Bundesratsvorstoß zu "Killerspiele-Verbot" erntet viele schlechte Noten

Bayern und Niedersachsen sind in der Länderkammer mit ihrer Forderung nach einem generellen Verbot brutaler Computerspiele und einer entsprechenden Verschärfung des Strafrechts auf Widerstand gestoßen.

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Bayern und Niedersachsen sind im Bundesrat am heutigen Freitag in Berlin mit ihrer Forderung nach einem generellen Verbot brutaler Computerspiele und einer Verschärfung des Strafrechts auf Widerstand gestoßen. Der nordrhein-westfälische Familienminister Armin Laschet (CDU) räumte bei der Debatte über den entsprechenden, von Niedersachsen unterstützten Gesetzesentwurfs Bayerns laut dpa zwar ein, dass es ein Vollzugsdefizit bei den bestehenden, bereits im April 2003 deutlich verschärften Gesetzen zum Jugendmedienschutz gebe. Von der Wissenschaft werde ein Zusammenhang zwischen den Amokläufen von Jugendlichen etwa in Emsdetten oder Erfurt mit dem Konsum von Killerspielen aber ganz überwiegend bestritten.

Laschet hatte Anfang der Woche gemeinsam mit Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen als Alternative ein "Sofortprogramm" einschließlich einer eigenen Gesetzesinitiative angekündigt, wonach über "Gewalt verherrlichende" hinaus, "Gewalt beherrschte" Spiele mit Mord- und Gemetzelszenen für Jugendliche verboten werden sollen. Die Verkäufer von Computerspielen sollen zudem stärker als bisher durch deutlichere Jugendschutz-Hinweise auf Videos und DVDs zur Einhaltung der Verkaufsverbote angehalten werden. Bayerns Familienministerin Christa Stewens (CSU) bezeichnete diesen Vorschlag als "Scheinlösung" und "stumpfes Schwert". Sie bestand darauf, dass unter anderem auch die Herstellung und Verbreitung virtueller Killerspiele unter Strafe gestellt werden müssten. Vertreter der Bundesregierung meldeten dazu verfassungsrechtliche Bedenken an.

Die Länderchefs überwiesen den bayerischen Gesetzesentwurf zur weiteren Beratung in die Fachausschüsse. Dort gibt es nach Informationen von heise online viele Stimmen, die eine Vertagung der Initiative fordern. Demnach soll zumindest die für Herbst angekündigte Evaluation der Jugendschutzgesetzgebung durch das Bundesfamilienministerium abgewartet werden. In einer Stellungnahme von Rheinland-Pfalz heißt es, dass noch kein Fall bekannt geworden sei, in dem einer Staatsanwaltschaft die Basis des bestehenden Paragraphen 131 Strafgesetzbuch (StGB) nicht für ein eventuelles Verbotsverfahren ausgereicht hätte. Generell solle die staatsanwaltschaftliche und gerichtliche Praxis im Umgang mit "Killerspielen" genauer untersucht werden.

Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hans-Peter Uhl, hält Korrekturen beim Jugendmedienschutz für notwendig, spricht aber nicht konkret von zusätzlichen Verboten. Derzeit werden dem Innenexperten zufolge "extrem gewaltgeneigte Spiele in der Praxis nur mit einer Altersbeschränkung versehen und nicht gänzlich indiziert". Ein strafrechtliches Vorgehen fehle bislang völlig. Dieser Missstand müsse beseitigt werden, wobei sich Rechtsverschärfungen als nötig erweisen könnten. Zuvor sei jedoch die Frage zu klären, "warum das geltende Recht nicht ausgeschöpft wurde". Auch Kompetenzrangeleien kommen Uhl zufolge dem Jugendschutz nicht zugute: "Wenn die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) eine Alterskennzeichnung vergibt, wird die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien nicht mehr tätig", bringt der CSU-Politiker ein Beispiel. Nur Letztere könnte jedoch Indizierungen vornehmen und die Ächtung von Killerspielen sowie wirksame Werbe- und Vertriebshindernisse vorantreiben.

Für "äußerst fragwürdig" hält ein neues Verbot Jürgen Kucharczyk, zuständiger Berichterstatter der SPD-Bundestagsfraktion. Die Rufe nach strengeren gesetzlichen Regelungen würden "die aktuelle Rechtslage verkennen". Computerspiele würden unter bestimmten Voraussetzungen schon jetzt unter ein "Herstellungs- und Verbreitungsverbot" fallen. Ein wirksames Mittel zur Stärkung des Jugendmedienschutzes sei die "Verbesserung des gesetzlichen Vollzugs". Verkäufe von Computerspielen an Jugendliche entgegen der vorgegebenen Altersbeschränkung müssten stärker kontrolliert und effizienter bestraft werden. Des Weiteren sei auf eine "effektive und qualitätsgesicherte Arbeitsweise der USK, verbunden mit der Kommunikationsnotwendigkeit zwischen Bund, Ländern und Kommunen", hinzuarbeiten.

Bei den Grünen kritisieren Grietje Bettin, medienpolitische Sprecherin, und ihr für Jugendpolitik zuständiger Kollege, Kai Gehring, den von Bayern vorgelegten Gesetzesentwurf als "Sammelsurium von unausgegorenen Verbotsvorschlägen und reinem Aktionismus." Durch unklare Begriffe werde der Willkür Tür und Tor geöffnet. Anstatt sinnvolle Vorschläge zur effektiveren Umsetzung bestehender Jugendschutzregelungen und zur Gewaltprävention zu machen, werde mit "Verbalradikalismus" politische Aktivität vorgegaukelt. Die Länder fordern die beiden Politiker auf, dem bayerischen Vorschlag eine klare Absage zu erteilen. Aber auch im "Sofortprogramm" aus dem Bundesfamilienministerium werde mit schwammigen Wortschöpfungen wie "gewaltbeherrschte Trägermedien" heiße Luft produziert. Eine Definition für diesen Begriff habe das Ministerium nicht vorlegen können.

Der rechtspolitische Sprecher der Grünen, Jerzy Montag, erinnerte daran, dass aus gutem Grund nicht jede Darstellung von Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder menschenähnliche Wesen zum Eingreifen der Polizei und Staatsanwaltschaft führe. Nur wenn die Brutalitäten unmenschlich dargestellt würden und durch die Art der Darbietung die Gewalttätigkeit verherrlicht oder verharmlost oder die Menschenwürde verletzt werde, spreche so viel unabweisbar für ein strafrechtliches Verbot, dass dahinter Grundrechte Dritter zurückzustehen hätten. Das geltende Strafrecht berücksichtigt diese verfassungsrechtlichen Grenzen und ermöglicht schon heute, auf Totschlag und Mord in Serie ausgerichtete Computerspiele aus dem Verkehr zu ziehen. Stoiber & Co. wollten dagegen noch eins draufsetzen und auch gleich "Indianer- und Ritterspiele" mit Bußgeld belegen. Zudem solle Erziehungsberechtigten das Recht entzogen werden, sich mit ihren Kindern über fragwürdige Computerprogramme und anrüchige Schriften auseinanderzusetzen. Verantwortliche Rechtspolitik sehe anders aus.

Scharfe Proteste gegen die bayerische Initiative kommen auch von den Liberalen. Der Entwurf sei "nicht durchdacht und wenig hilfreich", meint die jugendpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Miriam Gruss. Alles, was verboten sei, werde erst recht interessant. Auch laut dem Medienpolitikexperten der FDP, Christoph Waitz, fehlt es für den Verbotsantrag "an der schlüssigen Darlegung des Zusammenhangs zwischen der Planung und Durchführung der Bluttaten und der Nutzung von Gewaltspielen". Es bleibe unklar, "inwieweit das Spielen dieser Spiele die Taten vorbereitet oder zumindest die Durchführung erleichtert haben könnte".

Siehe zu dem Thema auch:

(Stefan Krempl) / (pmz)