MWC-Fazit: Zuversichtliches Pfeifen im Walde

Gestern ist der Mobile World Congress in Barcelona zu Ende gegangen, auf dem zahlreiche Multimedia-Telefone und neue Dienste gezeigt wurden. Trotz Wirtschaftskrise und Besucherschwund gibt sich die Branche vorsichtig optimistisch.

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Von
  • Rudolf Opitz

Handy-Neuheiten auf dem Mobile World Congress (13 Bilder)

Handy-Neuheiten auf dem Mobile World Congress

Eines der interessantesten Geräte zeigte Palm nur hinter vorgehaltener Hand: Das Pre mit dem neuen WebOS wird in Europa wohl erst im Herbst auf den Markt kommen.

Vier Tage diskutierte man über die Zukunft der Funknetze, schnellere Datenverbindungen, mobile Dienste und präsentierte Multimedia-, Business- und sogar Ökotelefone. Nun ist der Mobile World Congress 2009 mit einem Besucherschwund zu Ende gegangen. Besuchten 2007 und 2008 noch 55.000 Großkunden, Fachleute, Analysten und Journalisten die Kongress-Veranstaltungen und die angeschlossene Messe, kamen in diesem Jahr nur rund 47.000, wobei die Anzahl der Aussteller mit 1300 auf gewohnt hohem Niveau blieb. Auch weiterhin kann sich kaum ein Mobilfunk-Unternehmen erlauben, der Leitmesse fernzubleiben.

Zwar war die weltweite Wirtschaftskrise auf vielen Veranstaltungen ein Thema, doch gaben sich die meisten Unternehmen zuversichtlich. So erwartet JK Shin, Chef der Mobile Communication Division von Samsung entgegen dem allgemeinen Trend ein deutliches Wachstum, ebenso äußerte sich Ericsson-Chef Carl-Henric Svanberg.

Bei den Endgeräte-Herstellern zogen besonders die opulent ausgestatteten Multimedia-Smartphones die Aufmerksamkeit auf sich, die man fast durch die Bank per Touchscreen bedient. Wähltastaturen sind in dieser Gerätekategorie out, QWERTZ-Tastaturen versteckt man wie beim HTC Touch Pro 2 oder Nokias N97 unter dem Displaygehäuse und schiebt sie nur bei Bedarf heraus. So bleibt mehr Platz für großformatige LC-Displays, wobei besonders Toshibas TG01 mit stattlicher 4,1-Zoll-Bilddiagonale den Vogel abschoss. Samsung setzt eher auf die kontrast- und farbstarke AMOLED-Technik.

Bei den Smartphones lautete die Gretchenfrage: Wie hältst du es mit Android? Vorab erwarteten viele eine regelrechte Flut an Modellen mit dem offenen, auf Linux gründenden Betriebssystem der Open Handset Alliance. Stattdessen hieß es bei fast allen Herstellern: Android-Smartphones kommen – aber noch nicht jetzt. Huawei zeigte nur eine Designstudie hinter Glas, über die keiner der anwesenden Mitarbeiter Auskunft geben konnte. Das auf Dual-SIM-Telefone spezialisierte Unternehmen General Mobile konnte immerhin ein lauffähiges Vorserien-Modell seines Android-Modells DSTL1 vorweisen, und Vodafone präsentierte mit dem HTC Magic eine handlichere, aber tastaturlose Version des Google-Handys G1.

Bei Samsung und Sony Ericsson gab es dagegen Touchscreen-Smartphones mit Symbian OS und S60-Oberfläche zu bestaunen. Vor dem Android-Experiment vertrauen die Hersteller offensichtlich dem etablierteren Betriebssystem und geben dem Newcomer Zeit zum Reifen. Nokia selbst setzt mit den E-Mail-Telefonen E75 und E55 eher auf Geschäftskunden, die eine richtige QWERTZ-Tastatur bevorzugen. Wer sich Palms UMTS-Version des Pre mit WebOS vorführen ließ, lobte die durchdachte und meist flüssig zu bedienende Bedienoberfläche – eine echte Konkurrenz für das iPhone.

Im Windows-Mobile-Lager gab es wenig Neues, obwohl Microsoft-Boss Steve Ballmer persönlich in Barcelona die Regie übernahm: Die erwartete 6.5er-Version kommt frühestens Mitte des Jahres; über Windows Mobile 7, von dem viele eine Abkehr von der veralteten Bedienoberfläche erhoffen, wollte Balmer nichts sagen.

Spannend wird es dagegen an der Multimedia-Front: Samsung verblüffte mit dem Omnia HD, das Videos in HD-Auflösung aufnehmen und sie via digitaler HDMI-Schnittstelle an Flachbild-Fernseher weiterreichen kann, und mit dem i7410, das einen eingebauten DLP-Projektor mitbringt.

Mehr Leistung versprechen die aktuellen Handy-Chipsätze, wie die Tegra-Serie von Nvidia mit eigenem Prozessorkern für die Bedienoberfläche von Touchscreen-Geräten und HD-Video, dem OMAP4 von TI und Qualcomms Snapdragon. Ob die damit ausgestatteten Surf-Smartphones jedoch die Daten in der Geschwindigkeit verarbeiten können, die Funknetze bald liefern, bleibt abzuwarten.

Nahezu alle Netzausstatter haben mittlerweile Lösungen für künftige LTE-Netze gezeigt, über die 100 MBit/s und mehr an die mobilen Geräte gesendet werden können. Nun müssen sie noch die Kunden – die Netzbetreiber – zum Umrüsten überzeugen. Diese setzen jedoch zunächst lieber auf das kostengünstigere HSPA+, mit dem immerhin 28,8 MBit/s zu erreichen sind.

Netzbetreiber und Hersteller suchen derweil nach weiteren Einnahmemöglichkeiten und finden sie in mobilen Diensten: Viele Hersteller wie Nokia, Samsung oder Sony Ericsson planen Software-Shops mit Netz nach dem Muster von Apples App Store oder dem Android Market. Selbst Microsoft plant einen Anwendungsmarktplatz.

Ein weiteres Schlagwort, das man auf dem MWC allerorten hörte, sind die Widgets. Die kleinen, einfach zu bedienenden Programme findet man nicht nur auf den schicken 3D-Oberflächen der LG- und Samsung-Smartphones, auch Browserentwickler wie Access setzen sie ein, um ihre Webprogramme aufzupeppen. Per Sprachsteuerung will man die teils immer noch sperrige Bedienung beim mobilen Surfen erleichtern.

Bei dem Hightech-Spielzeug Handy machen sich einige Firmen mittlerweile aber auch Gedanken zur Ökologie – und sei es nur aus Marketing-Gründen. So zeigte Samsung sein Blue-Earth-Handy mit Gehäuse aus recyceltem Plastik und Solarzelle. Ob aus Solarhandys tatsächlich ein Trend wird, könnte sich im kommenden Jahr herausstellen – auf dem MWC in Barcelona 2010.

MWC: Impressionen von der Messe (12 Bilder)

MWC: Impressionen von der Messe

Der Nationalpalast in Barcelona liefert eine eindrucksvolle Kulisse für die weltweit größte Mobilfunkmesse. (Bild: Achim Barczok)

(rop)