Motorrad-Test: Harley-Davidson Pan America 1250 ST
Harley-Davidsons Reiseenduro Pan America 1250 wird mit 17-Zoll-Vorderrad, kurzen Federn und Sport-Reifen zum Crossover-Bike. Am ĂĽberzeugendsten ist ihr Antrieb.
Harley kann Crossover – solange es nicht besonders dynamisch werden soll. Das Fahrwerk bleibt unter den Fähigkeiten des Motors.
(Bild: Ingo Gach)
- Ingo Gach
Harley-Davidson hat vor drei Jahren den "Adventure Tourer" Pan America 1250 vorgestellt. Zwar erhielt er durchweg ordentliche Kritiken im Test, aber der Verkaufserfolg wollte sich nicht einstellen. Offensichtlich kam das gewöhnungsbedürftige Design nicht gut bei den Kunden an. Auch haderten viele mit dem eher mäßigen Handling, was neben dem sehr langen Radstand von 1585 mm auch am 19-Zoll-Vorderrad lag. Deshalb beschloss Harley-Davidson für 2025 eine Version mit 17-Zoll-Vorderrad, gekürzten Federwegen und sportlicheren Reifen einzuführen – womit die Pan America 1250 ST endgültig den Sprung zum Crossover-Bike macht.
Zweieinhalb Zentimeter niedriger
Wie sich das fährt, wollten wir natürlich genauer wissen und haben die jüngste Harley-Davidson getestet. Die Pan America 1250 ST wirkt optisch etwas schmächtiger als die Reiseenduro-Version, was hauptsächlich an dem niedrigeren Windschild, der von 850 auf 825 mm abgesenkten Sitzhöhe und natürlich am kleineren Vorderrad liegt, über das sich ein neu designter Kotflügel schmiegt.
- Abgeleitet von der Reiseenduro (in den USA "Adventure Tourer") Pan America 1250
- Leistung: 112 kW bei 9000/min und 127 Nm Drehmoment bei 6750/min
- Adaptives Fahrwerk
- Leergewicht 246 kg
- Preis: 19.900 Euro
Wobei die Pan America 1250 ST immer noch eine sehr stattliche Erscheinung ist. Der große 21-Liter-Tank, die wuchtige Scheinwerfer-Frontmasken-Einheit und der riesige Endschalldämpfer tragen zu dem voluminösen Auftritt bei. Auf der Waage bestätigt sich der Eindruck, mit 246 kg Leergewicht gehört sie nicht zu den Leichtgewichten, bewegt sich aber noch im Bereich der Konkurrenz.
Bester Motor im Harley-Programm
Das absolute Highlight ist ihr Antrieb, vom Hersteller "Revolution Max 1250" getauft: Der wassergekĂĽhlte 1252-cm3-V2 mit 60 Grad-Zylinderwinkel ist der modernste Motor, den Harley-Davidson je gebaut hat. Er liefert 152Â PS bei 9000/min und 127Â Nm Drehmoment bei 6750/min. Er drĂĽckt schon vom Standgas weg an, dreht erstaunlich laufruhig hoch und liefert ĂĽber den gesamten Drehzahlbereich linear seine Power.
Harley-Davidson Pan America 1250 ST Test I (8 Bilder)

Ingo Gach
)Das krasse Gegenteil zu den sich heftig schüttelnden, luftgekühlten V2-Motoren der Marke, die keine Drehzahlen mögen und denen früh die Puste ausgeht. Beibehalten wird der typische Harley-Sound aus dem monströsen Auspuff, zum Glück ohne übertriebene Lautstärke. Das Getriebe lässt sich sauber schalten, ein Quickshifter gehört bei der ST zur Serienausstattung, der bei niedrigen Drehzahlen und Gängen allerdings merkliche Schläge verursacht. Äußerst ungewöhnlich für eine Harley-Davidson: die Pan America hat Kettenantrieb zum Hinterrad.
Sitzposition "im" Motorrad
Die Sitzposition wirkt einem aktiven Fahrverhalten entgegen, das Harley-Davidson mit der Pan America 1250 ST eigentlich erreichen wollte: Durch die tiefe Sitzkuhle hat man den Eindruck "im" Motorrad zu sitzen, außerdem sind die Fußrasten zu weit vorn positioniert, was zwar einen entspannten Kniewinkel bewirkt, aber keine schnellen Gewichtsverlagerungen ermöglicht. Die Lenkerkröpfung erweist sich
auf Dauer als unangenehm, da ich die Handgelenke zu weit nach außen abwinkeln muss. Zudem ist der Lenker sehr hoch und ich komme mir fast wie auf einem Chopper vor. Die ST lässt sich zwar minimal leichter Einlenken als mit dem 19-Zoll-Vorderrad, ist aber weit entfernt einem agilen Fahrverhalten.
Vom Vorderrad entkoppelt
Der Lenker befindet sich durch den langen Tank weit vor mir und ich fühle mich vom Vorderrad entkoppelt, bekomme kein klares Feedback. Auch wenn an der Pan America 1250 ST der Schwerpunkt durch die kürzeren Federwege abgesenkt und der Radstand auf 1570 mm verkürzt ist, will sie mit Nachdruck in die Kurve gebracht werden, liegt dann aber satt und ruhig in Schräglage. Die Zielgenauigkeit der Pan America 1250 ST lässt ein wenig zu wünschen übrig und es liegt viel Last auf dem Vorderrad. Die Schräglagenfreiheit von nur 37 Grad Neigungswinkel zu beiden Seiten ist nicht sehr viel. Die Scorcher Sport hat Michelin eigens für Harley-Davidson entwickelt. Sie bieten guten Grip. Auch in den hinteren Reifendimensionen weicht die ST von der Reiseenduro ab, hier dreht sich ein breiterer 180/55-17. Unterstützend greift die schräglagenabhängige Schlupfregelung bei zu heftigem Umgang mit dem Gasgriff ein.
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Sehr komfortabel
Komfort wurde bei der Entwicklung großgeschrieben und das auf 170 mm Federweg vorn und hinten verkürzte Fahrwerk mit Komponenten von Showa arbeitet anständig. Auf der ST lässt es sich bequem touren, sie dämpft überzeugend Unebenheiten des Asphalts. Gabel und Federbein werden je nach Beladung elektronisch vorgespannt, Zug- und Druckstufe lassen sich manuell einstellen. Der knappe, getönte Windschild bietet leidlich guten Schutz während der Fahrt.
Harley-Davidson Pan America 1250 ST Test II (7 Bilder)

Ingo Gach
)Das Fahrwerk hat jedoch eine Kehrseite: ab 200 km/h fängt die Pan America 1250 ST an zu pendeln. Kein heftiges Aufschaukeln, aber doch deutlich spürbar. Zum Glück verfügt die ST über gute Bremsen, die beiden radialen Vierkolbenbremszangen von Brembo mit 320 mm großen Bremsscheiben am Vorderrad verzögern die Harley sehr gut. Ihr Bremsweg ist bemerkenswert kurz, was auf den langen Radstand und die Gewichtsverteilung zurückzuführen ist.
GroĂźes TFT-Display
Harley-Davidson bedenkt die Pan America 1250 ST mit einem großzügigen 6,8-Zoll-TFT-Display samt Touch-Funktion. Das für den Fahrbetrieb wichtigste – Geschwindigkeit, Drehzahl und Gang – wird groß angezeigt, die restlichen Informationen verlieren sich aber in winzigen Darstellungen. Die Bedienung des Menüs über Tasten am linken Lenkerende ist logisch aufgebaut, aber die schiere Vielfalt der elektronischen Assistenzsysteme macht ein intensives Studium der Bedienungsanleitung notwendig. Natürlich ist das System Bluetooth-fähig und kann mit dem Smartphone gekoppelt werden. Zum Laden ist eine USB-C-Steckdose vorhanden.
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Stolzer Preis
Harley-Davidson verlangt 19.900 Euro für die Pan America 1250 ST in grau. Die Farben Schwarz oder Rot kosten 450 Euro Aufpreis. Ein stolzer Preis, auch wenn sie einen exzellenten Motor vorweisen kann. Harley-Davidson-Fans, die es gerne mal flotter angehen lassen wollen als auf den luftgekühlten Touring-Modellen, sollten die Pan America 1250 ST in Erwägung ziehen, aber trotz 17-Zoll-Vorderrad kein Handlingwunder erwarten.