Missing Link: Das Phantom der Polizei, oder: die Digitalisierung der Phantombilder

Seite 8: Was hilft's?

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Es gibt offensichtlich kaum oder keine Statistiken, sondern höchstens Schätzungen darüber, wie erfolgreich der Einsatz von Phantombildern ist, wie viele Festnahmen die LKAs verzeichnen, und ob ein dafür eingesetztes Phantombild polizei-intern oder extern veröffentlicht wurde.

Antje Schumacher und ihre Kollegen erstellen ungefähr 170 Phantombilder pro Jahr: Sehr vorsichtig schätzt sie die Aufklärungsrate auf etwa 15 bis 20 Prozent. Ähnlich Joachim Wendt, der seit 20 Jahren Phantombildzeichner ist und etwa 50 bis 100 Bilder pro Jahr erstellt. "Ich schätze, dass etwa 10 bis 20 Prozent der Bilder dazu beitragen, dass der Täter gefunden wird, das wären dann 5 bis 20."

Noch höher die Zahlen in Nordrhein-Westfalen: "Ungefähr 25 Prozent unserer ca. 350 Fahndungsbildmontagen pro Jahr führen zum Erfolg. Das bedeutet, dass die veröffentlichte Fahndungsbildmontage die erhoffte Reaktion in der Bevölkerung auslöst und der Sachbearbeiter gezielt diese Person überprüfen kann und sie gegebenenfalls durch weitere Maßnahmen der Tat überführen kann. Allein eine große und verblüffende Ähnlichkeit zwischen Bild und ermittelter Person stellt noch keinen Beweis dar."

In Baden-Württemberg rechnet man damit, dass etwa 30 bis 40 Prozent der Phantombilder "Grund für die Aufklärung einer Straftat" sind. Allerdings führt ein Bild nicht unbedingt zu einer Festnahme. "Manche Bilder zeigen gar keinen Täter, sondern vielleicht Zeugen. Außerdem wird nicht bei jeder Tat ein Täter inhaftiert." Vage bleiben beispielsweise die Bayern, dem bayerischen LKA lägen keine statistischen Erkenntnisse vor. "Es ist jedoch über die Jahre hinweg bekannt, dass immer wieder Straftaten auch mit Hilfe eine Phantombildes geklärt werden konnten. Auf jeden Fall sind Phantombilder als ein wichtiges, zusätzliches Fahndungshilfsmittel anzusehen."

Interessant die Angaben des Facette-Herstellers identi.net: "Den Erfahrungen nach wird rund ein Drittel aller Fälle, bei denen ein Facette-Bild als Fahndungsmittel dient, über das Phantombild aufgeklärt. Jedes dritte Facette-Phantombild führt zum Ermittlungserfolg." Auf Nachfrage zur Quelle für diese Statistik antwortete Geschäftsführer Walter Maschner: "Über den Einfluss von Phantombildern auf den Fahndungserfolg werden keine offiziellen Statistiken geführt. Bei dem von uns genannten Wert geht es um einen Erfahrungswert, der uns erstmals 1990 von einem bayerischen Phantombildzeichner genannt wurde und seitdem von Facette-Anwendern immer wieder in persönlichen Gesprächen, z.B. bei Lehrgängen, bestätigt wird."

In der Wissenschaft ist der Sinn von Phantombildern umstritten: "Die Erstellung von Phantombildern sollte eher vermieden werden. Manchmal sollen Augenzeugen mittels speziell dafür entwickelter Computersoftware das Gesicht eines Tatverdächtigen rekonstruieren. In der Regel sehen die Gesichter, die Augenzeugen mit diesen Programmen erstellen, den wirklichen Verdächtigen nicht sehr ähnlich. Zudem ergab eine neuere Untersuchung, dass Zeugen, die mit diesen Programmen Phantombilder generiert hatten, sich schlechter an den Verdächtigen erinnerten als Zeugen, die kein Phantombild erstellt hatten. Sich auf bestimmter Merkmale eines Gesichts zu konzentrieren, etwa auf die Kinnform, wirkt offenbar störend auf die ursprüngliche Erinnerung an das Gesicht", heißt es in einer wissenschaftlichen Untersuchung aus dem Jahr 2005.

Allerdings kann man auch anmerken, dass manche Phantombildzeichner gerade dies als Pluspunkt für die Arbeit am Phantombild nennen: Dann können die Zeugen endlich vergessen! Genau genommen ergeben beide Sichtweisen jedoch kein reines Argument gegen das Erstellen von Phantombildern. Nicht nur das Erstellen eines Phantombildes, sondern sogar schon das Beschreiben scheint selbst zum Vergessen, genauer "Überschreiben" einer Erinnerung zu führen. Wenn nun aber Zeugen gar nicht beschreiben, weder verbal, noch in der Mitarbeit am Phantombild, findet die Polizei womöglich niemand. So betrachtet, ist die Arbeit am Phantombild als Fahndungshilfe zu betrachten werden. Dabei ist allerdings die grundlegende Problematik von Zeugenaussagen, an was sich wie erinnert wird, noch gar nicht gestreift. (jk)