Niederlassung der Internet-Apotheke DocMorris auf dem Prüfstand [Update]

Am heutigen Mittwoch beginnt das erste von insgesamt vier Verfahren, mit denen die deutschen Apotheker den unliebsamen Online-Konkurrenten zurückdrängen wollen.

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Von
  • Detlef Borchers

Am heutigen Mittwoch wird der Kartellsenat des Landgerichts Saarbrücken über den Eilantrag einer Apothekerin verhandeln, die die erste deutsche Filiale des niederländischen pharmazeutischen Internet-Versandhändlers DocMorris in ihrer Nachbarschaft verbieten lassen will. Damit beginnt das erste von insgesamt vier Verfahren, mit denen die deutschen Apotheker den unliebsamen Konkurrenten zurückdrängen wollen. DocMorris hatte mit Genehmigung des saarländischen Gesundheitsministers Josef Hecken (CDU) am 29. Juni eine Apotheke übernommen und dabei die ehemalige Inhaberin als verantwortliche Apothekerin angestellt. Gleich im ersten Monat gelang es dem Unternehmen, den Umsatz der Apotheke zu verdoppeln.

Die Klagen der Apothekerin und des Bundesverbandes der Apotheken gründen sich vor allem auf die Vorschrift, dass eine Apotheke nur von einem zugelassenen Apotheker und mithin von einer natürlichen Person geführt werden darf. DocMorris ist rechtlich eine Aktiengesellschaft, die mit dem Aufkaufen von Apotheken ein Filialnetz in ganz Deutschland aufziehen will. Auch das ist Gegenstand einer Klage: Apotheker dürfen nur drei Filialen eröffnen, die in "enger Nachbarschaft" zur Stammapotheke liegen müssen. Gegen das deutsche Apothekenrecht beruft sich DocMorris auf das europäische Recht der Niederlassungsfreiheit.

Gegen die von dem CDU-Minister erteilte Betriebserlaubnis, die Hecken auch gegen die Kritik der Apothekerverbände verteidigt, wettert vor allem die FDP in Gestalt des saarländischen Bundestagsabgeordneten Karl Addicks. Er kritisierte die Erlaubnis als "Nacht- und Nebelaktion" und forderte die Schließung eines Angebotes, das "nach dem Vorbild von Aldi und Lidl Medikamente verkauft". Zustimmung gibt es hingegen bei den Grünen: "Endlich traut sich jemand aus der Union offenzulegen, wie teuer der Schutz von Apothekerprivilegien die Versicherten kommt", erklärte der Bundesvorsitzende Reinhard Bütikofer.

Auf Seiten der Krankenkassen sind es die Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK), die bei dem Vorgehen von DocMorris "keinerlei Bedenken haben" – das zumindest meinte Norbert Schleert, Abteilungsleiter für Arznei- und Heilmittel beim AOK Bundesverband. Als positives Signal wird der Ansatz von DocMorris bei Verbraucherschützern und Gesundheitspolitikern gewertet. Nach der Meinung Gerd Glaeske, Professor für Gesundheitspolitik, könnten Kettenapotheken mit vielen Filialen ein Qualitätsmanagement aufziehen, von dem das deutsche Gesundheitswesen profitieren kann. "Das deutsche System der Einzelapotheken ist viel anfälliger für Qualitätsdifferenzen", erklärte Glaeske.

Die Entscheidung über die Niederlassung von DocMorris könnte erhebliche Auswirkungen auf die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte haben. Als kombinierter Internet-Versandhändler und ortsnaher Apotheker könnte DocMorris ein Netz von Internet-Terminals errichten, über das Medikamente per Chipkarte bestellt werden – und gleichzeitig unsicheren Kunden eine Beratung vor Ort anbieten. Insgesamt könnte nach Berechnungen des saarländischen Gesundheitsministeriums ein effizienter Medikamenten-Versandhandel, in dem auch 1250 deutsche Apotheken tätig sind, Einsparungen von zwei Milliarden Euro jährlich realisieren.

[Update]:
Zumindest in dem heutigen ersten Eilverfahren konnte DocMorris einen Zwischensieg erreichen. Das Gericht wies den Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung gegen die Zulassung in Saarbrücken ab. Die zuständige Kammer habe Einrichtung einer Filiale nicht als Verstoß gegen die Vorschriften gegen unlauteren Wettbewerb angesehen, wie dies die Antragstellerin ausgeführt habe, hieß es beim Gericht. Auch habe die Kammer keine offenkundigen Fehler im Genehmigungsverfahren feststellen können. Die übrigen Klagen der Apotheker sind von dieser Entscheidung vorerst nicht betroffen; die Apothkerverbände kündigten zudem an, die Verfahren durch alle Instanzen bis hin zum europäischen Gerichtshof durchfechten zu wollen.

Als nächstes Gericht ist jedenfalls das saarländische Verwaltungsgericht an der Reihe. Vor diesem Gericht wird in 3 bis 4 Wochen der Eilantrag des deutschen Apothekerverbandes und der Apothekerkammer des Saarlandes verhandelt, der Apotheke die Betriebserlaubnis zu entziehen. auf diesen Eilantrag wird das Hauptverfahren folgen, das mehrere Jahre dauern kann. Eine beschleunigte Entscheidung könnte dann erfolgen, wenn die Verwaltungrichter die Frage gleich dem europäischen Gerichtshof vorlegen, der die letzte Instanz in dieser Auseinandersetzung ist.

Zur elektronischen Gesundheitskarte und der Reform des Gesundheitswesens siehe auch:

(Detlef Borchers) / (jk)