Fahrbericht Moto Guzzi V100 Mandello S: Moderne Zeiten

Seite 2: Rückmeldung vom semi-aktiven Fahrwerk

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Während die Guzzi in der Innenstadt ihre 233 kg Leergewicht nicht leugnen kann, zeigt sie ab dem Ortsausgangsschild eine angenehme Leichtigkeit beim Umlegen in Kurven. Die V100 Mandello in S-Ausführung besitzt im Gegensatz zum Basis-Modell ein semi-aktives Fahrwerk von Öhlins mit 130 mm vorne und hinten. Wer will, kann es auch selber in vielen Einzelstufen elektronisch im Menü einstellen, hinten hält die Guzzi sogar einen Handknauf für die Federvorspannung parat.

Das semi-aktive Fahrwerk reagiert auf die vier Fahrmodi "Rain", "Tour", "Road" und "Sport" mit unterschiedlicher Härte. Wer eine komfortable Beförderung bevorzugt, wählt "Rain" oder "Tour", wobei dann das Ansprechverhalten des elektronischen Gasgriffs nicht sonderlich spontan ist. Bei "Road" oder gar "Sport" zeigen sich Upside-down-Gabel und Federbein schon deutlich straffer. Aber da die V100 Mandello S ein Sporttourer ist, erscheint mir das Ansprechverhalten nicht ungebührlich hart, denn wenn man den Adler fliegen lässt, segelt er schon sehr flott um die Kurven. Auf schlechten Wegstrecken spüre ich zwar Löcher und Buckel in der Asphaltdecke, aber ich mag bei forcierter Gangart ein direktes Feedback, das einen nicht in trügerischer Sicherheit wiegt.

Es macht Laune, mit der V100 Mandello S durch Kurven zu wetzen, sie lenkt sich zwar nicht übertrieben agil ein, braucht aber auch keinen sonderlichen Nachdruck. Wobei der mit 190/55-17 etwas breit gewählte Hinterreifen einer noch besseren Handlichkeit entgegensteht. Bremsen in Schräglage beantwortet sie entsprechend mit einem deutlichen Aufstellimpuls. Aber ansonsten harmonieren die aufgezogenen Pirelli Angel GT II gut mit der Guzzi. Einmal in Schräglage, geht sie zielsicher und absolut ruhig durch jeden Radius.

Die beiden Brembo-Stopper am Vorderrad verzögern hervorragend und das serienmäßige Kurven-ABS spricht feinfühlig an. Dank der aufrechten Sitzposition, des gemäßigten Kniewinkels und der kommoden Sitzbank gestalten sich auch lange, kurvenreiche Ausfahrten als komfortabel. Dazu trägt der im S-Modell vorhandene Quickshifter bei, der Hoch- und Runterschalten ohne Kupplungseinsatz zulässt und geschmeidig funktioniert.

Ich wechsle auf die Autobahn und auch hier macht die V100 Mandello S eine gute Figur. Elektrisch lasse ich den Windschild um neun Zentimeter bis ganz nach oben surren, der dann erstaunlich gut schützt. Einen netten Gag hat Moto Guzzi mit den sogenannten "Flaps" eingebaut. In der Verkleidung fährt im Modus "Rain" auf beiden Seiten ein kleiner Flügel um ca. fünf Zentimeter aus, der zusammen mit dem Windschild den Winddruck um 22 Prozent mindern soll. Im Modus "Tour" öffnen sich die Flaps je nach vorher eingestellter Geschwindigkeit. In der Praxis ist der Effekt aber überschaubar.

Moto Guzzi V100 Mandello S (7 Bilder)

Liebe zum Detail: Im Scheinwerfer sitzt ein LED-Tagfahrlicht in Gestalt eines stilisierten Adlers.
(Bild: Ingo Gach)

Dennoch ist die Guzzi ein erstaunlich guter Autobahn-Express, selbst höhere Dauergeschwindigkeiten spult sie tadellos ab. Höchstgeschwindigkeit rennt die V100 Mandello S 230 km/h. Zwar hat unser Test-Exemplar nicht die im Zubehör für 999 Euro erhältlichen Koffer (mit insgesamt 59 Liter Fassungsvermögen) dabei, aber da sie sich nahtlos in die Linie einfügen, dürfte die V100 Mandello S auch einen vorzüglichen Reisetourer abgeben. Sie verbraucht bei gemischten Betrieb (Stadt/Landstraße/Autobahn) exakt 5 Liter Benzin auf 100 Kilometer, was ihre eine Reichweite von 340 Kilometer beschert.

Die neue Moto Guzzi verfügt über eine Vielzahl an elektronischen Assistenzsystemen, die alle bestens funktionierten. Neben den bereits erwähnten vier Fahrmodi, dem Quickshifter und Kurven-ABS, lässt sich das Motorbremsmoment zweistufig einstellen und die Schlupfregelung vierfach oder ganz ausstellen. Sie hat einen Tempomat, eine Reifendruckkontrolle und Heizgriffe, außerdem lässt sich das Smartphone per Bluetooth mit dem TFT-Display verbinden. Das Menü wird über vier Tasten am linken Lenkerende bedient und die Führung erfolgt logisch und eigentlich narrensicher. Sehr hübsch ist die Idee, einzelne Menüpunkte wie Heizgriffe, Reifen oder Telefon als Piktogramme darzustellen.

Sonst keine Kritikpunkte? Doch: Beim Tanken spritzt das Benzin aus dem Einfüllstutzen auf den Tank, egal wie tief die Zapfpistole drinsteckt oder in welchem Winkel man sie hält. Die einzige Lösung besteht darin, den Hebel an der Zapfpistole nur ganz wenig zu ziehen, so dass der Sprit mit minimalem Druck fließt. Doch dann zieht sich der Tankvorgang ziemlich in die Länge. Außerdem leuchtet die Reifendruckkontrolleuchte nach dem Kaltstart für ein oder zwei Kilometer, trotz korrekt eingestellten Luftdrucks, bevor sie von selbst wieder erlischt.

Die Moto Guzzi V100 Mandello S kostet 17.999 Euro, 2500 Euro mehr als für das Basismodell. Sicher ein ambitionierter Preis, aber – und ich riskiere jetzt, mir den Zorn aller alten Guzzifahrer zuzuziehen – sie ist die beste Moto Guzzi aller Zeiten. Ihr moderner Motor bietet Druck und Laufkultur, das Fahrwerk ist ausreichend handlich, bei Bedarf ist sie sehr flott unterwegs und der Sound ein Genuss. In Mandello del Lario brechen moderne Zeiten an.