmten Empfängerkreis. Bei polizeiinternen Datenbanken steht der berechtigte Empfängerkreis hingegen fest. Die Zulässigkeit einer Speicherung richtet sich nach den Vorgaben des Polizeirechts."

Generell gilt: "Mit einem Phantombild wird eine Zeugenaussage verbildlicht. Die Erstellung und Aussonderprüffristen richten sich nach den Vorschriften über die Zeugenvernehmung. Bei der Zulässigkeit der Speicherung sind sodann drei Fälle zu unterscheiden", heißt es bei der Bundesdatenschutzbeauftragten, je nachdem, um welche Art Akten es sich handelt. Sind es Ermittlungsakten, Akten zum Zweck der Strafverfolgung, oder sogenannte Mischdateien, die sowohl der Strafverfolgung als auch der polizeilichen Gefahrenvorsorge dienen?

Bei der Veröffentlichung von Phantombildern zur Fahndung müssen unter anderem strafprozessrechtiiche Vorgaben, Datenschutz und Persönlichkeitsrecht beachtet werden

(Bild: Gerd Altmann, Lizenz Public Domain (Creative Commons CC0))

"Die Speicherung in den Ermittlungsakten richtet sich nach den Grundsätzen der ordnungsgemäßen Aktenführung. Zweck ist hier die Dokumentation ordnungsgemäßen Verwaltungshandelns. Zum 1. Januar 2018 tritt zudem das Gesetz über die elektronische Akte in Strafsachen in Kraft. Dann können Strafakten auch elektronisch geführt werden." Für die Speicherung in polizeilichen oder staatsanwaltlichen Dateien ausschließlich zum Zwecke der Strafverfolgung gelten die besonderen Regelungen der Strafprozessordnung. Für die Löschung gelten keine Besonderheiten.

Kriterium ist immer, wie lange die Daten für den zugelassenen Zweck erforderlich sind. Eine detaillierte Regelung u.a. für den Fall der Erledigung eines Strafverfahrens enthält §489 StPO. Darin sind auch abgestufte Aussonderungsprüffristen geregelt. Die tatsächliche Aufbewahrungsdauer kann von Einzelfall zu Einzelfall variieren.

Für die Speicherung in Mischdateien, die sowohl der Strafverfolgung als auch der polizeilichen Gefahrenvorsorge dienen, gelten die Regelungen des jeweils einschlägigen Polizeirechts. Dies betrifft alle großen polizeilichen Informationssysteme. Wie lange das Bild gespeichert werden darf, richtet sich nach der Erforderlichkeit für den mit der Speicherung verfolgten Zweck. "Das ist bei der Einzelfallbearbeitung und auch hier nach bestimmten Aussonderungsprüffristen zu überprüfen. Damit kann die tatsächliche Aufbewahrungsdauer im Ergebnis von Einzelfall zu Einzelfall variieren", sagen die Datenschützer

Erstaunlicherweise haben mehrere LKAs die Fragen nicht beantwortet, bei wie viel Prozent der Straftaten ein Phantombild erstellt wird, wie hoch dann der Anteil an interner bzw. externer Veröffentlichung ist, und in wie viel Prozent der Fälle Phantombilder zur Aufklärung beigetragen haben. Oft kam eine Antwort wie: "Dazu gibt es keine Statistik."

Das Vorgehen bei Phantombildern ist dabei in einzelnen Bundesländern verschieden. "Die meisten Phantombilder betreffen Kapitaldelikte", sagt beispielsweise Joachim Wendt vom LKA Schleswig-Holstein, "aber es gibt auch Anfragen aus anderen Deliktsbereichen. Die Anfragen kommen vor allem von der Kripo mit deren Straftaten, vereinzelt auch von der Schutzpolizei." Ungefähr die Hälfte werde auch in die Öffentlichkeit gegeben, schätzt er. Man müsse aber eine Veröffentlichung selbst in polizeiinternen Medien mit der Staatsanwaltschaft klären. Die Aufhebungsdauer hänge von der betreffenden Straftat ab, beim Mordfall sei sie in der Regel sehr lang.

Es gibt auch pragmatische Überlegungen, wenn es um die interne oder externe Veröffentlichung geht: "Phantombilder kommen erst mal intern in die Fahndung", sagt Antje Schumacher, "damit nicht jeder Hinz und Kunz anruft und sagt, er habe seinen Nachbarn wiedererkannt." Jeder Polizist kann das Bild im Intranet sehen, "die kennen ja auch ihre Pappenheimer, das sind oft Wiederholungstäter, gerade im Bereich Raub. Einer sagt sich dann, Mensch, das ist doch der Kalle aus dem Wedding, da müssen wir doch mal nachhaken und gucken."

In Niedersachsen wird ein Phantombild meist "in Zusammenhang mit Verfahren der mittleren und schweren Kriminalität erstellt", heißt es beim LKA. Für die Veröffentlichung in den polizeiinternen Medien sei die Zustimmung der Staatsanwaltschaft erforderlich, für eine Öffentlichkeitsfahndung müsse ein richterlicher Beschluss vorliegen. Die Aufbewahrungsdauer eines Phantombildes richte sich nach den "allgemeinen Löschfristen" für polizeiliche Daten. In Sachsen-Anhalt wiederum "gibt es grundsätzlich keine Einschränkung auf bestimmte Delikte oder Deliktschwere." Aufbewahrt würden die Phantombilder "zumindest bis zum Abschluss des Verfahrens", erklärt das LKA. "Ansonsten richten sich die Aufbewahrungsfristen nach den rechtlichen Voraussetzungen."

In Nordrhein-Westfalen werden als Straftaten "von erheblicher Bedeutung" genannt, bei denen ein Phantombild erstellt werden könne: "Tötungsdelikte, Raubdelikte, Sexualdelikte, Körperverletzungsdelikte, Verkehrsunfallfluchten, Seriendelikte, Delikte, die eine besondere Aufmerksamkeit oder Beunruhigung in der Bevölkerung ausgelöst haben, medienwirksame Delikte, Verbrechen und Staatschutzdelikte". Der Sachbearbeiter müsse für die Veröffentlichung in den Medien "nach §131b StPO zuvor über die zuständige Staatsanwaltschaft eine richterliche Genehmigung einholen", betont das LKA Nordrhein-Westfalen. "Das fertige Produkt Fahndungsbildmontage wird der anfordernden Behörde überlassen, die es verantwortlich nutzt. Wir im LKA NRW betreiben diesbezüglich keine Datenspeicherung."

In Brandenburg gibt es laut LKA keinen genauen Straftatenkatalog für die Erstellung von Phantombildern. "Es werden aber nicht nur schwere Straftaten bearbeitet. Grundsätzlich liegt diese Entscheidung bei den ermittelnden Sachbearbeitern der Kriminalpolizei." Diese erhalte die Phantombilder auf Papier und digital. Die Ermittler "entscheiden innerhalb ihrer Dienststellen über die weitere Verwendung (Ermittlung oder Veröffentlichung in den Medien oder InPol). Daher kann der Ablauf jedes Mal anders aussehen." Aufbewahrt würden die Bilder dann entsprechend "Verjährungsfristen der Straftaten".

In Baden-Württemberg würden Phantombilder immer dann erstellt, "wenn wir Straftaten dadurch aufklären können. Das ist straftatenunabhängig", sagt Rainer Wortmann: "Wenn wir einen Zeugen haben, der sich an etwas erinnern kann, mit einer bestimmter Einzigartigkeit: Dann können wir ein Phantombild erstellen. Gerade wenn ein Sachbearbeiter keine oder wenig Hinweise auf den Täter hat. Und wenn er schon einen Täterverdacht hat, kann ein Phantombild den stärken - oder auch schwächen."

Phantombilder werden in der täglichen Lagemeldung im Land veröffentlicht: Polizisten, welche im näheren Umfeld tätig sind, würden 80 bis 90 Prozent der Abgebildeten selbst wiedererkennen. Dabei handelt es sich, betont Wortmann, um "keine Veröffentlichung in dem Sinne, da der Personenkreis bestimmt ist, daher ist kein Richtervorbehalt nötig." Für die externe Veröffentlichung des Bildes gelte dagegen der Richtervorbehalt; eine allgemeine Veröffentlichung von Phantombildern sei Delikten wie Körperverletzung, Raub, Mord und Serientaten vorbehalten. Nur etwa 10 bis 20 Prozent der Bilder werden extern veröffentlicht. Die Aufbewahrungszeit richtet sich nach den Datenschutzrichtlinien für die Fallakte.