Wasserstoffbrückenbildung​: Umgerüstete Lkw als Vorhut der Dekarbonisierung?

Seite 4: Alle Hersteller halten sich die Option offen – die Zukunft ist zu ungewiss

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Während in dieser Phase auch zahlreiche Pkw-Antriebe getestet wurden, stehen heute Stationärmotoren und Lkw-Antriebe im Mittelpunkt. Weiterhin im Geschäft bei den Nutzfahrzeugantrieben sind alle großen Hersteller wie MAN und Scania, Daimler, Bosch mit der TU Graz und Deutz, wo man mit dem Entwicklungsdienstleister Keyou, einem Start-up aus München, gängige Motoren umrüstet. Keyou hat daneben noch einen ungenannten "europäischen" Kunden mit einem 16-Liter-Lkw-Aggregat, wohl Volvo oder Scania. Auch der US-(Diesel-)Motorenhersteller Cummins baut solche Motoren und will sie auch, wie am 13. Juli bekannt gegeben, am Markt anbieten. Mahle meldet am 22. Juli, dass er mit weiteren Zulieferbetrieben leichte Nutzfahrzeuge von Ford mit konventionellen Verbrennungsmotoren auf Wasserstoffbetrieb umrüstet, gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie.

H2 erlaubt durch die sehr gute Zündwilligkeit einen hohen Luftüberschuss, also extrem mageren Betrieb. Das Maximum ist durch die Zündgrenze limitiert, das Minimum durch Rückzündungen an der Saugseite und Verpuffungen auf der Abgasseite. In diesem Bereich kann der Motor wie ein Diesel ohne Drosselklappe allein durch die Kraftstoffzumessung ("qualitätsgeregelt") laufen. Solange Lambda deutlich über 2 gehalten wird, lassen sich damit NOx-Emissionen ohne Abgasnachbehandlung vermeiden. Bei gut durchmischtem ("homogenem") Gas gilt das Gegenteil dessen, was im Betrieb mit Benzin der Fall ist: Je magerer desto weniger heiß – wegen der fünfmal schnelleren Verbrennung – desto weniger NOx. Damit ist der Gasmotor bei homogener Gemischbildung und Fremdzündung im Abgasverhalten mit der Brennstoffzelle vergleichbar. Ihre Effizienz erreicht er so freilich noch nicht.

Als einer der ersten von Keyou umgerüsteten Nutzfahrzeugmotoren lief dieser MAN H2876 UH01 im Homogenbetrieb. Drehmoment und Ansprechverhalten genügen ebensowenig wie der Verbrauch. Immerhin hat die Abgasentgiftung wenig zu tun.

(Bild: MAN)

Wie bei einer Brennstoffzelle wird fast ausschließlich Wasserdampf emittiert, die NOx-Emissionen liegen "an der Nachweisgrenze deutlich unter 5 ppm, also kann von einem Zero-Emission-Concept gesprochen werden. Der Ottomotor emittiert dann NOx-Werte in gleicher Größenordnung wie eine Brennstoffzelle" wie etwa von Jenbacher vor rund 15 Jahren bei seinen von Erdgas auf Wasserstoff umgerüsteten Stationärmotoren gemessen hat. (Laut EU-Definition bedeutet "Zero-Emission" einen CO2-Ausstoß < 1 g/kWh). Nachweisbare Kohlenwasserstoff (HC)- und Kohlenmonoxid (CO)- sowie Partikelemissionen durch verbranntes und unverbranntes Motoröl liegen weit unter den gesetzlichen Anforderungen. Man kann sie nötigenfalls durch den geringeren Schmierungsbedarf der Reibpartner, etwa durch beschichtete Kolben oder andere Zylindermaterialien, fast ganz verhindern. Im Konzept von Keyou und Deutz genügen dazu bereits geänderte Bearbeitungsverfahren für die Oberflächen von Zylinder und Kolben.

Der andere Vorteil sind die bei dieser Bauweise geringen Umrüstkosten, sogar eine einfache (Multipoint-)Saugrohreinspritzung mit niedrigem Gasdruckniveau kann dabei verwendet werden. Die Nachteile des fremdgezündeten Gasmotors mit magerem Brennverfahren sind seine geringere Literleistung und ein unbefriedigendes transientes Verhalten, also ein durch das langsam aufbauende, niedrige Drehmoment dem Dieselmotor unterlegenes Beschleunigungsverhalten. Abhilfe schaffen in gewissen Grenzen Aufladung, eine Überdimensionierung mit größerem Hubraum oder eine Hybridisierung beziehungsweise die für Lkw geeignetere Direkteinblasung mit serienmäßigem Zylinderkopf und niedrigem Einblasdruck (20 bis 30 bar).