LKW-Maut: Generalprobe vorzeitig gestartet

Der ursprünglich für den 1. Oktober geplante Start der Generalprobe für das computerunterstützte deutsche Satelliten-Mautsystem hat bereits begonnen: "Damit ist die Projektentwicklung für uns praktisch abgeschlossen", hieß es bei Toll Collect.

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Von
  • Detlef Borchers

Der ursprünglich für den 1. Oktober geplante Start der Generalprobe für das computer- und satellitengestützte deutsche LKW-Mautsystem hat begonnen. Dies gab Christoph Bellmer, Vorsitzender der Geschäftsführung beim Maut-Konsortium Toll Collect im Vorfeld der 60. IAA Nutzfahrzeuge in Hannover bekannt. 102 Tage vor dem eigentlichen Start der Maut sei man auf der Zielgeraden. Nach dem erfolgreichen Abschluss aller Vortests, bestätigt durch die bestallten Sachverständigen des Ingenieurbüros Schwerhoff, habe man sich zu dem frühzeitigen Start entschlossen, um die Generalprobe etwas entspannter und umso genauer angehen zu können, erklärte Bellmer in einer Pressekonferenz. "Damit ist die Projektentwicklung für uns praktisch abgeschlossen."

Die Generalprobe dauert bis zum 30. November. Danach müssen die Gutachter das abschließende Urteil fällen, das wiederum dem Bundesamt für Güterverkehr (BAG) als Grundlage für die so genannte "besondere vorläufige Betriebserlaubnis" dient. Erfolgt diese Betriebserlaubnis bis zum 15. Dezember, so kann die LKW-Maut am 1. Januar 2005 starten.

Bei der Generalprobe wird das komplette System getestet, inklusive der Mauterhebung über das Internet, über Maut-Terminals und über die On Board Units (OBUs). Getestet wird auch die Mautkontrolle, die Abrechnung, der Kundenservice und die Maut-Auskehr an den Bund. Für einen erfolgreichen Test müssen die OBUs auf eine Zuverlässigkeit von 95% kommen, die Internet-Buchungen und Maut-Terminals können niedriger liegen. Einzig das so genannte Enforcement, das Aufspüren und Stellen der Mautpreller, kann nur simuliert werden. Mit dem Beginn der Generalprobe beziehen die Sachverständigen und Gutachter des BAG Büros bei Toll Collect, um die Maut "Tag und Nacht" begutachten zu können. Im Rahmen der Pressekonferenz wurde bekannt, dass es Toll Collect erst im August gelang, das Abrechnungssystem erfolgreich zu installieren. "Das Einspielen neuer Software in das zentrale System erfolgte termingerecht im Rahmen eines Patch-Fensters. Das System erreicht insgesamt einen sehr hohen Reifegrad", heißt es in einer Darstellung von Toll Collect.

Auf der Pressekonferenz zeigte sich Christoph Bellmer zufrieden mit den Fortschritten beim Einbau, die noch im Sommer zögerlich voran kamen. Nach seinen Angaben sind bis heute 160.000 konfigurierte OBUs ausgeliefert worden; davon wurden 80.000 bereits in LKW eingebaut. Derzeit verzeichnet Toll Collect 120.000 offene Bestellungen. Pro Woche kann Toll Collect gemäß Bellmer 30.000 Bestellungen bearbeiten, d.h. die OBU personalisieren und zur Auslieferung bereit stellen. Die Vertragswerkstätten im In- und Ausland sollen dem Maut-Konsortium eine Einbau-Kapazität von 25.000 OBU vertraglich zugesichert haben. Mit der am kommenden Donnerstag beginnenden IAA startet Toll Collect eine Werbekampagne im europäischen Ausland, die über die Fachpresse die Speditionen und Fahrer erreichen soll.

Bellmer betonte auf der Pressekonferenz, dass die Maut keinen Schritt in den Überwachungsstaat bedeute. "Wir haben unser System dem Bundestdatenschutzbeauftragten Peter Schaar präsentiert. Er hat keine Einwände gehabt. Das bedeutet, dass wir mit den Daten so umgehen, dass dem Datenschutz Genüge getan wird", erklärte Bellmer.

Während Toll Collect auf keinen Fall in den Ruf kommen will, Big Brother der Trucker zu werden, haben andere auf der IAA austellende Firmen weniger Bedenken. Unter dem Schlagwort "Orwell oder Gleichbehandlung" stellte die österreichische Firma R.O.N.A. Systems ihr Telematik-System EcoFleet vor, das mit einer automatischen Adresserkennung bei Fahrzeugstand arbeitet. Sowie das Fahrzeug steht, werden die Geokoordinaten an einen Zentralcomputer geschickt, der die Position ausgibt. Damit habe man nicht Orwell verwirklicht, sondern die Gleichbehandlung mit dem Büro erreicht, in dem die Mitarbeiter auch überwacht werden, heißt es: "Zukünftig werden sich Fahrer daran gewöhnen müssen, wie ihre Kollegen im Büro behandelt zu werden. der Gang zum Frisör wird eine Unterbrechung der Arbeitszeit."

Die IAA Nutzfahrzeuge findet vom 23. bis 30. September auf dem Messegelände in Hannover statt. 1350 Aussteller aus 40 Ländern präsentieren ihre Neuheiten unter dem Motto "Mobile Zukunft": Die Stimmung unter den Ausstellern ist prächtig, denn das LKW-Geschäft boomt.

Zu den Verwicklungen um die Mauteinführung in Deutschland siehe auch:

(Detlef Borchers) / (jk)