Motorrad: Gründliche Modellüberarbeitung für die Enduro Honda Africa Twin

Die Africa Twin ist seit 2016 ein Bestseller im Honda-Programm. Jetzt hat Honda die beliebte Reiseenduro sorgfältig überarbeitet.​ Erhältlich ist sie ab 2024.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 7 Kommentare lesen
Honda Africa Twin

(Bild: Honda)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Ingo Gach
Inhaltsverzeichnis

Sicher hat die Africa Twin bei ihrem Neustart 2016 auch ein bisschen von ihrem berühmten Namen profitiert. Ihre Vorgängerin hatte sich bereits ab den späten 1980er-Jahren einen legendären Ruf unter Fernreisenden erworben. Auch die CRF 1000 L Africa Twin und ihr noch tourentauglicheres Pendant mit dem Beinamen "Adventure Sports" eroberten rasch die Herzen der Enduristen und verkauften sich blendend. 2020 erhöhte Honda den Hubraum auf 1084 Kubikzentimeter und taufte sie CRF 1100 L Africa Twin. Doch Stillstand ist Rückschritt, deshalb nahm sich die Entwicklungsabteilung die Reiseenduro für den Jahrgang 2024 noch einmal gründlich vor.

Während andere Hersteller glauben, ihre Kunden mit 145, 160 oder gar 170 PS in einer Reiseenduro beeindrucken zu müssen, setzt Honda auf Fahrbarkeit und Laufkultur. Deshalb bleibt es in der neuen CRF 1100 L Africa Twin bei 102 PS bei 7500/min, dafür fällt die Drehmomentkurve deutlich fülliger aus. Der Reihenzweizylinder mit 270 Grad Hubzapfenversatz auf der Kurbelwelle erreicht statt 105 nun 112 Nm und das auch schon bei 5500/min, vorher brauchte er dafür 6250/min. Das bedeutet einen verbesserten Durchzug, was Enduristen mehr schätzen als maximale Leistung bei höchsten Drehzahlen. Dafür erhöhten die Ingenieure die Verdichtung leicht von 10,1:1 auf 10,5:1, vergrößerten die Ansaugkanäle des Luftfilterkastens von 29 auf 35 mm, während die Luftzuführung um 65 mm verlängert wurde.

Honda Africa Twin (7 Bilder)

Die Honda Africa Twin ist seit 2016 der Bestseller im Honda-Programm. Für das Modelljahr 2024 wurde sie sorgfältig überarbeitet.

Zwei 46 mm große, elektronisch gesteuerte Drosselklappen regeln den Gasdurchsatz der beiden Zylinder. Geänderte Einspritzwinkel und ein darauf abgestimmtes Timing der ECU-Steuereinheit ermöglichen einen direkten Sprühstrahl in den Zylinder durch die geöffneten Einlassventile. Diese Maßnahme führt zu einer teilweisen Verdunstung des Kraftstoffs erst im Zylinder, mit einem Kühleffekt für die Ansaugluft, die damit dichter bleibt. Damit steht pro Füllung mehr Luft zur Verbrennung zur Verfügung, es kann mehr Sprit eingespritzt und ein höherer Verbrennungsdruck erzeugt werden. Dieser setzt sich wiederum direkt in höheres Drehmoment um.

Der zweite Vorteil ist eine verbesserte Zylinderinnenkühlung, die eine höhere Verdichtung erlaubt, ohne dass das Gemisch vor dem vorgesehenen Zündzeitpunkt verbrennt. Der höhere Druck verbessert aber auch den Wirkungsgrad, was Honda einerseits in höheres Drehmoment bei Leistungsabruf oder höhere Sparsamkeit beim Dahinrollen umsetzt. Auch ein überarbeitetes und erleichtertes Schalldämpfer-System trägt zum verbesserten Drehmoment bei.

Die eindrucksvollste Neuerung ist aber das semi-aktive Fahrwerk EERA von Showa. Es ist gegen Aufpreis in der Africa Twin ES erhältlich, in der Africa Twin Adventure Sports ist es serienmäßig. EERA bietet die vier Modi "Soft", "Mid", "Hard" und "Offroad", zudem können die Dämpfung und Federvorspannung in 24 Stufen individuell eingestellt werden. Weiterhin stehen 230 mm Federweg vorn und 220 mm hinten sowie eine Bodenfreiheit von 250 mm zur Verfügung. Damit lässt es sich im Gelände gut leben, auch wenn die Africa Twin mit vollem Tank 231 kg wiegt, die ES-Version bringt es auf 233 kg.

Es bleibt beim Stahlrahmen mit angeschraubten Heckrahmen aus Aluminium und einer Aluminium-Schwinge mit Pro-Link-Aufhängung. Sie ermöglicht mithilfe eines Hebelmechanismus eine mit dem Einfedern progressiv ansteigende Federrate, was trotz höchst sensibel ansprechender Federung und unverändertem Federweg ein Durchschlagen wirkungsvoll verhindert. Die Africa Twin rollt vorne auf einem 21-Zoll-Rad, hinten auf einem 18-Zöller und die Sitzhöhe ist auf 850 oder 870 mm einstellbar. Mit einem Radstand von 1575 mm, 113 mm Nachlauf und 62,5 Grad Lenkkopfwinkel ändert sich im Vergleich zur Vorgängerin an der Fahrwerksgeometrie nichts.

Eine siebenstufige Schlupfregelung optimiert den Grip auf der Straße, Profis können sie aber auch abstellen, was die Geländeleistung verbessern hilft. Die dreistufige Wheelie-Kontrolle verhindert ein aufsteigendes Vorderrad. Der Fahrer kann unter vier Fahrmodi wählen: "Tour", "Urban", "Gravel" und "Offroad" sowie zwei individuell einstellbare Modi. Das Kurven-ABS von Bosch des Typs MM 7.10 wird von einer Sechs-Achsen-Sensorik kontrolliert und kann im Modus "Offroad" am Hinterrad abgeschaltet werden.

Für das Modelljahr 2024 gestaltete Honda die Frontverkleidung und den Sitzbankabschluss neu. Das ebenfalls neue Windschild lässt sich nun in fünf Stufen in der Höhe verstellen. Die Version ES erhält serienmäßige Heizgriffe und eine 12-Volt-Ladebuchse.

Honda regelt seine Africa Twin weiterhin elektronisch bei 199 km/h ab. Das mag man gut finden oder nicht, es trägt auf jeden Fall zur Sicherheit bei. Auch der Tank bleibt unverändert, er bunkert 18,8 Liter und sichert bei einem WMTC-Modus von 4,9 Liter eine Reichweite von 380 km. Im Cockpit blickt der Fahrer wie gewohnt auf ein 6,5 Zoll großes TFT-Display mit Apple CarPlay bzw. Android Auto. Eine Lithium-Ionen-Batterie reduziert das Gewicht. Gegen Aufpreis ist das Hondas Motorrad-Doppelkupplungsgetriebe DCT (Test) erhältlich, es steigert das Gewicht allerdings um zehn Kilogramm.

Honda Africa Twin (8 Bilder)

Das kleinere 19-Zoll-Vorderrad soll im Straßenbetrieb eine verbesserte Handlichkeit, mehr Stabilität und Feedback bieten.

Die CRF 1100 L Africa Twin Adventure Sports ist die noch tourentauglichere Variante mit einem 24,8-Liter-Tank. Sie erhält ebenfalls alle Neuerungen der CRF 1100 L Africa Twin, verfügt aber für das Modelljahr 2024, statt eines 21 Zoll großen Vorderrads, über ein 19-Zoll-Vorderrad mit der Reifendimension 110/80-19. Es soll im Straßenbetrieb eine verbesserte Handlichkeit, mehr Stabilität und Feedback bieten. Ihre Federwege schrumpfen auf 210 mm vorne und 200 mm hinten. Somit sinkt die Sitzhöhe auf der nun komfortabler gepolsterten Sitzbank auf 855 bzw. 835 mm. Das semi-aktive EERA-Fahrwerk von Showa hat sie bereits serienmäßig eingebaut, um den Fahrkomfort zu erhöhen. Aufgrund der Mehrausstattung und des größeren Tanks steigt ihr Gewicht auf 243 kg.

Die CRF 1100 L Africa Twin gibt es in Rot, Weiß oder Schwarz, die CRF 1100 L Africa Twin Adventure Sports in Weiß oder Schwarz. Preise hat Honda noch nicht genannt, die alte CRF 1000 L Africa Twin startete bei 15.290 Euro, die CRF 1000 L Africa Twin Adventure Sports bei 17.440 Euro. Die brandneue BMW F[ ]900[ ]GS Adventure beispielsweise beginnt mit einem Listenpreis von 14.750 Euro. Mit ziemlicher Sicherheit wird Honda auf den Modelljahrgang 2024 preislich noch etwas draufpacken.

Hersteller Honda
Modell CRF 1100 L Africa Twin und CRF 1100 L Africa Twin Adventure Sports
Motor und Antrieb
Motorart Otto
Zylinder 2
Ventile pro Zylinder 4
Hubraum in ccm 1084
Bohrung x Hub 92,0 x 81,5
Leistung in kW (PS) 75 (102)
Bei/min 7500
Drehmoment in Nm 112
Bei/min 5500
Antrieb Dichtringkette
Getriebe Sequenzielles Schaltgetriebe
Gänge 6
Fahrwerk
Rahmen Stahlrohr-Brückenrahmen
Radaufhängung vorn Upside-Down-Telegabel
Radaufhängung hinten Zweiarmschwinge mit Feder-Dämpferbein
Reifen vorn 90/90-21 bzw. 150/70-18
Reifen hinten 110/80-18
Bremsen vorn Doppelscheibe, 310 mm, Vierkolben-Festsättel
Bremsen hinten Einzelscheibe, 256 mm, Doppelkolben
Maße und Gewichte
Radstand in mm 1575
Lenkkopfwinkel in Grad 62,5
Nachlauf in mm 113
Federweg in mm v/h 230/220 bzw. 210/200
Gewicht leer in kg 231 bzw. 243
Tankinhalt in Litern 18,8 bzw. 24,8
Sitzhöhe in mm 850 – 870 bzw. 835 – 855

(fpi)