Warum sind Motorräder so ineffizient?

Seite 2: Sind Motorräder wirklich rückständig?

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Die Konzentration auf sportliche Sauger-Ottomotoren geht dann Hand in Hand mit der Nutzung: Die Fahrer geben gern und viel Gas, was viel Energie kostet. Im Golf 1.0 kannst du gern und viel Gas geben und trotzdem effizienter fahren, weil der einfach nicht stark beschleunigen kann.

Mein wahlloses Eingangsbeispiel mit der Super Duke ist da nicht einmal besonders extrem. Aktuelle Superbikes haben (ohne Fahrer) mehr PS als kg – mit Saugmotoren! Blättern Sie ruhig weiter in Ihrem Autokatalog, was in solchen Sphären überhaupt noch vierrädrig existiert. Notieren Sie den Preis. Notieren Sie den Verbrauch. Schauen Sie dann auf z. B. eine Honda Fireblade. So rückständig schaut sie plötzlich nicht mehr aus.

Dasselbe Bild in elektrisch: Eine Zero SR/S verbrauchte im Test 9 bis 12 kWh/100 km brutto. Ein vergleichbar getretenes Auto nimmt dabei 30 bis 40 kWh, meist ohne vergleichbare Beschleunigungen zu erreichen. Die SR/S erreicht ihre Wheelie-Grenze (ungleich: Leistungsgrenze) bei 3,3 s von 0 auf 100 km/h. Wer aus dem Stand schneller sein will, braucht einen Porsche Taycan Turbo aufwärts, in dem er feststellen wird, dass bei Beschleunigungen mit Start oberhalb 0 km/h die Zero ihm dennoch oft wegfährt, aus Gründen der Masse.

Beschleunigt voll geladen wie ein Superbike: Zero SR/S. Verbrauch dabei: 9 bis 12 kWh / 100 km. Autos verbrauchen bei vergleichbarem Einsatz das Drei- bis Vierfache, meist ohne die Beschleunigung der Zero zu erreichen.

(Bild: Clemens Gleich)

Schließen wir diesen Abschnitt mit einem Umstand, der nicht überall bekannt ist: Klebrigere Reifen sind klebriger, sie erhöhen also den Fahrwiderstand und somit den Verbrauch. Betrachten Sie nun die typischen Gummimischungen auf Motorrädern und Autos. Ich würde übrigens niemandem raten, auf einer Zero SR/S oder SR/F oder einer Harley Livewire (Test) oder einer Energica Ego auf holzigen Energiesparreifen auszurücken.

Dieser Exkurs soll uns nicht vom Fakt ablenken, dass Motorräder tatsächlich Tank-to-Wheel weniger effizient sind als Autos, selbst bei solchen faireren Vergleichen. Das gilt für batterieelektrische Motorräder genauso. Die Reihe Batterie-Wandler-Motor-Getriebe-Hinterrad arbeitet im E-Motorrad ineffizienter als im E-Auto. Ein für alle Antriebsarten wichtiger Aspekt über 60 km/h, wenn der Luftwiderstand den Rollwiderstand übersteigt: Aerodynamik. Die zerklüftete Struktur eines Kraftrads mit sich frei drehenden Rädern ist toll für die Kühlung, aber ein Albtraum in Sachen Strömung – und das, noch bevor sich ein unförmiger Mensch in weiter Textilkombi draufsetzt.

Um dennoch hohe Endgeschwindigkeiten zu erreichen, setzen Sportmotorräder auf eine kleine Stirnfläche (denn der Gesamtwiderstand berechnet sich aus cW mal Stirnfläche), Vollverkleidung und eine "liegende" Fahrerposition auf den Rennstreckengeraden oder der Autobahn. Sie kennen das Rekordfahrtbild von Rollie Free auf der Vincent wahrscheinlich, sonst können Sie es anhand der Worte dieses Satzes in Google auffinden. Für Nichtsportmotorradfahrer: Haben Sie schon einmal diese Kuhle im Tank eines Sportlers betrachtet? Da muss das Kinnteil des Helms rein für eine "liegende" Position.

Derart intim an die Maschine gekuschelt liegt der kombinierte cW-Wert Maschine-Fahrer im Windkanal gemessen (siehe Fachzeitschrift Motorrad im Jahr 2000) bei knapp unter 0,5 (in Lederkombi, nicht mit flatterndem Polyester). Der VW Golf 7 kommt auf unter 0,3, wie die meisten modernen Autos. Selbst ein VW Tiguan kommt nur auf 0,32. Die Unterschiede hier liegen in den Stirnflächen. Sehen wir daher auf die Gesamtwindwiderstände cWA (cW Mal Stirnfläche A). Die Motorrad maß 2000 cWA-Werte zwischen 0,33 und 0,36 für eine Reihe von damaligen Sportmotorrädern, weil die (mit liegendem Fahrer) Stirnflächen von unter 0,7 qm hatten (die Breite des Messfahrers gab die Redaktion damals nicht an).

Der VW Golf 7 mit 2,2 qm Stirnfläche kommt auf einen cWA-Wert von 0,64. Das elektrische Rekordversuchsmotorrad WMC250EV kommt mit einem Lufttunnel in der Mitte auf einen cWA von 0,12 inklusive liegendem Fahrer. Der Erbauer White Motorcycle Concepts zeigt damit, dass sich für entsprechend flache Antriebskonzepte noch weitere Optimierungen finden ließen, die über stirnflächenverkleinernde Tieferlegung (betrachten Sie andere Rekordmotorräder) hinausgehen.

WMC250EV (5 Bilder)

Herr White und Team konstruierten kürzlich dieses sehr aufsehenerregende Rekordversuchsfahrzeug mit einem Lufttunnel.
(Bild: White Motorcycle Concepts)

Wir sehen hier ein Bild, das sich durch den ganzen Artikel ziehen wird: Das Motorrad ist bauartbedingt weniger effizient, überkompensiert das jedoch durch seine Wenigerkeit, in diesem Fall: weniger Stirnfläche überkompensiert eine deutlich schlechtere Aerodynamik. Gegenbeispiel: Der BMW iX glänzt auf dem Bildschirm mit einem cW-Wert von 0,25, zuzzelt jedoch dank seiner Stirnfläche von 2,82 m2 auf der Autobahn dennoch Strom wie ein Fachwerkhaus voller Nachtspeicheröfen. Die Beispiele decken sich mit unserer Realität, in der größer meistens effizienter bedeutet und kleiner dennoch sparsamer ist, nur (Thema dieses Textes) eben nicht größenlinear sparsamer.