LKW-Maut oder Maut für alle

Während der Verkehrsausschuss des EU-Parlaments über die Einführung einer allgemeinen PKW-Maut berät, wird hierzulande eine abgespeckte Version der LKW-Maut konkreter -- die aber auch die Verallgemeinerung des Maut-Systems erleichterte.

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Von
  • Detlef Borchers

Am heutigen Dienstag berät der Verkehrsausschuss des Europaparlaments über den Vorschlag, aus der LKW-Maut eine Maut für alle Fahrzeuge zu machen, mithin eine PKW-Maut einzuführen. Die Vorlage zu dieser Beratung stammt vom Italiener Luigi Cocilovo (Christdemokraten). Während der erste Teil der Vorlage vorschlägt, aus dem mautzahlenden Unternehmer einen mautzahlenden Nutzer zu machen, fordert der zweite Teil unverblümt die Ausdehnung der Maut auf alle Fahrzeuge: "Dafür spricht der objektive Grund, dass Privatfahrzeuge wesentlich zur Entstehung von Verkehrsstaus sowie zur Umweltverschmutzung beitragen, auch wenn sie weniger Schäden an der Infrastruktur verursachen, die in erster Linie durch schwere Nutzfahrzeuge entstehen." Mit einem weiteren Argument bezieht der Entwurf die Bedenken ein, die in anderen Staaten nach dem Fiasko der deutschen LKW-Maut bei den Investoren vorhanden sind. Durch die Berücksichtigung von Privatfahrzeugen "würde der Ertrag aus dem Benutzungsentgelt erhöht und eine Investition oder Ko-Investition von privater Seite wahrscheinlicher werden", heißt es in der Vorlage.

In Frankreich oder Italien, wo der gesamte Verkehr auf Autobahnen bereits mautpflichtig ist, wird der Vorstoß des Verkehrsausschusses begrüßt, in den anderen Staaten gilt er wenige Monate vor der Europawahl als chancenlos. Kein Parlamentarier, der wiedergewählt werden möchte, dürfte die Argumentation unterstützen. Dennoch herrscht Einigkeit, dass die PKW-Maut kommen muss -- in fünf oder spätestens in zehn Jahren. Auf diese Zeit freuen sich besonders die Firmen, die in so genannter Public Private Partnership die Mautsysteme umsetzen. So vergleicht ein Papier der australischen Macquarie Infrastructure Group, die etwa die Warnowquerung finanzierte, die Teilprivatisierung des Straßennetzes mit der Privatisierung des Internet in den 90er Jahren.

In Deutschland gibt es eine Public Private Partnership zwischen dem Konsortium Toll Collect und dem Bundesverkehrsministerium. Aus der LKW-Maut, die Toll Collect zwölf Jahre lang einziehen darf, möchte der Bund 2,2 Milliarden Euro pro Jahr erhalten, die in den Straßenbau und die Bahnsanierung fließen sollen. Da die Maut noch nicht funktioniert, denkt man über eine Kreditaufnahme in etwa gleicher Höhe nach, die von den Mauteinnahmen finanziert werden soll. Damit Banken überhaupt auf diesen Vorschlag eingehen, ist ein realistischer Zeitplan erforderlich, ab wann die Maut funktioniert. Am 23. Januar soll das Mautkonsortium Toll Collect einen solchen Zeitplan vorstellen. Er sieht die Einführung der Maut in zwei Stufen vor. Die eingeschränkte Stufe 1 soll zum Oktober 2004 starten können, die Stufe 2 mit einem voll funktionsfähigen System elf bis 15 Monate später.

Stufe 1 besteht aus einem GSM-basierten Mautsystem, das allein den Upload von Mautdaten beherrscht und auf die Positionsbestimmung via GPS verzichtet. Vermutlich wird es halbautomatisch bedient werden: Fährt der LKW auf eine mautpflichtige Autobahn, drückt der Fahrer die Start/Stopptaste der OBU, welche ab diesem Zeitpunkt über den CAN-Bus des Fahrzeugs die Drehimpluse des Tachos aufzeichnet. Verlässt der LKW die Autobahn, so wird die Stopptaste gedrückt und in der Mautzentrale die Gebühr berechnet. Unterquert ein LKW eine Kontrollbrücke, kann diese prüfen, ob die Mautzählung aktiv ist oder nicht. In der Ausbaustufe 1 funktioniert damit das gesamte System wie eine Adaption der Schweizer Maut, die sich einschaltet, sobald ein LKW in die Schweiz einfährt und dann die Kilometer misst. Erst in der Stufe 2 kommt die bidirektionale Kommunikation und die GPS-Ortung hinzu, werden also neue Streckeninformationen im Download die OBU aktualisieren können und Telematik-Daten im Upload an die Speditionen übertragen werden.

Verkehrsexperten vermuten nun, dass Stufe 1 als Test der kommenden PKW-Maut ausgelegt werden kann. Im Gegensatz zur aufwendigen OBU ist ein System, das nur die zurückgelegten Kilometer übermittelt, mit geringem Aufwand in PKWs ab Werk installierbar oder einfach nachzurüsten. Auch die Kontrollbrücken, die die Ehrlichkeit der Verkehrsteilnehmer überprüfen, sollen ohne Probleme die zusätzliche Datenlast bewältigen können. Dass die PKW-Maut auch in Deutschland angedacht wird, ist bekannt. Erst in der letzten Woche hatte Superminister Clement offen von der Privatisierung der deutschen Autobahnen gesprochen. Inmitten all der Überlegungen um Ausbaustufe 1 und Stufe 2 taucht ein Gedanke nicht mehr auf: Die Rede von der Exportfähigkeit der Technik als leuchtendes Beispiel deutscher Ingenieurskunst hat man auf Stufe 0 abgeschafft.

Zu den Hintergründen der Mauteinführung in Deutschland, ihrer technischen Umsetzung und möglichen Datenschutzproblemen siehe auch:

(Detlef Borchers) / (jk)