Missing Link: Service Provider, Internet und Politik – eine langsame Annäherung

Seite 7: Fördermittel großflächig ausgeschüttet, von wenigen eingesammelt

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Gibt es den Markt für regionale Carrier in Deutschland noch?

Von Bomhard: Nein. Das ist ein Politikum, zu dem ich wohl besser gar nichts sagen sollte.

Schade.

Von Bomhard: Wir wissen ja, es gibt ein Staatsunternehmen, ein ehemaliges oder verdecktes. Das hat den Markt geprägt. Ich hatte Kunden, die in diesem Markt unterwegs waren. Bei manchen hätte ich mich sogar beteiligt. Aber es war immer dasselbe, die sogenannten Fördermittel wurden großflächig ausgeschüttet und von wenigen Unternehmen eingesammelt. Nur haben die an keiner Stelle sofort geliefert, sondern stets erst dann, wenn ein alternatives Konzept drohte. So haben wir alles abgehängt, was Region war. Die sind erst Jahre später erschlossen worden. Eine Zeitlang habe ich es subversiv versucht und Bürgermeistern erklärt, dass sie nur so tun müssten, als ob jetzt jemand käme, weil dann kommt ja jemand und macht was, bevor sich Konkurrenz breitmacht. Ein paar haben das tatsächlich gemacht. Es hat jedes Mal funktioniert.

Hat die Telekom nicht auch beim Verkauf des Kabels klug regionale Anbieter, gerade auch in Bayern, verhindert?

Von Bomhard: Aus der Sicht der Politik muss man sich die Frage stellen, ob es klug war, eine Firma, die bis dahin noch eine wohlbestallte Behörde war, so ins kalte Wasser zu werfen und zugleich von ihr zu verlangen, dass sie jedes Jahr Fantastillionen an Dividenden rausrückt und gleichzeitig noch dafür sorgt, dass sie Monopolist bleibt. Das zarte Pflänzchen des Markts war nur ein Feigenblatt und als solches war es auch gedacht. Warum ich mich so bemerkenswert schlecht im Markt der Carrier auskenne, kommt daher, dass ich keiner bin. Genau deswegen. Es war völlig sinnlos, sich da zu engagieren. Aber man soll ja nicht immer nur kritisieren, sondern selbst liefern. Also, wie hätte ich den Carriermarkt reguliert und die Regionen angeschlossen? Ich hätte jede einzelne Gemeinde ausgeschrieben und zunächst natürlich ein lokales Monopol bewilligt. Wer dort gräbt, ist für drei Jahre König. Aber es gewinnt der die Ausschreibung, der Endverbraucherpreise in der günstigsten Form garantieren kann. Das bedeutet nicht, dass die Konditionen, wie die Politik es wollte, überall gleich sind. Wir haben auch nicht überall die gleichen Mietpreise. Aber auf die Art und Weise hätte eine kleine innovative Firma mit Funkverbindung oder vielleicht einfach nur einem DSLAM eine Gemeinde erschließen können. Die Monopolfrist wäre übrigens ab Auftragserteilung gelaufen, nicht ab Fertigstellung. Was glauben Sie, wie schnell da Netze entstanden wären? Ach ja, und wenn es nach einem Jahr nicht steht, wird neu ausgeschrieben.

Kommen wir zur Lernfähigkeit der Politik: Wie erfolgreich war denn Laptop und Lederhose?

Von Bomhard: Da bin ich nicht so ganz der Richtige. Ich will auf keinen Fall „gscheidhaferln“ (ein Gscheidhaferl ist ein Klugschwätzer, Anm. d. Red.). Das mag ich nicht. Was ich sagen kann: von den Projekten, die mit Erlösen aus dem Verkauf des bayerischen Tafelsilbers finanziert wurden, sind mir nur solche bekannt, die nicht funktioniert haben. Aber Bayern ist heute ein IT-Schwergewicht, irgendwie muss es also doch etwas geholfen haben. Wozu ich mehr weiß, sind Edmund Stoibers Ankündigungen von einem freien Netzzugang für alle Bayern. Dass die Bayern durchaus schon im Internet waren, war offenbar unbekannt, genauso wie muc.de. Als Stoiber auch noch verkündet hat, alle Bayern sollen kostenlos ins Netz, wurden wir etwas nervös. Unsere Kunden haben natürlich gesagt, dann müssen wir der SpaceNet ja kein Geld mehr bezahlen. Der für Bayern Online zuständige Staatssekretär hat mir erklärt, ich müsse nur die Zähne zusammenbeißen. Wenn sich der Nebel gelichtet habe, werde es in Bayern viel mehr Aufmerksamkeit für Internet geben und viel mehr Kunden für uns. Denn wenn alle Bayern im Internet seien, ließen sich eine Menge Webserver verkaufen, um kommerzielle Plattformen anzubieten. Mit Stoiber hat mich das nicht versöhnt. Aber in der Regierung arbeiten gerade hinter den Kulissen ja auch gute Leute.

Der freie Zugang im Freistaat kam dann aber nicht.

Von Bomhard: Genau. Aus dem freien Zugang wurden ein paar Modems unter dem Bett eines Bürgernetzvertreters. Stoibers mächtige Server wurden das Projekt Bayern Online. Das hatte sich, wer sonst, die Fraunhofer Gesellschaft unter den Nagel gerissen hatte. Es gibt bei uns immer nur drei Kandidaten: es ist Fraunhofer oder Siemens oder die Telekom. Telekom ist in München als auswärtige Behörde schwierig, also bleiben nur Siemens und Fraunhofer. Wir wurden leider nie gefragt, obwohl wir damals gerade ein tolles Projekt hatten. Wir hatten nämlich für unseren Kunden Compuserve einen Internetzugangsdienst für jedermann vorbereitet. Es war alles fertig. Und was ist passiert? Compuserve wurde an AOL verkauft und AOL wollte die Leute natürlich auf ihre eigene Plattform holen. Vermutlich hat AOL Compuserve nur wegen der Kunden gekauft, die einen besseren Ruf hatten als die AOL-Kunden.

Die Inhaftierung von Felix Somm hatte damit nichts zu tun?

Von Bomhard: Das war ein Jahr später. Da standen wir alle mit einem Bein im Gefängnis, nicht nur Somm. In diesen Jahren wurde gegen mich ermittelt wegen der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung. Ich hatte nur Glück, dass bei mir Kinderpornografie nie erwähnt wurde. Aber wie Somm habe ich eben Leitungen betrieben und Serverfarmen. Man hat damals dann von mir verlangt die Route zum niederländischen Provider XS4all zu sperren. Ich habe argumentiert, dass XS4all nicht nur diese Bahnanlagen-Sabotier-Anleitung hatte, sondern tausende Kunden, die wir alle mit gesperrt hätten. Dann wollte man, dass wir den Nameserver-Eintrag umbiegen. Auch das war aus unserer Sicht kein geeignetes Mittel, weil sich in fünf Sekunden ein neuer Server aufsetzen lässt. Alles ziemlich sinnlos. Der Generalbundesanwalt hat gegen mich ermittelt und mein Urururgroßvater, der mal Justizminister war, hat sich wohl im Grab umgedreht. Zu gerne hätte ich den Generalbundesanwalt daher gezwungen, selbst die Hosen herunterzulassen. Ich wollte, dass er entweder ein ordentliches Verfahren gegen mich eröffnet oder dass er klar Abstand davon nimmt, uns mit seinen sogenannten Vorbescheiden zu erpressen.