Motorrad-Vorstellung BMW M 1000 R: M wie Muskeln

Das Naked Bike M 1000 R mit 210 PS bietet als Entwicklung der M GmbH viel Elektronik, semi-aktives Fahrwerk, M-Bremsen und bei 280 km/h sinnvolle Winglets.

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BMW M 1000 R

(Bild: BMW)

Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Ingo Gach
Inhaltsverzeichnis

Als hätten der 999-cm3-Reihenvierzylinder in der S 1000 RR und S 1000 R je unter Leistungsmangel gelitten. Im Gegenteil, der Motor aus München galt stets als einer der besten auf dem Markt und stemmt im vollverkleideten Superbike RR aktuell 207 PS bei 13.500/min, im Naked Bike mit dem Kürzel R ist die Spitzenleistung zugunsten eines günstigeren Drehmomentverlaufs auf 165 PS bei 11.000/min gekappt. Eigentlich mehr als ausreichend, aber da gibt es immer Menschen, die behaupten, dass man nie genug Leistung haben könnte.

Um deren Wünschen zu entsprechen, brachte BMW 2021 zum ersten Mal in der Firmengeschichte ein Motorrad auf den Markt, das von der legendären M GmbH entwickelt worden war. Auf Basis der S 1000 RR (Test) entstand die M 1000 RR mit 212 PS bei 14.500/min. Die Mehrleistung generierte der Motor neben dem höheren Drehvermögen bis 15.100/min unter anderem durch Schmiedekolben von Mahle und Titanpleuel von Plankl.

Die ShiftCam-Technologie für variable Ventilsteuerzeiten machte das kräftige Drehmoment über einen größeren Drehzahlbereich nutzbar. Auch beim Fahrwerk und den Bremsen legte die M GmbH gründlich Hand an und jede Menge Kohlefaserlaminat hilft, das Gewicht zu senken. Ins Auge sprangen an der M 1000 RR aber vor allem die breit ausgestellten Winglets für einen erhöhten Anpressdruck. Auf der Rennstrecke gehört die aktuell 33.000 Euro teure M 1000 RR zur absoluten Spitze, hier machen die Leistung und die sündhaft teuren Komponenten Sinn.

Umso überraschender präsentiert die M GmbH jetzt auf Basis der S 1000 R die M 1000 R – ein Naked Bike mit 210 PS. Kurz durchatmen. Wir reden hier von BMW, einer Marke, der jahrzehntelang der Ruf des Konservatismus, der Biederkeit und des Sicherheitsdenkens anhing. Gut, die S 1000 RR hat ab 2009 bewiesen, dass die Münchner auch anders können, aber sie war als Mittel zum Zweck entwickelt worden, um Lorbeeren in der Superbike-WM zu holen (was sie bis heute nicht geschafft hat). Sie wurde in eine Zeit hineingeboren, in der die Klasse der Sportmotorräder ihren Sinkflug begann und die heute fast in der Bedeutungslosigkeit verschwindet. Dennoch hielt BMW aus Prestigegründen an der S 1000 R fest. Doch jetzt ein Naked Bike, das ausdrücklich für den Einsatz auf der Landstraße konzipiert wurde, mit über 200 PS zu versehen, bedeutet die völlige Abkehr von allem, was BMW bisher heilig war.

BMW M 1000 R (7 Bilder)

BMW bringt mit der M 1000 R das zweite Motorrad, das unter der Regie der M GmbH entstanden ist.

Mit welcher Aggressivität die M 1000 R in den Markt gedrückt werden soll, zeigen die Werbesprüche. Als Slogan ersannen die Münchner für die M 1000 R: "Spüre einen Hauch von Wahnsinn." Das trifft nicht nur auf das Produkt, sondern auch auf die Marketingleute zu. Aber es kommt noch besser: "Brachiale 210 PS mit 280 km/h Topspeed unter deiner Kontrolle – auf der Landstraße oder dem Racetrack." 280 km/h auf der Landstraße? Die trauen sich was. "Ihr Auftrag: Übertriff dich selbst – dominiere die Straße!" Es ist noch nicht lange her, da wäre der Verantwortliche in der Marketingabteilung von BMW für diese Sprüche gesteinigt worden.

Rein technisch betrachtet, war die Transformation des Motors aus der M 1000 RR in die M 1000 R kein großes Kunststück. Da die R einst aus der RR hervorging, ist die Basis weitgehend identisch. Ein Respektabstand zum Superbike musste natürlich bestehen bleiben und daher erhielt die M 1000 R mit 210 PS bei 13.750/min zwei Pferdestärken weniger als die RR. Interessant ist, dass die M 1000 R zwar 45 PS mehr leistet als die S 1000 R. Bei 113 Nm hat sie jedoch ein Nm weniger Drehmoment, und das auch noch bei 11.000/min, also 1750/min später.

Dennoch verspricht die M GmbH dank der ShiftCam-Technologie fast den gleichen Drehmomentverlauf wie bei der S 1000 R, aber mit der Höchstleistung der RR. Unterstützt wird die Ventilsteuerung von Lufteinlasskanälen, die von einem Servomotor situationsgerecht in zwei Positionen in ihrer Länge variiert werden. Damit ergibt sich mindestens ein Last/Drehzahlbereich mit Resonanzaufladung durch die schwingenden Luftsäulen. Ein Datenblatt von BMW bescheinigt der M 1000 R ab 5500/min bis zum roten Bereich stets über 100 Nm Drehmoment, allerdings mit einem kleinen Einbruch bei 8000/min. Die Maximaldrehzahl schraubten die M GmbH-Ingenieure von 12.000 auf 14.600 Touren hoch. Für eine noch bessere Beschleunigung vergrößerten sie das Kettenrad von 45 auf 47 Zähne und kürzten gleichzeitig die Gänge vier, fünf und sechs.