LKW-Maut: Die Zukunft ist grau

Ein Ende des Schacherns um die Maut, um Ausgleichszahlungen und Schadensersatzforderungen ist mit der Kündigung des Vertrags mit Toll Collect freilich noch nicht in Sicht.

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Von
  • Detlef Borchers

Nach einem zwölfstündigen Verhandlungsmarathon hat Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe am heutigen Dienstagmorgen bekannt gegeben, dass die Verhandlungen mit dem Maut-Konsortium Toll Collect gescheitert sind und der Maut-Vertrag gekündigt wird. Ein Ende des Schacherns um die Maut, um Ausgleichszahlungen und Schadensersatzforderungen ist damit freilich noch nicht in Sicht: Die schriftliche Kündigung des Maut-Vertrages muss die Kündigungsgründe nennen. Dann läuft eine zwei Monate dauernde Frist an, in der Toll Collect als Vertragsnehmer nachbessern darf, sofern es nicht sofort gegen die Kündigung Widerspruch einlegt.

In dem Verhandlungsmarathon ging es dem Vernehmen nach vor allem um Geld, um die Höchstgrenze, bis zu der Toll Collect beim Weiterbau des Systems haftet; die technischen Details wurden dagegen kaum thematisiert. Die bereits angekündigte Wiedereinführung der Vignette, die am Maut-Stichtag, dem 31. August 2003, viel zu voreilig abgelöst wurde, ist nur eine Überbrückungsmaßnahme. Sie soll über zwei bis drei Jahre die Einnahmen für den Straßenbau sichern.

Was aus der Maut-Ruine wird und was mit den vorhandenen Installationen realisiert werden kann, ist ungeklärt. Vor wenigen Tagen wurde die 150. von insgesamt 300 Kontrollbrücken bei Gütersloh installiert. In deutschen und ausländischen Lastwagen fahren rund 250.000 nutzlose On-Board-Units spazieren, beim Bundesamt für Güterverkehr üben 975 Mitarbeiter immmer noch die korrekte Kontrolle der Mautzahlungen.

Während die Menschen nach Auskunft des Amtes ohne Probleme mit anderen Aufgaben beschäftigt werden können, ist dies für die Technik nicht so einfach realisierbar. Am einfachsten ist noch die im Hintergrund arbeitende Technik zu verwenden, etwa das Sun-Rechenzentrum. Ähnliches gilt für die TollChecker-Mautbrücken der Firma Vitronic. Da diese Firma auch Verkehrs-Überwachungsysteme für die Polizei und den Bundesgrenzschutz herstellt, können sie Kontrollfunktionen aller Art übernehmen. Auch die Umrüstung auf ein Transponder-System, wie es die österreichische LKW-Maut-Technik erfodert, ist eine Sache weniger Stunden -- die nötige Kommunikations-Software ist ohnehin vorhanden. Um die Maut im Stile des glücklichen Österreichs berechnen zu können, sind diese Brücken jedoch denkbar ungünstig positioniert. Hierzu wären Brücken in der Nähe der Autobahnauffahrten notwendig.

Fraglich ist auch, wie die knapp 3500 Terminals sinnvoll eingesetzt werden können, die von den Firmen Höft & Wessel und NCR geliefert wurden. Die Terminals sind mit den Systemen identisch, die zur Abbuchung der Londoner Citymaut eingesetzt werden und könnten mit leichten Modifikationen bei der Lufthansa zur Selbstbedienung der Fliegenden herangezogen werden. Eine weitere Verwendung gäbe es allenfalls, wenn das schweizerisch/französische System installiert werden würde.

Den unverwertbaren Restposten stellen die OBU in den LKW. Ihre Probleme, vor allem die Schwierigkeit, im Zusammenspiel mit dem Global Positioning System (GPS) eine rechtlich einwandfreie, nicht anfechtbare Fahrzeugposition auszurechnen, haben das Hightech-Desaster der deutschen Maut wesentlich verursacht. Technisch wäre es möglich, die vorhandenen OBU in ein Mautsystem einzubinden, wie es von Fela und Thales angeboten wird. Praktisch sind jedoch Zweifel laut geworden. Das schweizerisch-französische Angebot, innerhalb von 18 Monaten eine funktionsfähige Maut zu errichten, ist mit einer Tripon-OBU konzipiert, die als Multiboot-System verschiedene Maut-Systeme laden kann. Um die deutschen OBU-Systeme ansprechen zu können, wäre eine Einbindung der deutschen Software notwendig. Die entsprechenden APIs seien jedoch frühestens in sechs bis neun Monaten benutzungsreif, hatte Toll-Collect-Manager Peter Mihatsch Anfang Januar erklärt.

Angesichts solcher Laufzeiten nach einer über dreijährigen Entwicklungszeit rechnen Fachleute damit, dass die vorhandenen OBU bei einer fälligen LKW-Inspektion ausgebaut und verschrottet werden. Der von der DaimlerChrysler Services Mobility Management gestartete Versuch, mit den anspruchsvollen OBU das tief in den roten Zahlen steckende Geschäft mit der Verkehrstelematik zu entwickeln, ist damit vorerst gescheitert. Derweil bieten die Konkurrenten aus der Schweiz, Österreich und Italien ihre Technik auch für eine Zusammenarbeit mit Toll Collect an: In der Hoffnung, damit dem Konsortium wieder auf die Beine helfen und trotzdem zum Zuge kommen zu können. Ein ähnliches Ansinnen hatte früher bereits der Bundesverkehrsminister formuliert: Stolpe wollte darauf drängen, weitere Betreiber, "die die Sache können" (Stolpe), mit ins Boot zu nehmen.

Zu den Verwicklungen um die Mauteinführung in Deutschland, zur eigentlich geplanten technischen Umsetzung der LKW-Maut und möglichen Datenschutzproblemen siehe auch:

(Detlef Borchers) / (jk)