Fachkräfte-Zuzug: Gemischte Reaktionen auf Beschlüsse der Bundesregierung

Nachdem das Bundeskabinett nur wenige Änderungen zur Öffnung des Arbeitsmarkts für ausländische Fachkräfte beschloss, gibt es zustimmende, aber auch zurückhaltende Reaktionen aus der Wirtschaft.

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Von
  • Jürgen Kuri

"Ein Schritt in die richtige Richtung" – so viel positiven Kommentar konnte sich Jürgen Thumann, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) über die Beschlüsse der Bundesregierung zum teilweise erleichterten Zuzug ausländischer Fachkräfte immerhin abringen. Die individuelle Vorrangprüfung für ausländische Studenten deutscher Hochschulen sowie für osteuropäische Ingenieure zu streichen, sei eine wichtige Entscheidung, meinte er. Aber: "Wir hätten uns weitergehende Erleichterungen gewünscht, wie zum Beispiel die Absenkung der jährlichen Mindesteinkommensgrenze für Hochqualifizierte."

Deutlicher als der BDI kritisierte der Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) die Beschlüsse der Bundesregierung: Sie seien nicht ausreichend; aber auch der DIHK bezeichnete die Beschlüsse immerhin als Schritt in die richtige Richtung. Der Verband der Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA) erwartet nun einen spürbaren Anstieg der ausländischen Ingenieure bei seinen Mitgliedesunternehmen, allerdings werde der Fachkräftemangel hierdurch nicht beseitigt, sondern bestenfalls kurzfristig gemildert. VDMA.Hauptgeschäftsführer Hannes Hesse meinte, die Politik sei "nicht aus der Pflicht entlassen, ein ganzheitliches Konzept zur Beseitigung des Fachkräftemangels zu erarbeiten". Otto Kentler, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH), warnte derweil in der Chemnitzer Freien Presse davor, deutsche Fachkräfte zu vernachlässigen.

Der IT-Branchenverband Bitkom hatte schon im Umfeld der Klausurtagung des Bundeskabinetts darauf hingewiesen, dass die Hightech-Industrie qualifizierte Zuwanderer brauche. Nach aktuellen Berechnungen gebe es im IT-Sektor 25.000 bis 28.000 offene Stellen. Zusätzlich suchten die Anwenderbranchen vom Maschinenbau über den Handel bis zu Finanzinstituten mehr als 10.000 weitere IT-Fachkräfte.

Auf seiner Klausurtagung in Meseburg hatte das Bundeskabinett neben anderen Arbeitsmarktmaßnahmen etwa Erleichterungen für Ausländer beschlossen, die in Deutschland ihren Hochschulabschluss machen: Ausländische Studenten dürfen nach Abschluss ihres Studiums drei Jahre lang ohne Beschränkungen in Deutschland arbeiten. Auch einzelne Lockerungen bei den Restriktionen für den Zuzug ausländischer Fachkräfte und eine partielle Öffnung des Arbeitsmarkts für Ingenieure aus den osteuropäischen EU-Staaten wurden beschlossen. Für Ingenieure aus den 12 EU-Beitrittsländern entfällt die Vorrangprüfung: Die Arbeitsagenturen müssen den Unternehmen, die Ingenieure aus diesen Ländern einstellen wollen, nicht mehr bescheinigen, dass es keinen geeigneten deutschen Kandidaten für die ausgeschriebene Stelle gibt. Diese Erleichterung gilt allerdings nur für Maschinenbau-, Fahrzeugbau- und Elektroingenieure; die Bundesagentur für Arbeit soll in den EU-Beitrittsländern gezielt nach Ingenieuren insbesondere der Fachrichtungen Maschinenbau und Elektrotechnik suchen.

Deutschland hatte nach dem Beitritt Polens und anderer Staaten Osteuropas zur Europäischen Union im Jahr 2004 die eigentlich mit den Beitritten der osteuropäischen Staaten verbundene Arbeitnehmerfreizügigkeit zunächst für zwei und im vergangenen Jahr für weitere drei Jahre eingeschränkt. Im Mai 2009 könnte die Bundesregierung die Einschränkungen noch einmal für zwei Jahre bis 2011 verlängern. Diese Möglichkeiten sehen die Übergangsregelungen des Beitrittsvertrags vor, der für die Osterweiterung der EU geschlossen wurde. Den vollen Umfang dieser möglichen Beschränkungen nutzen aber nur Deutschland und Österreich. Schon früher waren Forderungen laut geworden, dass die Bundesregierung diese Einschränkungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit aufheben solle; auch Pläne aus dem Bundesarbeitsministerium hatten dies vorgesehen. Dazu konnte sich die Bundesregierung derzeit nicht durchringen; auch eine lange schon von einzelnen Politikern und Wirtschaftsverbänden geforderte Senkung der Mindestverdienstgrenze (derzeit müssen ausländische Fachkräfte ein Jahreseinkommen von 85.000 Euro nachweisen, um eine Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung zu bekommen) wurde nicht beschlossen.

Die Bundesregierung legte in Meseburg aber auch fest, dass über eine Senkung des geforderten Mindestverdiensts und für eine sogenannte gesteuerte Zuwanderung weiter beraten werden soll; im zweiten Halbjahr 2008 sollen dann Ergebnisse vorliegen. Derweil hat Bundesbildungsministerin Annette Schavan in einem Interview mit der Zeit gefordert, dass die Unternehmen ihre Verantwortung bei der Qualifizierung der deutschen Beschäftigten wahrnehmen sollten. Deutschland müsse aber auch "attraktiv sein wollen für Talente aus dem Ausland".

Zu den gegenwärtigen Klagen vieler Branchen und besonders der IT-Firmen über angeblichen Facharbeitermangel siehe auch den Hintergrundbericht in c't:

  • Gefühlter Mangel, Wie viele Informatiker braucht die Wirtschaft?, c't 16/07, S. 78

Zu dem Thema siehe auch:

Siehe auch:

  • heise jobs, Stellenanzeigenbörse sowie aktuelle Berichterstattung und Hintergrundartikel zum Arbeitsmarkt, der Ausbildungssituation und den Gehaltsstrukturen der Hightech-Branchen

(jk)