Missing Link: Service Provider, Internet und Politik – eine langsame Annäherung

Seite 9: Vorratsdatenspeicherung als Büchse der Pandora

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Was ist das eigentliche Gegenargument?

Von Bomhard: Also wenn schon VDS, dann möchte ich doch bitte erheblich mehr. Dann möchte ich die Inhalte gleich speichern. Dann möchte ich den Mitschnitt und die unbegrenzte Speicherung aller Kamerabilder. Denn dann habe ich endlich wirklich etwas in der Hand. Wenn ich schon dabei bin, könnte ich auch jedem Bürger einen RFID-Chip verpassen. Warum machen wir das eigentlich nicht? Wir verzichten auf ein gutes Werkzeug, um Verbrechen zu bekämpfen.

Auf der schiefen Bahn zum Überwachungsstaat.

Von Bomhard: Nicht alle Leute verstehen Satire. Kurz gesagt, das ist die Büchse der Pandora, selbst wenn ich ein so lächerliches Datum wie das Einwahldatum mit der zugehörigen IP speichere. Sinnlos.

Kann der deutsche Gesetzgeber durch Sonderspeziallösungen vorangegangene EUGH-Urteile wirklich noch übergehen?

Von Bomhard: Das ist genau der Trick und das ist es, was ich der deutschen Politik so ankreide. Sie ist manchmal nur durch Machtpolitik und den Willen, etwas durchzusetzen, getrieben. Die haben gelesen, was der EUGH geschrieben hat und die haben gelesen, was das Verfassungsgericht geurteilt hat. Und dann ist dieser Blödsinn herausgekommen, der im Ernstfall nicht nur nichts nützt, sondern wegen der extremen Löschpflichten sogar schaden kann. Es gab mal eine Abrede zwischen Providern und Polizei, dass wir sie unterstützen, wenn es um Kindesmissbrauch geht. Wenn das Gesetz morgen in Kraft tritt, ist es damit aus. Das Ganze ist eine Kopfgeburt und ein mittlerweile verstorbener CSU-Abgeordneten hat mal eingeräumt: Natürlich ist das Gesetz Quatsch, aber es ist dem Bürger nicht zu vermitteln, dass wir jetzt einknicken, das ziehen wir jetzt durch.

Sprechen wir kurz über den jüngsten Aufreger. Zeigt die Affäre des Trump-De-Platforming, dass Politiker sensibler darauf reagieren, wenn verordnete Sperrungen sie selbst treffen?

Von Bomhard: Natürlich. Sie wollten ja nur die Stammtischgröler mundtot machen. Jetzt erleben sie, dass gleiches Recht für alle gilt, und wenn die allerschlimmsten ihrer eigenen Kaste unterwegs sind, dann trifft es halt auch mal ihre Kaste.

Müssen die großen Plattformen reguliert werden, mit dem NetzDG?

Von Bomhard: Es müssten viele Weichen gestellt werden. Das Netz berechtigt einen nicht, Dinge zu tun, die man ohne Netz auch nicht dürfte. Wenn ich jemanden beleidige, muss ich damit rechnen, dass sich der Beleidigte wehrt. Man müsste erreichen, dass jeder eindeutig zu erkennen ist im Netz. Politiker, die da sofort mit ihrer Klarnamenpflicht kommen, sind für mich der Brüller schlechthin. Ich meine vielmehr, wir sollten die Eintragung von Pseudonymen im Personalausweis erlauben. Man könnte also Herr Biedermann oder Zwerginator heißen. Die Pseudonyme wären hinterlegt, würden aber nicht auf dem Ausweis erscheinen. Wenn ich mich auf einem Forum unter Pseudonym danebenbenehme, findet man mich. Denn Zwerginator ist eine ladungsfähige Adresse. Auch im Netz gelten Regeln des Anstands. Vielleicht muss man etwas mehr aushalten. Übrigens ist auch nicht neu, was gesagt wird. Ich denke mal, hätten die Politiker alle Stammtische verwanzt, wären sie später nie auf die Idee gekommen, sich über das Netz aufzuregen.

Wer sollte denn nun verantwortlich sein dafür, Trump zur Ordnung zu rufen?

Von Bomhard: Die Kultusministerkonferenz. Die müsste sagen, wenn schon die alten Generationen verloren sind, müssen wenigstens die Jungen genug Medienkompetenz haben, um zu wissen, das ist ein alter Mann, der blöde Sprüche absondert. Was mache ich denn mit dem, der mir in der Fußgängerzone entgegen torkelt und schreit, die Juden sind unser Unglück? Gar nichts. Ich höre dem nicht mal zu. Ich weiß doch gleich, das ist ein Depp. Trump war ein sehr mächtiger Depp, aber dem kann man nur mit Medienkompetenz beikommen. Zudem ist nicht „realtrump“ das Problem, sondern die „nichtrealtrumps“, die ja noch viel dümmere Sachen geschrieben haben und sich niemals dafür verantworten müssen. Die oft nur Accounts anlegen, um sich aufzuführen, dann sofort gesperrt werden und wieder einen neuen Account aufmachen. Das ist eine Hydra. Bei der Hydra Köpfe abschlagen, hat ja noch nie funktioniert. Die wachsen nicht nur nach, schlimmer, es wachsen gleich zwei. Also all diese Maßnahmen zur Filterung und Sperrung nützen doch nichts. Vielmehr braucht man eine Gegenkampagne, die sagt, schaut Euch diesen Deppen an und wählt ihn halt nicht, und es war knapp, aber es hat doch funktioniert. Da brauch ich niemanden sperren. Natürlich ist es schwierig, wenn Trump mit konstanter Bosheit die Unwahrheit sagt. Wird es besser, wenn ich ihn sperre? Nein, ich schaffe bloß einen Märtyrer. Er hat aufgedeckt, dass die Wahl gefälscht war, und jetzt bekommt er einen Maulkorb verpasst, damit er diese Wahrheit nicht mehr äußern darf. Es muss dringend etwas geschehen, also wir erobern jetzt das Weiße Haus. Es nutzt überhaupt nichts, dem Trump das Rederecht wegzunehmen.

Also kein NetzDG?

Von Bomhard: Das NetzDG ist ja der Oberwitz. Erstens haben viele es missverstanden und sprechen vom Netzdurchsuchungsgesetz. Aber wenn man sich das Netzwerkdurchsetzungsgesetz mal auf der Zunge zergehen lässt, ist das auch eine wunderbare Sache. Es soll ja nicht das Netz durchgesetzt werden, sondern etwas im Netz. Aber was denn nun, Recht und Ordnung ja wohl nicht. Statt Recht durchzusetzen, wird ja nur ausgeblendet und übertüncht. Wenn wir durchsetzen wollen, dürfen eben nur registrierte Nutzer sich äußern. Die Impressumspflicht hat schon einen Sinn. Wie sinnlos das Übertünchen ist, zeigt die alte Auseinandersetzung um die Inhalte des Holocaust-Leugners Zündel. Den sollten deutsche Provider sperren, nachdem er mit seinem Zeug auf kanadische Server ausgewichen war. Wir haben das gemacht, nur um zu zeigen, wie sinnlos das war. Das Holocaust-Center in Washington hat übrigens die interessanteste Antwort auf die deutschen Maßnahmen gehabt. Die haben die Zündel-Server gespiegelt mit dem Argument, jetzt geht es schon wieder los in Deutschland mit der Zensur.

(tiw)