Hunsrück-Volvo: Der Opel Insignia GSI im Test

Der Opel Insignia wird in der oberen Mittelklasse oft übersehen. Der GSI macht dagegen auf sportlich und laut. Vielleicht wird er unterschätzt. Ein Test.

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Lesezeit: 11 Min.
Von
  • Christian Lorenz
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Der chili-rote Opel Insignia GSI Fließheck (Opel-Sprech: "Grand Sport") provoziert spontan und unerwartet Beifall. Vorwiegend Frauen zwischen Anfang 20 (meine Nichte) und über 80 (meine Nachbarin) loben ihn ungefragt, bezeichneten ihn als "chic" und fragen nach der Marke. Bei der Antwort reagieren alle mit derselben Mischung aus Überraschung und Anerkennung, die die Zerstäubung eines lange gehegten Vorurteils untermalt. Kann der Topopel vielleicht jahrzehntelangen Zöpfe der Biederkeit abschneiden und eine neue Eleganz vermitteln? Mir gefällt die francohessische Marke. In meinen Augen hat der Insignia das Zeug zur wahren Understatementalternative zu Volvo.

Anscheinend hat aber der Insignia GSI auch die frühere Hemdsärmeligkeit der Marke Opel nicht ganz abgelegt. Die erste männliche Reaktion und die zweite weibliche Reaktion legen das nahe, wenn man näher an Opels Spitzenmodell herantritt. Spätestens wenn der Blick des Betrachters der Integralsportsitze gewahr wird, die optisch eher in eine Dodge Viper passen würden. Man muss sie, ebenso wie den Heckspoiler auf der großen Klappe aktiv bestellen und bezahlen. Meine Kollegen und Freunde schwanken noch zwischen "ziemlich dick aufgetragen!" und "furchtbar!", Irritation und Ablehnung. Ich kann indes nicht umhin, diesen Schuss Brandstifterei in die biedere Limousine irgendwie zu mögen.

Hat man erst einmal Platz genommen, fällt es schwer, den Sitzen ihre optische Krawallsucht noch vorzuwerfen und die 1400 Euro Aufpreis nicht einzukalkulieren. Die Sitzmöbel lassen sich in jeder Richtung an den Körper anpassen. Nur die Sitzauflage muss man noch manuell herausziehen. Ansonsten ist alles serienmäßig elektrisch verstellbar mit Memory. Das Sitzgefühl bestätigt die Erwartungen, welche die dicken Plaketten AgR (Aktion gesunder Rücken) auf dem Sitzrahmen wecken. Mit einer, wenn auch im Vergleich zur Premium-Oberklasse eingeschränkten Massagefunktion im Sitzkissen, sowie Sitzheizung und -lüftung bietet der Sitz in Tourenwagenoptik endgültig hervorragenden Reisekomfort zu einem unerhört günstigen Tarif. Da ist sogar bereits der Lederbezug enthalten.

Opel Insignia GSI Sitz- und Gepäckraum (5 Bilder)

Die Tuning-Optik der Sportsitze muss man vertragen können. Rein funktionell überzeugen sie mit perfekter Einstellbarkeit und umfassender Ausstattung. Für gut 1300 Euro Aufpreis inklusive umfassendem Paket sind sie zudem fair eingepreist. (Bild: Florian Pillau)

Der Blick fällt auf ein Armaturenbrett, das gänzlich ohne Reminiszenzen an weiß-gelbe oder in Rothmanns-Design getauchte Irmscher-Asconas auskommt. Der mit Lederanmutung und optischer Naht überzogene Instrumententräger favorisiert Gediegenheit vor dem letzten Schrei der Modernität. Er wirkt damit angenehm und gemütlich, aber nicht bieder. Auch den Verzicht auf das heutzutage nahezu unvermeidliche Vollbildschirmkombiinstrument, kann man eher als Charakter-Plus denn als Ausstattungsnachteil werten. Zumal die Bildschirmorgie ja in der reinen Ablesbarkeit wichtiger Daten ohnehin eher Nach- als Vorteile bringt.

Die Opel-typische Zwischenlösung, die schon im Astra zusagte, flankiert einen vielfach konfigurierbaren Bildschirm mit zwei chromgefassten Rundinstrumenten. Die anloge Uhr rechts zeigt die Drehzahl an. Links sind in zwei halbrunden Skalen die analogen Anzeigen für Wassertemperatur und Tankfüllstand angezeigt. Ein Drittel der beiden Chromringe ragen in den Bereich des mittigen Bildschirms über. Hier lassen sich je nach Fahrerwunsch Zusatzanzeigen einblenden. Da sich die Konfiguration zudem nahezu intuitiv erschließt, wird hier zumindest derjenige nichts vermissen, dem es bei Anzeigen um die Information des Fahrers geht.

Eine Freude ist die Auswahl und Anordnung von Knöpfen und Schaltern. Sämtliche Funktionen, die ein Fahrer schnell während der Fahrt bedienen können will oder muss, lassen sich nach kurzer Eingewöhung blind bedienen. Ein Optimum an Bediensicherheit wie dieses opfern die selbsternannten Premiummarken heute leider oftmals blinder Teslamania. Die Teslas erwecken den Eindruck, man habe auf Tablets mit Touchfunktion zurückgreifen müssen, weil es an Expertise in ergonomischer Cockpitgestaltung fehlte.

Opel Insignia GSI außen (7 Bilder)

Der Insignia in der Fließheckversion Grand Sport gehört mit fast fünf Metern Länge und fast zwei Metern Breite zu den wuchtigsten Möbeln in der automobilen Mittelklasse. Als Topmodell GSI mit 230 PS, Neungang-Automatik, Allradantrieb und bereits großzügiger Serienaustattung beginnt er preislich bei knapp unter 49.000 Euro.
(Bild: Florian Pillau)

Das gestochen scharfe Head-Up-Display (HUD) ist für 1300 Euro im Paket mit der adaptiven Geschwindigkeitsregelung erhältlich und für jeden Insignia-Fahrer ein Muss. Das Display lässt sich auch bis an den unteren Rand der Windschutzscheibe verschieben ohne aus dem Gesichtsfeld zu verschwinden. Nachjustierung und Neukonfiguration des HUD während der Fahrt sind kein Problem.

Der 20,3-Zentimeter-Zentralbildschirm mag vielleicht nicht den letzten Stand bei Bildschärfe und Darstellungsbrillanz liefern, das Navigationssystem verfügt aber über Echtzeitverkehrsdaten. Android Auto und Apple CarPlay sind zudem Standard und die Sprachbedienung funktioniert deutlich besser als in früheren PSA-Modellen. Gegenüber dem, was Daimler und BMW in dieser Hinsicht bieten, hinkt sie, sehr wohlwollend geschätzt, mindestens vier Produktgenerationen hinterher. Insgesamt ist das Opel-Infotainment im Vergleich zum Volvo der deutliche Gewinner zum viel günstigeren Preis.

Beim Druck auf den Startknopf hört man zunächst wenig. Das ist erfreulich, wie sich bei hohen Drehzahlen herausstellt. Der Zweiliterturbo mit vier Zylindern klingt selbst für einen Großserienvierzylinder bemerkenswert profan. Er wurde glücklicherweise ordentlich weggedämmt. Kurz trauere ich in mich hinein, wie emotional aufwühlend der Vierventilvierzylinder im Ascona 400 klang, mit dem Walter Röhrl zum zweiten WM-Titel fuhr.