Photovoltaik-Elektroroller Lightfoot Scooter: Hab Sonne im Koffer

Wie viel Mut es braucht, einen mobilen Solarkoffer zu reiten, wird unterschiedlich bewertet. Sicher ist: Neben dem Lightfoot verblasst jede aufgemotzte Harley.

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Elektroroller Lightfoot Scooter

(Bild: Otherlab)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Ingo Gach
Inhaltsverzeichnis

Was auf dem Foto wie ein von Künstlicher Intelligenz (KI) erzeugter Scherz aussieht, ist Realität. Der elektrische Lightfoot versorgt sich über seine Solarzellen mit Strom und ist damit potenziell unabhängig von Steckdosen. Dazu kommt noch, dass der unkonventionelle Scooter viel Stauraum bietet, denn er kann aufgeklappt werden. Das sieht auf den ersten Blick komisch aus. Unfreiwillig, denn ein Blick in die Details zeigt offenbar ziemlich ernsthafte Vorstellungen von Konstruktion und Qualität: Eine Menge bewährter Cargo-Bike-Technik hat ihren Weg in den Photovoltaik-Roller gefunden.

Gebaut wird der Lightfoot von der amerikanischen Firma Otherlab, die Idee stammt von dem australischen Ingenieur Edward H. Kist. Seine Vision war, ein autarkes Elektro-Zweirad für zwei Personen und mit großzügigem Stauraum für den urbanen Einsatz zu konstruieren. Das Vehikel sollte nachhaltig und simpel zu warten sein, denn Kist hatte den Elektroscooter eigentlich für Länder mit hoher Sonneneinstrahlung, aber wenig Lademöglichkeiten erdacht. Doch es wurde schließlich zu einem internationalen Projekt, das Innovationslabor Otherlab in San Francisco half bei der Weiterentwicklung und übernahm die Vermarktung des Lightfoot.

Lightfoot Scooter I (6 Bilder)

Der Stauraum des Lightfoot ist wasserdicht und abschlieĂźbar. (Bild:

Otherlab

)

"Der Lightfoot wurde von einem kleinen Kernteam in San Francisco, New York City, Washington DC, Australien und Taiwan mit vielen Mitarbeitern entwickelt, die unsere Leidenschaft für Einfallsreichtum, Genauigkeit, Kreativität und bodenständige Handwerkskunst teilen", erklärt der Hersteller. Der Lightfoot lädt über zwei 120-Watt-Module mit insgesamt 96 Solarzellen eine 48-Volt-Batterie, vorausgesetzt die Sonne scheint. Jede Stunde Sonnenbad soll unter idealen Bedingungen bis zu 4,8 km (drei Meilen) Reichweite erzeugen.

Elektro-Leichtkrafträder

Der Speicher des deutschen Herstellers "Akku Vision" mit LFP-Zellchemie, den dieser für den Einsatz in E-Cargo-Bikes bewirbt, bietet einen Energiegehalt von 1,152 kWh, wiegt 9,5 kg und bringt einen im günstigsten Fall mit einer Ladung 37 km (23 Meilen) weit. Das ist natürlich nichts für die Tour am Sonntag, aber dafür ist der Lightfoot auch nicht gedacht. Sein Einsatzbereich ist die Stadt für die Fahrt zum Supermarkt, zur Arbeit oder zum Café. Ohne Sonne kann die Batterie mithilfe ihres 600-Watt-Ladegeräts über ein mitgeliefertes, acht Meter langes Ladekabel an der Steckdose aufgeladen werden.

Eine gehörige Portion Selbstbewusstsein muss der Fahrer des Lightfoot schon mitbringen, denn es sieht ein wenig so aus, als würde er auf einem überdimensionierten Koffer reiten, was im Grunde auch stimmt. Beide Seitendeckel des 1,6 m langen, einen Meter hohen und 50 cm breiten Lightfoot lassen sich aufklappen, um laut Hersteller drei Einkaufstüten oder zwei Helmen Platz zu bieten. Bei 127 cm Radstand und Zehn-Zoll-Felgen bleibt dafür genügend Platz: Der Hersteller gibt ein Stauvolumen von 45,2 Liter und ein Maximalgewicht des Gepäcks von 15 kg an. Der Stauraum ist nicht nur abschließbar, sondern auch regenfest. Zudem scheut sich der Lightfoot auch nicht vor Zwei-Personen-Betrieb.

Er wird von zwei je 750, kurzfristig sogar 1000 Watt leistenden Radnabenmotoren angetrieben, von denen jeder bis zu 45 Nm Drehmoment erbringt. Die Motoren sind innerhalb der Nabe mithilfe eines Planetenradgetriebes übersetzt. Beim Zudrehen des mit 45 Grad bewusst sehr kurzhubigen Fahrdrehgriffs während der Fahrt rekuperieren beide Motoren und speisen je nach gewählter Bremswirkung einen Teil der Bewegungsenergie in die Batterie zurück.

Der Lightfoot soll bis auf 32 km/h (20 Meilen) beschleunigen, dann wird er abgeregelt. Damit darf er in den USA auf Radwegen bewegt werden. Positiver Nebeneffekt: diese Geschwindigkeit frisst nicht allzu viel Reichweite. Am Lenker mit zwei Handbremshebeln ist in der Mitte ein digitales 2,8-Zoll-LC-Display integriert, am linken Lenkergriff vier Bedientasten. Sonderlich bequem sieht die 16 cm breite und 75 cm lange Sitzbank mit ihrer auf moderate 80 cm bezifferten Sitzhöhe aber nicht aus. Die Füße des Fahrers und des Sozius ruhen auf Trittbrettern zu beiden Seiten. Mit 62 kg macht der Lightfoot seinem Namen alle Ehre, schafft dabei aber ein zulässiges Gesamtgewicht von 160 kg.

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Der Lightfoot verfügt über einen Aluminiumrahmen aus in Taiwan handverschweißtem 6061-T6-Flugzeugaluminium und hat 10-Zoll-Alufelgen mit 10 x 3.2-Reifen (wenn wir das Datenblatt an dieser etwas unklaren Stelle richtig verstehen). Viele Bilder zeigen noch ein Vorserienmodell mit deutlich kleineren Rädern. Damit sollte sich schon knapp über Schrittgeschwindigkeit eine ganz ordentliche Fahrstabilität einstellen und selbst nicht asphaltierte Wege noch würdevoll und schmerzfrei zu bewältigen sein. Dabei ebenfalls hilfreich dürften die vordere Upside-down-Gabel mit 70 mm Federweg und das Feder-Dämpferbein an der Schwinge mit seinen 50 mm Arbeitshub sowie einstellbarer Vorspannung und Dämpfung sein. Die größere Sorge sollte bei der Bauweise wohl der Seitenwindanfälligkeit gelten.

Lightfoot Scooter II (6 Bilder)

Der Lightfoot Scooter ist in seiner Konstruktion außergewöhnlich. Er lädt die Batterie über Solarzellen auf. (Bild:

Otherlab

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Gebremst wird der Roller zunächst rekuperativ und bei kräftigerer Verzögerung per Scheibenbremsen mit radial montierten Tektro Auriga HD-E540 Zweikolben-Bremssätteln und Scheiben von Tektro im Format 60 × 2,3 mm aus dem E-Cargobike-Bereich. Der LED-Scheinwerfer Mega HB des amerikanischen Herstellers Lezyne bietet 2000 Lumen, das Rücklicht der gleichen Marke ein trägheitsgesteuertes Bremslicht, beide StVZO-konform. Lustigerweise wird sogar die mit 120 dB wirklich eindrucksvolle Leistung der Hupe angegeben. Der Lightfoot wird auf einem Hauptständer abgestellt, einen Seitenständer besitzt er nicht. Die Räder können elektrisch blockiert werden, was einem Diebstahl vorbeugen soll.

In den USA wird der Lightfoot für 4995 Dollar (derzeit rund 4800 Euro) verkauft. Angeboten wird er in Weiß oder als "Le Mans-Edition" (ernsthaft!) in Blau. Ob es Pläne gibt, den Lightfoot auch nach Europa zu exportieren, ist nicht bekannt. Als Pedelec kann er in der EU nicht zugelassen werden, denn die sind auf 25 km/h begrenzt. Der Lightfoot müsste bei uns eine Homologation als Kleinkraftrad erhalten, dann darf seine Höchstgeschwindigkeit sogar auf 45 km/h hinaufgesetzt werden. Einen ganz schwachen Hinweis auf eine mögliche Vermarktung in Deutschland bietet das Datenblatt: Dort steht, Scheinwerfer und Rücklicht seien "StVZO-zertifiziert", vielleicht aber nur, weil Lezyne auch von Berlin aus in Deutschland aktiv ist.