Test Elektroauto Honda e: Cool statt funktional

Hondas knuffiger "e" lockt mit toller Kabine, Heckantrieb und gutem Chassis. Doch Preis und Funktion sprechen leider gegen einen Honda e als Zweitwagen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 272 Kommentare lesen
Honda e

(Bild: Clemens Gleich)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Clemens Gleich
Inhaltsverzeichnis

"Das ist ja cool!", rufen die meisten Leute aus, wenn sie den Innenraum des Honda e sehen. Eine Leiste von fünf Bildschirmen erstreckt sich über einem Lowboard aus Holzimitat. Darunter ein flacher Boden mit stylischen (ausfahrbarer Getränkehalter) oder praktischen (Schuko-Steckdose mit immerhin 1500 Watt Leistung) Accessoires in schicker japanischer Schlichtheit. Statt Außenspiegel: Kameras mit Bildschirmen.

Das Auto fährt obendrein toll. Das ausgewogene Chassis macht Laune, und trotz praktischem Maschinenraum vorn unter der Haube statt Frunk hat sich Honda zum Glück einen Heckantrieb geleistet. Damit schiebt der e kräftig aus Kurven heraus und punktet in der Stadt mit viel Lenkeinschlag, der zu einem knackig-kleinen Wendekreis von 9,2 Metern führt. Honda rundet das Paket mit einem spacigen Design ab, das Hondas Kleinwagen der 1960er- und 1970er-Jahre zitiert, etwa den süßen N600. Man findet sogar Linien von Hondas Konzept EV-N aus dem Jahr 2010 wieder, weil das dasselbe tat.

All das kostet Geld: Honda will mindestens 33.850 Euro sehen – viel Asche für ein Auto, das keine 200 km am Stück fährt. Die Zielgruppe könnte jedoch ähnlich der eines Mini Cooper SE oder eines Fiat 500 Abarth sein, der Honda e sich also als der coole Zweitwagen des Haushalts bewerben. Dabei stört aber, dass Honda wirklich sehr nah am Concept-Car gebaut hat. Viele Systeme des e funktionieren beim Demonstrieren ganz nett und im Alltag häufig gar nicht.

Der Bildschirm hinter dem Lenkrad gehört den Tacho-Anzeigen. Die zwei Bildschirme in der Mitte und rechts gehören zu Infotainment/Telematik. Das meistbenutzte System wie immer: Navigation. Zum Glück hat Honda dieses System von Garmin machen lassen. Garmin ist zwar die Firma, die mich immer verkehrt in Einbahnstraßen leiten will, aber immerhin können sie ihr Metier besser als Honda selbst. Hondas eigene Navis waren stets weniger ein Fall für Usability-Besprechungen als eher ein Fall für die Genfer Konventionen.

Hier hapert es jedoch an der Systemintegration. Beispiel der Online-Sprachassistent: "Navigiere mich zu XY!" -> System sagt OK. Es passiert aber nichts. Manchmal behauptet der Assi, er verstehe mich nicht. Da er jedoch anzeigt, was er versteht, möchte ich ihn häufig der Lüge bezichtigen. Er versteht komplett richtig, was ich gesagt habe. Er hat nur keine Ahnung, was er dann machen soll, und das liegt nicht an der Spracherkennung (die kaufen die Hersteller ja alle zu), sondern an der Benutzerführung, die die Hersteller leider selber machen. Manchmal antwortet der Assi in einem kuriosen Denglisch-Mix, was den Konzeptauto-Eindruck vervollkommnet.

Honda e außen (18 Bilder)

Schöne, schlichte Kompaktlinie
(Bild: Clemens Gleich)

Ich will mich nicht lange mit dem Infotainment aufhalten, es ist schlicht und ergreifend etwas grützig. Man kommt (siehe Stellantis) schlussendlich damit irgendwie zurecht. Doch auch sonst hapert es an vielen Ecken und Enden an der Funktion. Die Heizleistung von Lenkrad- und Scheibenheizung ist so knapp dimensioniert, dass man beide hätte weglassen können. Das Lenkrad wird nur stellenweise, schubweise minimal warm, als gebe dir ein alter Kettenraucher auf dem Sterbebett die kühle Hand. Kalte Finger wärmen geht anders. Die Heizscheibe heizt so schwach, dass Honda immer mit Gebläse unterstützt, das dann die Hauptarbeit verrichtet. Das sind eindeutige Fehldimensionierungen.

Der ärgste Fehler sind jedoch ausgerechnet diese Kameraspiegel, die sich ja gerade nicht nur bei Honda durchsetzen. Bei Dunkelheit (Winter) und Dreck (Winter) sind die Dinger nicht nur nahezu nutzlos, sondern deshalb geradezu gefährlich. Ich fahre nachts nichtsahnend auf die Autobahn auf. In den Spiegelbildschirmen riesig aufblühende Scheinwerfer. Die Kamera blendet ab. Ich sehe nur noch Scheinwerfersonnen, aber keine Spurmarkierungen.

Ich hatte noch nie eine beängstigere Autobahnauffahrt, und letztlich behalf ich mir durch einen Blick durchs Fenster mit Eulenhals-Extremschulterblick. Da können die Zulieferer viel vom kleineren toten Winkel schwadronieren, ich bin etwas erstaunt, dass man so ein System für den öffentlichen Straßenverkehr zugelassen bekommt. Ich dachte, Sicherheit wäre aktuell so wichtig ...

Honda e Kabine (24 Bilder)

"Das ist ja cool!" Bildschirmleiste schindet Eindruck.
(Bild: Clemens Gleich)

Die Kameras sind optimiert auf Tages- bis Schwachlicht im Ort mit Straßenbeleuchtung. Für einen sicheren Betrieb überland und Autobahn bräuchten sie dringend Infrarotlampen und Infrarot-Empfindlichkeit plus eine automatische Waschanlage. Das ist nicht meine alleinige Einbildung. Kürzlich unterhielt ich mich mit einem Automotive-Ingenieur, der genau die Probleme "Winterwetter und Dunkelheit" als kritisch für Kamerasysteme ansah, die Spiegel ersetzen sollen.

Den Bildschirm im Rückspiegel verwendete ich folglich ebenfalls nie (man kann ihn abschalten und die Plexiglas-Spiegelung verwenden). Aktuell hoffe ich, dass sich Kameraspiegel auf so einem Niveau nicht durchsetzen, damit ich nicht noch einmal damit in einem Testwagen nachts auf die A3 einfädeln muss. Die EU soll mal Mindestanforderungen festlegen: schlechter als ein Spiegel darf es nicht werden.

Die ganzen Schwächen, das potenziell gefährliche Rückspiegelsystem, alles führt jedoch nicht dazu, dass man das Auto hasst. Man verzeiht ihm. Es zeigt schon durch die Gestaltung klar: "Ich bin ein Experiment. Ich zeige, wie ein Elektroauto aussehen kann. Ich zeige dabei, warum es meistens nicht so aussieht." Dieser Umstand positioniert den Honda e anders als etwa den Mini oder den Abarth, denn diese beiden Nischen sind trotz ihrer eigenen Probleme Produkte auf Großserienniveau. Im e fühlst du dich immer, als hätte dir Honda einen Prototypen zum Herumpesen überlassen. Und das Herumpesen ist dann auch noch so toll! Ich fuhr den Wagen wie viele Fahrspaßfahrzeuge: "Ach! Ich muss unbedingt noch nach, Dings: Würzburg fahren! Ja. Ich muss etwas essen. Das geht nur dort. Prepare the Honda!"

Den Interessierten sage ich daher immer dasselbe auf ihr "Das ist ja cool!": Ja, das ist cool. Es funktioniert aber vieles davon nur so lala. Deshalb kann ich den e, so sehr ich ihn mag, nicht als funktionalen Zweitwagen empfehlen. Trotz des hohen Verbrauchs bieten die PSA-Dinger über die Nutzungszeit mehr Funktion pro Euro. Aber wer schon immer mal ein cooles Konzept aus Hamamatsu fahren wollte, wird mit Hondas Konzeptkarre sehr glücklich werden. Angesichts des Preises, Hondas Produktionsplan und der funktionalen Probleme wird das Auto sowieso selten bleiben. Wer weiß, was er tut, bereut in zwanzig Jahren nichts. Siehe auch: Honda Zoomer. Wer jedoch einen Elektro-Zweitwagen sucht, findet nüchterne Funktion anderswo günstiger und winternachttauglicher.

Hersteller Honda
Modell e
Motor und Antrieb
Motorart Permanentmagnet-Synchronmotor,
Boost-Leistung in kW 100
Max. Drehmoment in Nm 315
Dauerleistung in kW 60
Antrieb Heckantrieb
Fahrwerk
Spurweite vorn in mm 1523
Spurweite hinten in mm 1516
Radaufhängung vorn MacPherson
Radaufhängung hinten MacPherson
Lenkung Elektrisch unterstützte Zahnstangenlenkung
Wendekreis in m 9,2
Reifengröße vorn 185/60R16
Reifengröße hinten 205/55R16
Maße und Gewichte
Länge in mm 3894
Breite in mm 1752 (inklusive Kameraträger)
Höhe in mm 1512
Radstand in mm 2538
Kofferraumvolumen in Litern 171 bis 861
Leergewicht in kg nach EU inklusive 68 kg Fahrer und 7 kg Gepäck 1588
Zuladung in kg 267
Dachlast in kg 0
Anhängelast in kg 0
Batteriekapazität netto in kWh k. A.
Batteriekapazität brutto in kWh 35,5
Fahrleistungen
Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in Sekunden 9
Höchstgeschwindigkeit in km/h 145
Laden
Max. Ladeleistung AC in kW 6,6
Max. Ladeleistung DC in kW 56
Ladeleistung Schuko-Ladeadapter, beiliegend in kW 1,8
Ladezeit 10 bis 80% SoC, Idealbedingungen, in min 30
Verbrauch
Verbrauch kWh/100 km nach WLTP kombiniert 17,2
Testverbrauch Kurzstrecke überland Winter in kWh/100 km brutto 26,4
Testverbrauch BAB 130 Winter in kWh/100 km brutto 26,2
Testverbrauch Landstraße Mittelstrecke Winter in kWh/100 km brutto 21
Daten Stand November 2021

(cgl)