Elektroauto Genesis G80 electric im Test: Reisetauglich, da rasant geladen

Seite 2: Sitze, winziger Kofferraum, Solardach, Fazit

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Nicht 100-prozentig fanden die Sitze und ich zueinander. Der Verstellbereich nach hinten, durch meine langen Beine gestraft bin ich diesbezüglich anspruchsvoll, ist nur knapp ausreichend. Außerdem könnte sich der Sessel für meinen Geschmack weiter nach unten stellen lassen. Dafür ist die verstellbare Breite der Lehne angenehm variabel und die Massage sehr kräftig. Schade irgendwie, dass Genesis sie nur auf der Fahrerseite verbaut. Hinten erfreuten die Bildschirme den Spieltrieb der Kinder, die mit den Möglichkeiten allerlei Unsinn trieben. Immerhin lassen sich von dort auch Dinge wie Navigation und Klimaanlage regeln. Den Schalter, diese Optionen zu begrenzen, suchte ich vergeblich, wobei es ihn sicher geben wird.

Gespart hat sich Genesis den schlüssellosen Zugang über die hinteren Türen. Wer dort vor Fahrtantritt etwas ablegen will, muss entweder doch wieder den Schlüssel in die Hand nehmen oder erst den vorderen Türgriff anfassen. In einem Kia Ceed mag das lästig erscheinen, in der Preisklasse eines G80 einfach nur noch unverständlich. Viel schwerwiegender ist aber eine Schwäche, die vermutlich viele als die größte des G80 electric ansehen werden. Der Kofferraum misst gerade einmal 354 Liter, die Fünf-Meter-Limousine spielt damit in einer Liga mit dem VW Polo (Test). Das Reisegepäck muss also sorgfältiger geplant werden, als es in ähnlich großen Autos üblich ist. Erschwerend kommt hinzu, dass sich der Boden zum Fahrgastraum noch rundlich erhebt, es also nicht ganz einfach ist, das spärliche Volumen komplett zu nutzen.

An die Idealisten unter den Käufern eines G80 electric wendet sich das Angebot eines Solardach für 1610 Euro, denn rechnen wird sich dieser Aufpreis erst mit reichlich Ausdauer. Genesis preist es euphemistisch an:

Bei einer durchschnittlichen Tageslichtdauer von knapp sechs Stunden können mit dem optionalen Solardach pro Tag etwa 0,7 kWh Energie erzeugt werden, was einer zusätzlichen Reichweite von drei km entspricht. Auf das Jahr gerechnet, kann das Solardach über 266,5 kWh elektrische Energie produzieren und 1500 km zusätzliche Reichweite beisteuern.

Gehen wir mal großzügig darüber hinweg, dass sich der hochgerechnete Verbrauch für die drei Kilometer sich nicht in Einklang mit dem Jahresergebnis bringen lässt: Bis das teure Dach sein Geld wieder eingespielt hat, vergehen viele, viele Jahre, selbst bei steigenden Strompreisen an Schnellladestationen. Im Auto gibt es einen Zähler für das Solardach in Wattstunden, der sich nicht zurücksetzen lässt. Auf den 10.000 km Gesamtfahrleistung hatte der Testwagen am Ende des Sommers insgesamt knapp 46 kWh eingesammelt. An besonders sonnigen Tagen im August waren es etwa 450 Wh/Tag, die das Dach beisteuerte. Das ist fraglos geringfügig mehr als nichts, finanziell lohnt sich das aber nicht.

Natürlich kann man sich die Frage stellen, inwieweit es einen Käufer in dieser Preisklasse tangiert, ob sich ein solches Dach rentiert. Das Basismodell des G80 electric kostet 69.200 Euro. Inklusive sind die Servicekosten für fünf Jahre (bis 75.000 km), wobei das Fahrzeug zu diesen Terminen abgeholt und nach den Arbeiten wieder gebracht wird. Erstaunlich ist, dass Genesis das für derart selbstverständlich hält, dass es nicht einmal in der Preisliste erwähnt wird.

Genesis G80 electric (6 Bilder)

Die Marke Genesis ist auf deutschen Straßen noch ein Exot. Hyundai will sie als Nobel-Alternative zur hochpreisigen Konkurrenz aus Deutschland etablieren.
(Bild: Florian Pillau)

Der mit allen Extras angereicherte Testwagen kam auf rund 87.000 Euro. Die Konkurrenz aus Deutschland für diese Summe nichts Vergleichbares liefern. Der Mercedes EQE ist bei ähnlicher Motorisierung und Ausstattung erheblich teurer, Audi und BMW haben derzeit keine vergleichbaren E-Limousinen im Sortiment. Ein Tesla Model S ist fast so lang wie der Genesis, lädt ähnlich schnell, spielt aber bei der Leistung in einer anderen Liga.

Der Genesis G80 electric ist eine gelungene Reiselimousine, deren enormes Ladetempo auch auf Langstrecken überzeugt. Selbst bei sehr zügiger Fahrt sind 300 km am Stück möglich, die Ladezeit für weitere 250 km in ähnlichem Tempo entspricht einer Pause, die die meisten zum Beinevertreten nach so einer Distanz wohl ohnehin einlegen werden. Wer es nur etwas gemäßigter angeht, schafft locker Tagesdistanzen von 700 km plus X mit einem kurzen Ladestopp.

Genesis kombiniert das mit gehobenem Komfort und einer außergewöhnlich feinen Innenauskleidung. Hinzu kommt ein umfangreiches Garantie- und Service-Paket, was keineswegs selbstverständlich ist. Knapp 70.000 Euro sind viel Geld, doch gemessen an der spärlichen Konkurrenz ein faires Angebot. Leben muss der G80-Fahrer mit einem lächerlich kleinen Kofferraum.

Die Kosten für die Überführung wurden vom Hersteller übernommen, jene für Strom von der Redaktion.