Demonstration für Netzneutralität in den USA

Man habe die großen Carrier nicht erfolgreich im US-Kongress aufgehalten, damit sie jetzt auf der Ebene der Bundesstaaten eine Netzneutralitätsregel verhinderten, hieß es im Vorfeld der Beratungen zu einem Gesetz über Video Franchising in Michigan.

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Von
  • Monika Ermert

Die Koalition SaveTheInternet protestierte am gestrigen Dienstag in Lansing, Michigan, gegen ein Gesetz, das Carrier nicht auf strikte Netzneutralität verpflichtet. Die Organisation macht sich gemeinsam mit Netzgrößen wie Amazon.com, eBay, Google, Microsoft und Yahoo für strenge gesetzliche Netzneutralitätsregeln stark. Ihr Lager befürchtet, dass Telekommunikationskonzerne und TV-Kabelanbieter das Internet andernfalls in teure, mit Mautstationen abgesperrte Luxusbahnen und holprige Feldwege aufteilen. Großen US-Breitbandanbietern und einigen europäischen Carriern wie der Deutschen Telekom geht es darum, für den Aufbau ihrer Hochgeschwindigkeitsnetze Inhalteanbieter für die zugesicherte oder besonders rasche Übertragung von Daten extra zur Kasse zu bitten. Sie wollen Möglichkeiten zur unterschiedlichen Behandlung des Datenverkehrs in ihren Backbones erhalten, abhängig etwa von Quelle, Dienst und Bandbreitenverbrauch.

Das Michigan Video Franchising Gesetz (HR 6456), das am heutigen Mittwoch vom Ausschuss Technologie und Energie des Senats von Michigan beraten wird, sei von den Lobbyisten der großen Carrier geschrieben worden, beklagt die Initiative in ihrem Demonstrationsaufruf. Die Internet Innovation Alliance, zu der unter anderem AT&T, Level 3, die Infomation Technology Alliance of America und die American Conservative Union gehören, begrüßte das Gesetz dagegen, denn es begünstige den Aufbau von technischer Infrastruktur und den Eintritt neuer Konkurrenten in den Markt für Kabelanbieter. Das Gesetz soll einen einheitlichen Rechtsrahmen schaffen für die Belieferung der Bürger Michigans mit Videodiensten und IPTV vor allem über die Kabelnetze; dabei würde den großen Carriern erlaubt, mit eigenen Angeboten auf dem lokalen Fernsehmarkt aufzutreten. Die Carrier könnten mit großen Stationen Verträge auf Bundes- oder Bundesstaatsebene abschließen, deren Angebote gegen entsprechende Gebühren in ihren Netzen bevorzugen, lokale Fernsehstationen, die nicht so finanzstark auftreten können, dagegen unberücksichtigt lassen oder gar nicht in ihren Netzen transportieren. Das Gesetz würde AT&T unabhängig von lokalen Lizenzvergaben fürs IPTV-Geschäft machen und ihm eine TV-Lizenz für ganz Michigan erteilen. Das Unternehmen hat für diesen Fall den Aufbau eines Glasfasernetzes für Highspeed Internet und Fernsehen angekündigt.

Das Gesetz sei der Traum von AT&T, für Verbraucher aber ein Albtraum, meinte Frannie Wellings von FreePress gegenüber heise online. "Wenn das Gesetz durchgeht, würde der Verbraucherschutz samt und sonders in den Mülleimer wandern, AT&T könnte sich bestimmte, reichere Gegenden für Angebote auszusuchen, die Finanzierung von Angeboten im öffentlichen Bereich, Bildungssektor und beim Staat ruinieren, und gleichzeitig würde es keinerlei Schutz für die Neutralität des Netzes geben." Als massiven Ausverkauf an AT&T und gegen Verbraucherinteressen und wirtschaftliche Innovation gerichtet, bezeichnete auch David Pettit von der Verbraucherschutzinitiative Public Interest Research Group in Michigan (PIRGIM) den Vorschlag.

Unterstützt wurde die Kundgebung von einem breiten Bündnis von Organisationen unterstützt, darunter dem Michigan Chapter der National Association of Telecommunication Officers and Advisors, der Consumer Federation of America, der Alliance for Community Media und dem Grand Rapids Community Media Center. Mit von der Partie war auch Google: für den Suchmaschinenprimus meinte Andrew McLaughlin, man hätte es nie geschafft, mehr als eine Garagenfirma zu werden, hätten die Internetanbieter den individuellen Zugang zu Google blockieren oder langsamer machen können. Die SavetheInternet-Initiative überreichte den Senatoren insamt 18.000 Unterschriften für die Einfügung einer Netzneutralitätsregel.

Man habe AT&T und seine Verbündeten (dazu gehört unter anderem auch Verizon) nicht erfolgreich im US-Kongress aufgehalten, nur damit sie jetzt auf der Ebene der Bundesstaaten eine Netzneutralitätsregel verhinderten. "Wenn sie in Michigan gewinnen, bedeutet das einen schweren Rückschlag für unsere Arbeit in Washington", schreiben die Koalitionäre. "Ein Bundesgesetz könnte die Gesetzgebung auf der Ebene der Bundesstaaten vorwegnehmen", meinte Wellings.

Die Carrier hätten allerdings angekündigt, dass sie jetzt bundesstaatliche Regeln anstelle eines Bundesgesetzes favorisieren: "Sie sind voller Zuversicht, dass sie in den Bundesstaaten mit ihren Vorschlägen durchkommen", kommentierte Wellings. "Aber wir folgen ihnen auf dem Fuß und werden die Gesetze dort bekämpfen und die Schlacht dann im nächsten Jahr auf Bundesebene zu Ende bringen." Ihre Organisation erwarte nicht, dass das im auslaufenden Jahr so heiß umstrittene Gesetz HR 5252 zur Netzneutralität noch jetzt vom Kongress verabschiedet werde. Das Gesetz in Michigan habe aber bereits das Abgeordnetenhaus passiert und müsse nur noch im Senat verabschiedet werden. Das könne noch in dieser Woche passieren.

In beiden Fällen – im US-Kongress und im Senat von Michigan – warnen die Befürworter von Netzneutralität davor, die Gesetze noch schnell vor der neuen Legislaturperiode und damit unter der abgewählten Republikaner-Mehrheit über die Bühne zu bringen. Die Sitzung, in der die abgewählte Mehrheit noch einmal das Szepter führt, werden als "Lame Duck"-Sitzungen bezeichnet. Von der neuen, demokratischen Mehrheit im Kongress erhoffen sich die Netzneutralitäts-Befürworter mehr Unterstützung.

Zum Thema Netzneutralität siehe auch:

(Monika Ermert) / (jk)