Missing Link: Das Phantom der Polizei, oder: die Digitalisierung der Phantombilder

Seite 7: Täter-Identifikation

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Die Polizei nutzt Phantombilder, um jemand zu identifizieren. Die Frage ist, wie das am besten gelingt:
Ähnlich oder mit Raum für Interpretationen? Fotorealistisch oder nicht? "Oft wird die Qualität eines Phantombildes von einem Laien und einem Fachmann unterschiedlich bewertet", erläutert dazu das LKA Nordrhein-Westfalen zur "Philosophie" des Phantombildes: "Während bei laienhafter Betrachtung ein 1:1-Abbild mit dem Täter gesucht wird, sieht der Phantombildnutzer das Ergebnis im Kontext mit den Aussagen des Zeugen, dem Tatsachverhalt und den sich daraus ergebenden Ermittlungsansätzen. So ist z.B. aus polizeilicher Sicht eine 'unscharfe' Darstellung sinnvoll, um dem Betrachter und potentiellen Hinweisgeber entsprechenden Entscheidungsspielraum zu geben, ob er die Person tatsächlich kennt. Ziel eines Phantombildes ist es nicht, ein Abbild des Täters zu reproduzieren (was aufgrund unterschiedlicher Faktoren, wie Wahrnehmung, Kommunikation, Umwelteinflüsse und Stress selten gelingt), sondern vielmehr ein Bild, das den potentiellen Hinweisgeber veranlasst, zur Aufklärung der Tat beizutragen. Eine Fahndungsbildmontage ist also kein Beweismittel, sondern ein Fahndungshilfsmittel."

Ähnlich Antje Schumacher vom LKA Berlin: "Es ist ein Phantombild! Kein hundertprozentiges Abbild." Stattdessen müsse man sich langsam an einen Typ "herantasten, der vielleicht nur ähnlich aussieht." So könne man eventuell aber auch andere Tatverdächtige ausschließen. Manchmal gibt es zwei Zeugen, dann entstehen zwei Bilder und die Typen sind gleich – oder auch nicht, denn "die Wahrnehmung ist bei jedem Menschen anders: Brille oder nicht? Vollbart oder Dreitagebart?" Der Zeuge soll das fertige Bild für den Sachbearbeiter bewerten: Nicht ähnlich, ähnlich, sehr ähnlich. Dann wird entschieden: Wird es genutzt? Intern? Oder wäre es auch für eine Öffentlichkeitsfahndung geeignet?

Liane Bellmann vom LKA Hessen wägt ab: "Die Wiedererkennung von so einem Bild braucht viel Phantasie." Phantombilder werden von sehr unterschiedlichen Menschen betrachtet. Das berücksichtigt sie: "Es gibt viele Menschen, die Bildbearbeitung gar nicht kennen." Wenn so jemand dann ein Phantombild sieht, das aus Dummies erstellt wurde, das also wirklich wie ein Photo aussieht, "dann kann es passieren, dass er drauf guckt und sagt, den kenn ich nicht. Das ist die Gefahr, der Nachteil bei fotorealistischen Darstellungen." Aber auch gezeichnete Phantombilder bärgen Risiken: So ein Bild könne ein Betrachter im Geiste zum Gesicht seines Nachbarn "verarbeiten". Sie arbeitet mit FaceGen, das Programm vereine beide Vorteile in sich: Ähnlichkeit, aber man sehe, dass es kein Foto ist. "Wenn ein Zeuge sagt, jetzt sieht es aber gemalt aus, dann sage ich, so soll es sein."

In Thüringen und Sachsen-Anhalt sind Phantombilder schwarz/weiß. Ebenso in Bayern, "um den Betrachtern keine ungenauen Details vorzugeben. So stellt sich beispielsweise der Hautton je nach Tageslicht anders dar. Auch die Augenfarbe kann je nach Umgebungslicht variieren."

So arbeiten die meisten – aber Ausnahmen bestätigen die Regel: Baden-Württemberg veröffentlicht Phantombilder zwar auch grundsätzlich in schwarz/weiß, aber bei einem hohen Wiedererkennungswert wie einer besonders roten Gesichtsfarbe oder T-Shirts in einer bestimmten Farbe auch mal farbig. Auch hier soll das Bild aber nicht wie ein Photo aussehen, "damit der Betrachter größeren Entscheidungsspielraum hat, ob er eine Person kennt oder nicht", sagt Rainer Wortmann.

Ähnlich geht Joachim Wendt vom LKA Schleswig-Holstein vor, wegen der Zeugen: "Das geht beides, aber ich arbeite am Anfang schwarz/weiß." Wenn er Frisur und Kopfform kombiniert, kann er die Merkmale noch leicht einander anpassen. Aber mit einem Farbton kombiniert er etwas sehr anderes, das werde schwierig. Farben könnten jedoch auch sehr wichtig werden, "je nach Erinnerung der Person, etwa bei einem Täter mit hellgelben oder grünen Haaren." In Brandenburg beispielsweise sind Phantombilder meistens schwarz/weiß und nur dann farbig, wenn der Zeuge es will (etwa, um ein rotes Basecap hervorzuheben).

"Farbbilder beinhalten eine gewisse Problematik hinsichtlich der Wahrnehmung in unterschiedlichen Lichtsituationen sowie der Darstellung auf diversen Monitoren und in Printmedien. Insofern wird eine farbliche Darstellung eher vermieden, es sei denn, ein besonderes Merkmal, etwa eine Hautrötung, soll deutlich dargestellt werden", erklärt das Landespolizeipräsidium Saarland.