Motorrad-Bestseller 2022: Es läuft noch
Das Jahr 2022 war geprägt von einem weiteren Rückgang nach dem pötzlichen Aufstieg und Fall in den beiden Jahren davor. Es genügte noch für ordentliche Umsätze.
![](https://heise.cloudimg.io/width/610/q85.png-lossy-85.webp-lossy-85.foil1/_www-heise-de_/imgs/18/3/6/7/8/0/5/3/11-1aab36d3a891d638.jpeg)
- Ingo Gach
Der deutsche Motorradmarkt war 2022 durchwachsen. Die Zulassungen vieler Marken lagen unter denen des Vorjahres, für ordentliche Umsätze genügten sie aber noch. Insgesamt ging der Markt um 7,2 Prozent auf 107.992 Neuzulassungen bei den Motorrädern über 125 cm3 zurück.
Nach 2020, als Covid-19 den Motorradabsatz in Deutschland in ungeahnte Höhen von 132.126 Neuzulassungen trieb, war zu erwarten, dass die Zahlen wieder sinken würden. So war 2021 das Minus von 11,9 Prozent noch gut zu verkraften, dass es aber 2022 erneut für einige Hersteller deutlich abwärts ging, war schon unangenehmer. Bei einigen Modellen spielten allerdings die Lockdowns und die daraus resultierenden Engpässe immer noch eine Rolle.
Es reichte, wenn ein einziger Zulieferer die benötigten Teile nicht liefern konnte, dass die Produktionsbänder stillstanden. Dennoch zeigte sich die Lage bei den Lieferketten wesentlich entspannter als noch 2021. Dass es in Deutschland bei den Krafträdern insgesamt – alle Fahrzeug- und Hubraumklassen zusammengerechnet – mit 201.433 Neuzulassungen sogar ein leichtes Plus von 0,7 Prozent gab, hat der Markt den Kraftrollern und Leichtkraftrollern mit einem Zuwachs von 19,7 Prozent bzw. 14,4 Prozent zu verdanken.
Mittelklasse-Reiseenduros im Trend
Auffallend ist, dass sich die PS-starken Reiseenduros, abgesehen vom Bestseller BMW R 1250 GS, nicht mehr ganz so erfolgreich verkauften, der Trend ging hier zu den eher moderat motorisierten Reiseenduros wie Yamaha 700 Ténéré (Test) mit 73 PS und Honda CRF 1100 Africa Twin mit 102 PS. Am angesagtesten waren 2022 die Naked Bikes der Mittelklasse, fünf Modelle in den Top Ten gehörten zu der Kategorie.
Lesen Sie auch
Klasse Mitte: Motorrad-Mittelklasse im Trend
Auch einige Modelle der leistungs- und preismäßigen Oberklasse bei den Naked Bikes, wie die BMW S 1000 R, Suzuki GSX-S 1000 und KTM 1290 Super Duke R, verkauften sich gut. Bei den Sporttourern zeigte sich ein Abwärtstrend und völlig out waren die reinen Tourer.
Sportmotorräder besser als erwartet
Erstaunlich erfolgreich schlugen sich einige vollverkleideten Sportmotorräder: Auch wenn sich mit Ausnahme der BMW S 1000 RR (Test) die PS-Oberklasse kaum noch losschlagen ließ, landeten die Mittelklasse-Sportler Aprilia RS 660 und die Honda CBR 650 R relativ weit vorne in der Verkaufsstatistik. Auch bei den Cruisern war die Lage gespalten: Kleine Cruiser wie die Honda CMX 500 Rebel und die Kawasaki Vulcan S erwiesen sich wegen ihrer günstigen Preise als sehr begehrt, die großen Cruiser fanden dagegen nur noch wenige Liebhaber. Kurios zeigte sich die Kategorie Supermoto: Es gibt so gut wie keine Supermoto-Modelle mehr, aber die KTM 690 SMC R und die fast identische Husqvarna 701 Supermoto halten seit Jahren Spitzenplätze um Rang zehn bei den Neuzulassungen.
Lesen Sie auch
Single-Party: KTM 690 SMC R
Wenige Elektromotorräder
Die Elektromotorräder haben einen schweren Stand, daran hat sich 2022 nichts geändert. Auch wenn ein Zuwachs von 103,3 Prozent zunächst eindrucksvoll klang, waren es in absoluten Zahlen nur 1606 Neuzulassungen mit Elektroantrieb und davon landeten zum Jahresende offensichtlich viele per Tageszulassung in der Statistik, denn im November belief sich die Zahl noch auf 1374. Allerdings gab es bei den Elektrorollern mit 8026 Stück einen deutlichen Aufwärtstrend von 191,2 Prozent zu vermelden, wobei auch hier im Dezember noch viele Tageszulassungen dazu kamen – bis November waren es nur 6425 Neuzulassungen gewesen.
Warum gibt es so wenige große E-Motorräder?
Platz 1: BMW
Für BMW Motorrad gab es 2022 bei den Neuzulassungen eine gute und eine schlechte Nachricht. Die Gute: Die bayerische Marke war mit 22.973 Neuzulassungen immer noch mit Abstand der erfolgreichste Motorradhersteller auf dem deutschen Markt. Die Schlechte: ein Minus von 14,0 Prozent.
An der R 1250 GS lag es nicht, die Reiseenduro war mit 8530 Stück mal wieder der absolute Primus unter den Neuzulassungen, obwohl sich vermutlich etliche Käufer noch zurückhielten, weil längst bekannt war, dass 2023 voraussichtlich die Nachfolgerin R 1300 GS kommen wird.
(Bild: BMW)
Die zweiterfolgreichste BMW tauchte in Gestalt der S 1000 R mit 1228 Einheiten erst auf Rang 15 auf, die F 900 R kam mit 1039 nur auf etwa die Hälfte der Neuzulassungen vom Vorjahr und landete auf Rang 22. Somit erreichten nur drei BMW-Modell mehr als tausend Neuzulassungen, 2021 waren es noch acht Modelle gewesen.
Das Superbike S 1000 RR fand immerhin noch 985 Käufer und erreichte Platz 26, von der S 1000 XR wurden 2022 mit 967 rund 450 Stück weniger verkauft, was Rang 28 bedeutete. Einen brutalen Absturz musste die R 18 hinnehmen: BMW konnte 2021 noch 1304 Stück des damals brandneuen Modells losschlagen und der riesige Boxer-Cruiser erreichte Rang 18, 2022 waren es nur noch 669 Neuzulassungen und Platz 50. Das nennt man wohl eine rasche Marktsättigung.
Holz voa de Fiaß: Test BMW R 18
Platz 2: Honda
Honda hatte am Jahresende zum Schlussspurt angesetzt und Kawasaki im Dezember noch mit 11.657 Neuzulassungen überholt. Trotzdem weist die Bilanz ein heftiges Minus von 19,4 Prozent aus. Für den größten Motorradhersteller der Welt, der es im Geschäftsjahr 2022 weltweit auf 17 Millionen produzierte Krafträder brachte, ist der deutsche Markt von den Verkaufszahlen her lächerlich, fürs Prestige sehr wichtig.
(Bild: Honda)
Hondas Bestseller hierzulande ist weiterhin die Reiseenduro CRF 1100 L Africa Twin, mit 1964 Neuzulassungen belegte sie Rang fünf. Überraschend kam das elegante Naked Bike mit dem sperrigen Namen CB 650 R Neo Sports Cafe auf Platz acht mit 1644 Stück, nachdem es im Vorjahr nur zu Rang 16 gereicht hatte. Der kleine Cruiser CMX 500 Rebel blieb ein Dauerbrenner in den Top Ten: Platz zehn mit 1413 Neuzulassungen. Durchaus beachtenswert war, dass mit der Honda CB 650 R ein vollverkleideter Sportler mit 1045 Stück auf Platz 21 kam.
Die seit Ewigkeiten beliebte Einsteiger-Honda CB 500 F schwächelte auf Platz 34 mit 879 Stück und damit fast ein Viertel weniger als im Jahr zuvor. Ins Bodenlose stürzte die NC 750 X ab: 2021 lag sie noch auf Rang zwölf mit 1576 Neuzulassungen, 2022 rutschte sie auf Platz 37 mit nur noch 823 Stück ab – ihr Design wirkte inzwischen zu altbacken, da rettete auch der niedrige Preis nichts mehr. Viele davon dürften auf Tageszulassungen im Dezember zurückzuführen sein, denn im November lag die NC 750 X noch bei nur 700 Stück.
Motorradbestseller 2022 - Platz 1 bis 10 (10 Bilder)
![](https://heise.cloudimg.io/width/696/q50.png-lossy-50.webp-lossy-50.foil1/_www-heise-de_/imgs/71/3/6/7/7/9/1/4/01-f869d811e62961a1.jpg)
BMW R 1250 GS
Platz 3: Kawasaki
Auch bei Kawasaki gab es Licht und Schatten: Mit 11.327 Neuzulassungen blieb die Marke auf Platz drei, aber es waren 7,1 Prozent weniger als im Vorjahr. Das ungebrochen erfolgreiche Naked Bike Z 900 belegte mit 3599 Neuzulassungen erneut Platz zwei und die kleinere Schwester Z 650 Rang sechs mit 1771 Stück. Die beiden aggressiv designten Modelle profitierten nicht zuletzt von ihren relativ günstigen Preisen.
(Bild: Kawasaki )
Das Retro-Bike Z 900 RS erreichte beachtliche 1206 Neuzulassungen und damit Platz 16, vermutlich half ihm das 50. Jubiläum der legendären Kawasaki Z 900, was den Hersteller veranlasste, eine Jubiläums-Edition herauszubringen. Die Vulkan S ist der Beweis, dass sich Cruiser noch verkaufen lassen, wenn sie nur billig genug angeboten werden, sie brachte es mit 1017 Neuzulassungen auf den 24 Rang. Auf Platz 35 tauchte der neue Retro-Ableger der Z 650 auf: Die Z 650 RS geriet ausgesprochen hübsch und überzeugte 844 Käufer.
Frankensteins schöne Tochter: 50 Jahre Kawasaki 900 Z1
Die Ninja 650 darf sich auf ihre 774 Neuzulassung und Rang 40 durchaus etwas einbilden, denn eigentlich verkaufen sich reine Sportler so gut wie gar nicht mehr, auch hier war der Preis wohl entscheidend. Was Kawasaki für noch bessere Verkaufszahlen im Portfolio fehlte, waren attraktive Reiseenduros, denn die alten Versys-Modelle fanden kaum Käufer.