Missing Link: Service Provider, Internet und Politik – eine langsame Annäherung

Seite 3: Vor allem Standleitungen verkauft

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Das war dann der Start des Service-Providers SpaceNet.

Von Bomhard: Genau. Wir hatten zu der Zeit unsere Schwierigkeiten mit Eunet, die monierten, dass wir um Erlaubnis fragen müssten, um als ihr Reseller anzutreten. Ich habe uns nicht als Reseller gesehen. Eigentlich hab ich ja zunächst vor allem Standleitungen verkauft. Auch mit dem Münchner Xlink-PoP (Point of Presence) war ich über Kreuz. Die mochten mich nicht.

Was war der Grund? Lag es daran, dass Sie nicht aus einem Uninetz kamen und als kommerzieller Anbieter aufgetreten sind?

Von Bomhard: Genau. Aus der Gründungsgeschichte von muc.de kannte ich einige Leute. Frank „Terra“ Simon und Vera Heinau – beide übrigens die Pioniere des Individual Network. Sie haben mich auf die Xlink-PoP-Gruppe aufmerksam gemacht. Das war IsarNet, und ich habe die besucht und gefragt, was brauchen wir, um loszulegen. Bei IsarNet hat man sich aber erst einmal sehr grundsätzlich mit Fragen befasst, welche Kapazitäten braucht es für Newsserver und Mailserver, wie sollen die technischen Konzepte aussehen. Ich habe gesagt, dass ich mich einfach mal um Hardware kümmere. Bis zum Treffen eine Woche später hatte ich Donatus Schmidt von Sun drei Suns rausgeleiert und Martin Twickler von der TLK einen Haufen Telebit-Modems. Ich habe gesagt, okay, lasst uns anfangen. Aber bei IsarNet fand man, dass wir noch nicht so weit waren. Warten kam für mich da nicht in Frage. Ich hatte all den Leuten Hardware abgeschwatzt und fühlte mich in der Pflicht. Also habe ich meine Geräte angeschlossen, mit dem LRZ verhandelt und eine Standleitung bestellt und innerhalb von drei Wochen war ich online. Klar, ich musste mir noch ein Buch kaufen, in dem drin stand, was ein Provider alles wissen muss, „in a nutshell“. In gewisser Weise war ich vielleicht auch konservativer als der klassische Techie, gar nicht rechts. Aber aufgrund meiner Beratungsjobs kam ich mit geputzten Schuhen und ich kam nicht aus der Uni.

Und woher kam dann die Internetverbindung?

Von Bomhard: Wegen der Unstimmigkeiten mit Isarnet/Xlink bin ich letztlich nach Karlsruhe gefahren und habe dort mit Professor Rotert gesprochen und mir dort einen Vertrag erbeten. Ein Xlink-Mitarbeiter hat mich dabei übrigens immer sehr neutral beraten und hat mir gesagt, die wollen dich alle absägen, die mögen dich nicht – das war Arnold Nipper. Dem habe ich wirklich viel zu verdanken. Er hatte die Weitsicht zu sagen: Was soll der Hickhack? Das Internet ist eine tolle Sache und wenn wir uns bekriegen, nimmt uns am Ende doch noch die Telekom alles weg. Ziemlich dankbar bin ich Dave Morton, der beim Siemens European Computer Research Center (ECRC) still und heimlich selbst einen Provider gegründet hat und mir später, als das mit Xlink doch in die Brüche gegangen war, Netzzugang geboten hat. Zugleich hat er mich gedrängt, endlich selbst unabhängiger Provider mit eigenem AS (Autonomes System) und Routing zu werden. Ich habe anfangs einfach gedacht, ich muss ja nicht alles selber machen, ich will nur Internet kaufen. Dave hatte aber einfach nur Recht. Zusammen haben wir auch noch versucht, die Kommerzialisierung des Domainmarkts zu verhindern, was uns sagenhaft misslungen ist.

Warum wollten Sie denn die Kommerzialisierung des Domainmarkts verhindern?

Von Bomhard: Es war ein Paradigmenwechsel. Wir fanden, jede Organisation und jeder Mensch braucht maximal eine Domain. Denn der Raum an vernünftigen Namen ist ja begrenzt, und da kamen schon die ersten Pharmafirmen, die gerne 800 Begriffe reservieren wollten. Natürlich haben die so viele eingetragene Marken. Aber was hindert eine Beiersdorf daran, die Namen unter seiner Beiersdorf-Domain zu registrieren? So war der hierarchische Namensraum doch mal gedacht. Als nächstes kamen dann mir noch weniger sympathische Leute, die Domainhändler und Grabber. Die haben dann allen, die nicht schnell genug waren, ihre Namen weggeschnappt. Das war eine einzige Streiterei. Ich habe viele Aufträge von Kunden bekommen, ihre Namen wiederzubeschaffen. Darunter war übrigens auch der Flughafen München, der mich damit betraute, diesen Widerling zur Strecke zu bringen, der die Domain muc.de hat (lacht).

Wie ging das denn aus?

Von Bomhard: Ich habe empfohlen, das IATA-Kürzel MUC als eine der ersten Domains in der damals neu geschaffenen Top-Level-Domain .iata zur registrieren. Der Flughafen selbst heißt ja auch gar nicht MUC, sondern FJS. Zudem habe ich geraten, die Domain flughafen-muenchen.de beziehungsweise airport-munich.de zu nehmen. Das hat wunderbar geklappt. Es ging mir bei den Domainfragen gar nicht um irgendein Dogma, sondern darum, einer extremen Kommerzialisierung schlichter Kennzeichen – so habe ich Domains verstanden – entgegenzuwirken. Gefallen hat mir, dass wir mit der Denic anders als bei .uk und .at auf einen flachen Namensraum gesetzt haben.

Sie waren viele Jahre im Aufsichtsrat der Denic, 2007 aber kam es zur Auseinandersetzung über die Trennung von Sabine Dolderer. Was ist passiert?

Von Bomhard: Anlass für die Trennung von Sabine war damals, dass sie praktisch in Eigenregie einem Mitglied Sonderkonditionen für den Massenumzug von Domains zugestanden hat. Das kostete normalerweise ein Euro pro umgezogener Domain und das Mitglied wollte das nicht bezahlen, weil das wegen der vielen Domains ein großer Batzen gewesen wäre. Meiner Meinung nach verstieß die Sonderregelung gegen die Idee der Genossenschaft. Ich musste mir damals viel Kritik anhören wegen der Trennung von Sabine, die der Aufsichtsrat aber insgesamt mitgetragen hat. Als es sich hinterher einzelne Aufsichtsratsmitglieder anders überlegt haben, war die Trennung unvermeidlich. Rückblickend war es okay, wenn auch schade. Ich hätte gerne mein Zehnjähriges in der Denic noch erlebt und wäre gerne unter anderen Umständen ausgeschieden. Aber ich hatte danach viel mehr Zeit für eigene Projekte.