Kommentar: Flottengrenzwerte sind für die Antriebswende besser als Kaufprämien

Flottengrenzwerte sind ein relativ wirksames Instrument für eine Antriebswende. Es ließe sich aber noch durch einfache Änderungen verbessern.

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Verkehr, Autos, Infrastruktur

(Bild: fuyu liu / shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) will sich nicht dafür einsetzen, auf europäischer Ebene die Flottengrenzwerte für Autobauer zu verschärfen. Stattdessen will die Koalition weiterhin E-Autos mit einer Kaufprämie fördern, berichtet der Spiegel. Dabei ist dies das deutlich unausgewogenere Instrument – und zwar auf mehreren Ebenen:

  • Auf sozialer Ebene: Die Kaufprämie subventioniert vor allem Besserverdienende, die sich überhaupt ein neues E-Auto leisten können.
  • Auf klimapolitischer Ebene: Eine Zahl von x Elektroautos zum Zeitpunkt y (aktuelles Ziel: 15 Millionen bis 2030) ist kein Selbstzweck. Werden E-Autos beispielsweise zusätzlich als Zweit-, Dritt- oder Viertwagen angeschafft, ist damit wenig gewonnen. Das Einzige, was für das Klima wirklich zählt, ist der absolute Ausstoß an Treibhausgasen.
  • Auf industriepolitischer Ebene: Die falsch verstandene Rücksicht auf die deutschen Autohersteller hat schon öfter dazu geführt, dass sich diese zu stark in ihrer Komfortzone einrichten, statt rechtzeitig Innovationen umzusetzen.
  • Auf marktwirtschaftlicher Ebene: Direkte Kaufzuschüsse sind wie eine Droge für einen Markt – sie machen high, aber wehe, wenn irgendwann der Entzug ansteht.
  • Auf verkehrspolitischer Ebene: Die Kaufanreize zementieren die Rolle des Autos als zentrale Verkehrsmittel. Und elektrische Kleinfahrzeuge oder Zweiräder bekommen gar nichts.
  • Auf steuerlicher Ebene: Sie haben zu einem florierenden Export von subventionierten Gebrauchtwagen nach Dänemark und andere EU-Staaten geführt. Aus Klimasicht ist es zwar egal, wo die E-Autos fahren. Trotzdem ist es schwer zu vermitteln, warum deutsche Steuerzahler solche Mitnahmeeffekte unterstützen sollen.
Ein Kommentar von Gregor Honsel

Gregor Honsel ist seit 2006 Redakteur bei Technology Review. Er glaubt, dass viele komplexe Probleme einfache, leicht verständliche, aber falsche Lösungen haben.

Wie sieht es nun mit dem Flottengrenzwert aus? Ein Nachteil auch hier: Der absolute Verbrauch der gesamten Fahrzeugflotte wird nicht adressiert. Es geht ausschließlich um eine erhöhte Effizienz, was ja schön und gut ist, aber dem Klima wenig nutzt, wenn sie durch einen steigenden Bestand überkompensiert wird. Ansonsten aber hat der Flottengrenzwert immerhin zu Einsparungen geführt, die es ohne ihn wohl nicht gegeben hätte. Allerdings wurde auch dieses Instrument durch viele Kompromisse nahezu kastriert:

  • Es zählt nur die Tank-to-Wheel-Bilanz. Relevant ist aber die gesamte Bilanz von der Energieerzeugung bis zum Rad (Well-to-Wheel). Das gilt natürlich für Strom und Brennstoff gleichermaßen. Ladestrom wird derzeit mit Null Gramm CO2 gleichgesetzt, was natürlich völlig realitätsfremd ist. Aber auch fossile Brennstoffe kommen zu gut weg, denn auch bei ihrer Erzeugung werden Treibhausgase freigesetzt.
  • Der Verbrauch von Plug-In-Hybriden wird völlig unrealistisch gemessen.
  • Schwere Pkw bekommen einen Bonus.

Würde man alle dieses Verzerrungen geradeziehen, würden auch Fehlanreize verschwinden: SUVs würden deutlich heftiger in der Flottenbilanz zu Buche schlagen, Plug-In-Hybride deutlich weniger zur deren Schönung beitragen, und die Debatte um E-Fuels würde sich von selbst erübrigen. Wenn es also um künftige Flottengrenzwerte geht, sollte man nicht nur auf die reinen CO2-Zahlen schauen, sondern auch darauf, mit welchen Ausnahmen und Sonderfällen sie errechnet werden.

Update, 24.2.2022, 11:00 Uhr: In der ursprünglichen Fassung waren noch "Super Credits" erwähnt, die mehrfache Anrechnungen von E-Autos auf den Flottenverbrauch. Diese sind seit Anfang 2021 aufgebraucht sind und bestehen nur noch theoretisch.

(grh)