Vertrieb: Wie die Abschlussangst den Erfolg verhindert

Jeder Erfolg stärkt das Selbstbewusstsein des Verkäufers. Bleiben die Erfolge aus, besteht die Gefahr, dass der Mitarbeiter eine regelrechte Angst vor dem Nein des Kunden entwickelt, die sogar sichere Abschlüsse in Gefahr bringt. Anne M. Schüller gibt erste Tipps.

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Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Marzena Sicking

Der Erstkontakt war erfolgreich, der Kunde scheint an den Produkten oder Dienstleistungen sehr interessiert, der Abschluss rückt in greifbare Nähe. Und plötzlich ändert sich das Verhalten des Verkäufers: Der Profi, der bislang so souverän und selbstbewusst für sein Angebot einstand, wirkt plötzlich nervös und unsicher. Das überträgt sich auch auf den Kunden, der plötzlich daran zweifelt, ob es wirklich sinnvoll ist, dieser Firma den Auftrag zu erteilen. Dabei hat sich das Produkt des Vertriebsmitarbeiters natürlich nicht geändert, aber seine Botschaft. Denn Verkäufer sind Entscheidungshelfer und wer im entscheidenden Moment unsicher wirkt, weckt auch beim Kunden Zweifel. Die Folge können ein Rückzug des Kunden und ein verpasster Abschluss sein.

"Wer im Verkauf tätig ist, muss zwangsläufig mit einer bestimmten Anzahl von Absagen rechnen – das ist ein Teil des Jobs", erklärt Anne M. Schüller, Management-Consultant und Expertin für Loyalitätsmarketing. Weniger erfolgreiche Verkäufer spüren jedoch oft die unbewusste Angst vor einer Beschädigung ihres Ego oder einer emotionalen Zurückweisung. "Ablehnung kann, wie jeder am eigenen Leib schon gespürt hat, eine sehr unangenehme Erfahrung sein. So versuchen wir, dies zu vermeiden. Wir schwafeln herum und reden um den heißen Brei, nur um der Abschlussfrage aus dem Weg zu gehen", so Anne M. Schüller.

Anne M. Schüller ist Management Consultant und gilt als führende Expertin für Loyalitätsmarketing. Über 20 Jahre lang hat sie in leitenden Vertriebs- und Marketingpositionen verschiedener internationaler Dienstleistungsunternehmen gearbeitet und dabei mehrere Auszeichnungen erhalten. Die Diplom-Betriebswirtin und neunfache Buch- und Bestsellerautorin zählt zu den gefragtesten Keynote-Rednern im deutschsprachigen Raum. Sie arbeitet auch als Business-Trainerin und lehrt an mehreren Hochschulen. Sie gehört zum Kreis der 'Excellent-Speakers'. Ihr Buch 'Kundennähe in der Chefetage' wurde mit dem Wirtschaftsbuchpreis 2008 ausgezeichnet. Zu ihren Kunden zählt die Elite der Wirtschaft.

Tatsächlich zweifelt der Verkäufer nicht an seinem Produkt, sondern kämpft mit einer körperlich spürbaren Angst. Steigender Blutdruck, Herzrasen und feuchte Hände signalisieren ihm eine potentielle Gefahr: die Gefahr der Niederlage. Der Verkäufer hat plötzlich Angst vor einem möglichen "Nein" des Kunden. Eine häufige Folge dieser "Abschlussangst" sind verschiedene Vermeidungsprogramme, mit denen sich der Verkäufer vor der Ablehnung schützt: Es werden lieber Termine mit unteren Chargen ausgemacht, denn die bekommt man leichter und eine Ablehnung ist weniger schmerzhaft und endgültig – man kann es ja theoretisch noch immer bei einem "großen Tier" probieren. Das Abtelefonieren unergiebiger Adresslisten wird immer wieder hinausgeschoben, denn die Neins am Telefon sind bisweilen besonders brutal. Wenn es um Termine mit besonders schwierigen Kunden geht, findet der Verkäufer immer wieder Gründe, warum es "heute wirklich nicht geht".

Aber was kann man tun, wenn die Abschlussangst den Verkäufer immer wieder lähmt und sich so zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung entwickelt? Zum einen sind hier die Führungskräfte gefragt. Wie Anne M. Schüller betont, haben diese die Verpflichtung, ihren Mitarbeitern individuelle und realistische Ziele zu setzen, an denen die Verkäufer wachsen können: "Wir lernen am besten, wenn Herausforderungen unser Oberstübchen 'wachrütteln'. Das Verschwinden der Angst und die Erfahrung, ein aufgetretenes Problem erfolgreich gemeistert zu haben, ist uns die größte Belohnung". Siege schmecken süß, sagt der gesunde Menschenverstand. Und das heißt auch: es werden Glückshormone ausgeschüttet. Das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten nimmt zu, die Angst vor der Herausforderung nimmt ab. Das funktioniert aber nur, wenn die Zielsetzung durch die Vorgesetzten nicht völlig unrealistisch und der Mitarbeiter nicht hoffnungslos überfordert ist – was leider im Vertrieb vieler Unternehmen aber an der Tagesordnung ist.

Wer sich in einer Art Angststarre befindet, zweifelt ohnehin schon stark an sich. Den Druck in so einer Situation weiter zu erhöhen, führt nicht zum Erfolg, sondern schlimmstenfalls zu einem Zusammenbruch des Mitarbeiters, wie Anne M. Schüller warnt. "Verständnis und Beistand sind das wichtigste, das ein Mensch in einer solchen Situation braucht, um Sicherheit zurückzugewinnen und neuen Mut zu schöpfen. Kleine Schritte der Annäherung und erste Erfolgserlebnisse machen langsam dem Selbstbewusstsein wieder Platz. Das geht bei manchen schnell und bei anderen eher langsam."

Auch der Betroffene selbst kann einiges dafür tun, um seine Angst zu besiegen. Anne M. Schüller rät beispielsweise, sich vor dem Kundentermin bewusst positiv zu stimmen: Freuen Sie sich auf das Gespräch, Ihren Gesprächspartner – und auf Ihr Lampenfieber. Der Kick macht Sie hellwach und Ihre Performance steigt. Seien Sie zuversichtlich und denken Sie an frühere Erfolge." Ihr Geheimtipp für Verkäufer: Das Anlegen und Führen eines "Erfolgsbuchs". Hier sollte der Verkäufer genau notieren, welche Erfolge er bereits verbuchen konnte und wie er dabei im einzelnen vorgegangen ist. Das stärkt das Selbstbewusstsein und hilft dabei, persönliche Erfolgsstrategien zu entwickeln.

Gegen die körperlichen Symptome, die bei Angst auftreten können, hilft eine bewusste und tiefe Atmung. Auch sollte man möglichst viel Wasser trinken, denn das spült das Adrenalin aus dem Blut, so die Expertin. "Wenn Sie eine größere Präsentation vor sich haben: Gehen Sie in den Waschraum, warten Sie, bis Sie alleine sind und dann schneiden Sie kräftig Grimassen im Spiegel. Schließlich mit einem 'Stoßseufzer' die ganze Anspannung loslassen – und dann mit einem Lächeln zum Auftritt gehen."

Und selbst wenn es tatsächlich mal nicht so gut läuft, sollte der Verkäufer nicht überemotional reagieren, sondern besser die Gründe hinterfragen: liegt es am Preis, an der Story, am falschen Zeitpunkt? Vielleicht können Sie ja noch entsprechend nachjustieren und so doch noch den erhofften Abschluss kriegen. Nach dem sollten Sie allerdings aktiv fragen und auf ein klares Ja oder Nein pochen – so gewinnen Sie Zeit für andere vielversprechende Termine. Sollte es ein Nein sein, ist das kein Weltuntergang, sagt auch Anne M. Schüller: Ein Nein bedeutet nicht Nie". (Marzena Sicking) / (map)

Buchtipp zum Thema: Anne M. Schüller, "Erfolgreich verhandeln – erfolgreich verkaufen. Wie Sie Menschen und Märkte gewinnen", BusinessVillage 2009, 224 Seiten, 24,80 Euro [D] / 25,60 Euro [A] / 37.90 CHF,ISBN-13: 978-3-938358-95-5 (masi)