LKW-Maut: Gute Kunst ist teuer

Die Verkehrsminister der EU-Staaten haben einen entscheidenden Durchbruch bei der so genannten Wegekostenrichtlinie erzielt; für Toll Collect dürfte die nunmehr mögliche Einbeziehung aller Bundesstraßen die größte Herausforderung sein.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 323 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Detlef Borchers

Die Verkehrsminister der EU-Staaten haben in Luxemburg nach anderthalb Jahren einen entscheidenden Durchbruch bei der so genannten Wegekostenrichtlinie erzielt, die die Basis für die nationale Ausgestaltung einer LKW-Maut ist. Der heftig verhandelte Kompromiss sieht vor, dass variable Zuschläge von 15 bis 25 Prozent auf den Mautgrundpreis erhoben werden können. Dafür sollen Abschläge auf weniger befahrenen Strecken möglich sein. Abschläge bis zu 13 Prozent können außerdem Vielfahrern gewährt werden, die bewusst auf der Autobahn bleiben und Landstraßen meiden. Die Mindestgrenze für die Erhebung einer LKW-Maut wurde auf 3,5 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht gesenkt, die Ausweitung der Maut auf alle Bundesstraßen eines Landes soll nunmehr zulässig sein. Die von den Verkehrsministern erarbeitete Wegekostenrichtlinie muss in zweiter Lesung vom Europa-Parlament genehmigt werden. Dabei können noch grundlegende Änderungen beschlossen werden.

In der jetzigen Kompromiss-Form sieht die Wegekostenrichtlinie vor, dass LKW mit hohen Abgaswerten (landläufig als Feinstaub-Stinker verteufelt) mit einem Zuschlag belegt werden können und Mautpreise für besonders belastete Strecken und Tageszeiten variieren dürfen. In Bergregionen können Aufschläge bis zu 25% betragen, was vor allem für die Brennerautobahn wichtig ist. Dort sollen die Aufschläge zweckgebunden für den Bau des Brennertunnels verwendet werden, während andererseits beschlossen wurde, dass Mauteinnahmen nicht ausschließlich in den Straßenbau fließen müssen.

Bis zuletzt hatte Italien gegen die Bergaufschläge gekämpft, sich dann aber mit einem Kompromiss zufrieden gegeben. Dieser gestattet Abschläge für Vielfahrer von 13% statt der ursprünglich geplanten 10%. Diese Abschläge stoßen wiederum auf heftige Kritik der Umweltverbände, die darin eine Abkehr vom bisher propagierten Verursacherprinzip sehen: Wer überwiegend die Autobahn benutzt, kommt günstiger weg. Allerdings steht es jedem EU-Land frei, auf die Abschläge zu verzichten.

Insgesamt dürfte die neue Wegekostenrichtlinie zu einer Vielzahl nicht unbedingt billiger Anpassungen vorhandener Mautsysteme führen. Für Deutschland mit seinem vom Toll-Collect-Konsortium gestellten Mautsystem dürfte die nunmehr mögliche Einbeziehung aller Bundesstraßen die größte Herausforderung sein. Für eine Um- oder Vorprogrammierung der OBU-Software in Version 2.0, die ab Sommer 2005 in die bereits in den LKW installierten On Board Units kopiert werden soll, dürfte die Zeit nach Ansicht von Experten knapp, aber noch ausreichend sein. "Gute Kunst ist teuer", kommentierte ein Mitglied der deutschen Delegation den Kompromiss, mit dem vor allen Randländer wie Finnland oder Portugal unzufrieden sind. Den von Italien durchgesetzten Vielfahrerrabatten wie der Absenkung der Maut auf Fahrzeuge ab 3,5 Tonnen will man im Bundesverkehrsministerium eine Absage erteilen.

Im Rahmen der EU-Wegekostenrichtlinie bekräftigten die Verkehrsminister die von den EU-Justizministern im Februar beschlossene Regelung zur europaweiten Strafverfolgung von Bußgeldern ab 70 Euro aufwärts. Dieser Beschluss soll dazu führen, dass zum Beispiel Mautpreller der deutschen LKW-Maut aus dem EU-Ausland auch in anderen EU-Ländern verfolgt werden. Keine Änderungen gab es bei der Gefahrengutrichtlinie, die damit ab dem 1. Juli 2005 endgültig in Kraft tritt. Diese Richtlinie, die seit dem 1.1.2005 mit einer Übergangsfrist bis zum Juli gilt, wird von den Transportverbänden als Kostentreiber heftig bekämpft. Sie ist eine Umsetzung der Maßnahmen zur Terrorbekämpfung und besagt, dass Fahrer von Gefahrguttransporten (z.B. Brennstoffe, Chemikalien, Sprengstoffe) sich biometrisch abgesichert oder durch Passwort und PIN jederzeit ausweisen müssen, sowohl im LKW selbst wie bei einer Kontrolle oder bei der Einfahrt in ein Chemiewerk, eine Raffinerie und dergleichen. Mit der so genannten ADR/RID/ADNR-Richtlinie werden Angebote wie etwa von Cargotrust an Bedeutung gewinnen, die Fahrer auf der Basis von Fingerabdrücken zertifizieren. Dabei sollen anonyme Verfahren eingesetzt werden, bei denen Biometriedaten und Personendaten getrennt gespeichert werden.

Zur satellitengestützten LKW-Maut in Deutschland siehe auch:

(Detlef Borchers) / (jk)