Missing Link: Service Provider, Internet und Politik – eine langsame Annäherung

Seite 6: Vom Wandel des ISP-Markts in Deutschland

Inhaltsverzeichnis

Wie sehen Sie das ISP-Sterben in den vergangenen Jahren?

Von Bomhard: Das Wort ISP-Sterben bringt uns in eine falsche Schlussfolgerungsspirale. Die Frage ist doch mehr, was wird aus diesen Unternehmen. Ein paar haben ihre Kundenzahl so weit reduziert, dass sie am Ende für einen einzelnen Kunden die komplette IT gemacht haben und sind vielleicht Systemhaus geworden. Manche haben ihre Marken abgegeben, mit denen sie im Internet groß geworden sind. Uns gibt es noch, aber auch wir haben unser Geschäftsmodell total verändert. Die SpaceNet, wie sie 1995 existierte, gibt es nicht mehr. Ich selbst konnte mal am Geräusch eines sich konnektierenden Modems feststellen, ob es ein Trailblazer oder ein Robotics oder sonst was ist.

Weil Sie Hobbymusiker sind?

Von Bomhard: Nein, weil ich es so oft gehört habe. Das ist heute ungefähr so interessant wie Keilschrift oder Assyrisch. Das braucht keiner mehr. Heute haben wir dagegen mit vielen Dingen zu tun, die gar nicht Internet sind. Mit internen Portalen unserer Kunden, die niemand im Internet sieht. Altmodisch sind wir in der Hinsicht, dass wir noch den Ehrgeiz haben, alles aus einer Hand zu liefern. Wir haben eine Webabteilung gegründet, sobald es das Web gab. Wir haben eine Sicherheitsabteilung. Wir haben eine Outsourcing-Abteilung. Wir betreuen ganze Landschaften. Ich weiß nicht, wie lange das noch Zukunft hat.

Das klingt nach Full-Service-ISP, aber wo gibt es das noch?

Von Bomhard: Bei Spacenet. Aber wir sind nicht die einzigen. Ich werde jetzt nicht die Namen aller schrecklichen Wettbewerber aufzählen.

Die Zahl hat aber abgenommen, oder?

Von Bomhard: Die Zahl hat abgenommen und die Größe hat dafür zugenommen. Wir sind heute auch über 100, das brauchen wir, um glaubwürdig Kundenprojekte zu machen. Ich verstehe die Leute, die ihre Selbstständigkeit aufgegeben haben. Die haben mit viel Eigeninitiative einen Laden aufgebaut, wollten aber nicht immer weiter wachsen und den an die Börse bringen und dann über eine Exit-Strategie nachdenken. Mancher hat sich irgendwann mal die Sinnfrage gestellt und wenn dann jemand mit einem ordentlichen Scheck wedelt – und die Beträge, mit denen vor meiner Nase gewedelt wurden, waren durchaus beeindruckend (lacht) –, dann kann der ein oder andere sich entscheiden, dass er herausgeht.

Also gab es keinen Konzentrationsprozess?

Von Bomhard: Doch. Der Konzentrationsprozess ist der gute Ausdruck dafür, das Sterben der schlechte. Übrigens war der Börsengang auch mal ein Thema für uns. Das war in der Zeit, als alle unsere Wettbewerber mit Geld um sich geworfen haben. Sie haben Kunden zu Preisen akquiriert, bei denen wir draufgezahlt hätten – und die haben auch draufgezahlt. Da habe ich entschieden, damit wir das überleben, gehen wir auch an die Börsen. Wir haben die Firma schnell in eine AG umgewandelt, das war auf jeden Fall gut. Nach längerer Beschäftigung – die Einschläge am Neuen Markt kamen auch schon näher – habe ich mich gefragt: Was bringt es wirklich? Wir können mit Marketinggeld um uns werfen, okay. Aber was ist das Ziel? Und mit Erschrecken habe ich festgestellt, dass der einzige vernünftige Exit ist, dass das Ding dann weiter zukauft, bis es sich so überfressen hat, dass es von jemand anderem geschluckt wird. Oder dass es eben nicht mehr die Firma ist, die es vorher war. Dann haben wir den Börsengang abgeblasen, obwohl wir ganz schön Geld ausgegeben hatten.